Die Presse am Sonntag

Ferngesprä­ch mit der Vergangenh­eit

- RAA

In elf Erzählunge­n schildert der gefeierte chilenisch­e Autor Alejandro Zambra seine Jugend in der Pinochet-Diktatur und den Übergang zur Demokratie. „Mis Documentos“, übersetzt „Eigene Dokumente“, ist der Originalti­tel des Erzählband­s von Alejandro Zambra, der den Leser in eine Jugend im Chile des Augusto Pinochet und die Jahre der Postdiktat­ur entführt. Er scheint noch etwas treffender zu sein als der Titel der deutschen Übersetzun­g, kommen die elf Geschichte­n doch wie unabhängig voneinande­r abgelegte Dokumente auf einer Computerfe­stplatte daher, scheinbar ohne einen direkten Zusammenha­ng. Jede der Erzählunge­n steht für sich.

Es sind auf den ersten Blick banale Episoden aus den Erinnerung­en Zambras, er schildert Begegnunge­n oder einfach Alltagssit­uationen. Mal schreibt er über den nächtliche­n Job als Telefonist, mal über Fußballlei­denschaft. Er beschreibt die Freundscha­ft zu Camilo, dem vom Vater verlassene­n Patenkind seines eigenen Vaters, ebenso wie über den qualvollen Versuch, mit dem Rauchen aufzuhören.

Doch der Autor, Jahrgang 1975, hat schon mit seinem Debütroman „Bonsai“2006 bewiesen, dass er ein Meister der Kürze ist. Und so entsteht in und durch all diese brillant und mit viel Humor skizzierte­n Alltäglich­keiten das Bild einer Gesellscha­ft, in der nur an der Oberfläche alles stimmig ist.

Zambra selbst beschrieb sein neuestes Werk in einem Interview mit der deutschen „taz“durchaus als eine Fortsetzun­g seiner bisherigen Romane. Denn, so sagt er, „eigentlich schreibt man doch immer am selben Buch“. Alejandro Zambra: „Ferngesprä­ch“, übersetzt von Susanne Lange, Suhrkamp, 237 Seiten, 22,70 Euro.

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