Die Presse am Sonntag

Baumelnd im Wind

In der Hängematte der Hitze entfliehen.

- VON A N N A- M A R I A WA L L N E R

Muss die Hängematte in unsere kleine Hot-List? Ganz einig waren wir uns nicht, aber als Feuilleton-Chef Thomas Kramar – der Mann, der rechts unten vom Soda-Zitron schwärmt – uns erinnerte, dass die baumelnde Bettstatt auch etymologis­ch interessan­t ist, war die Entscheidu­ng gefallen. Der Begriff „Hängematte“ist – wie etwa auch „einbläuen“oder „schnäuzen“– ein Beispiel für eine Pseudoetym­ologie. Die liegt vor, wenn ein unbekannte­s Wort nach dem Vorbild eines vertraut klingenden Wortes gebildet, der ursprüngli­che Sinn falsch gedeutet wird. Kolumbus hat die Schlafnetz­e auf seinen Amerika-Reisen bei den Tainos auf Haiti kennengele­rnt – und in der alten Welt wurde aus den „Hamacas“die „Hängematte“, weil es klang wie der Urbegriff und die hängen- de Schlafmatt­e exakt beschrieb. Die Maya nannten sie übrigens „Geschenk der Götter“. Wer einmal gehangen ist, weiß warum. Man fühlt sich darin Baumkronen und Himmel näher und hat das (vielleicht irrige?) Gefühl, die Hitze lässt sich ein paar Meter über der Erde eher ertragen als im gepolstert­en Liegestuhl oder im Gras. Wobei es Zeit wird, mit einer Mär aufzuräume­n: Für eine Hängematte braucht man zwar etwas Platz, aber längst keinen Garten oder eine Terrasse. Man kann auch indoor baumeln. Freundin Nunu etwa hat ihr Wollnetz an zwei Haken vor einer Fensterrei­he in ihrer, zugegeben recht geräumigen Wohnung montiert und liest und arbeitet seither bevorzugt in dieser Liegeposit­ion. Und zwar nicht nur bei Hitze im Sommer.

Newspapers in German

Newspapers from Austria