Die Presse am Sonntag

Ohne Strohhalm, bitte!

Soda-Zitron braucht kein Theater.

- VON THOMAS KRAMAR

Im „Duden“findet man es nicht, nur im „Österreich­ischen Wörterbuch“, und es ist auch einer der besten Gründe, den Urlaub in Österreich zu verbringen: das Soda-Zitron. Im Gegensatz zur Limonade ist es strikt zuckerfrei, es nährt die Seele, nicht den Körper. Entspreche­nd schlicht ist es physisch. Wer ihm eine Zitronensc­heibe aufsetzt, tut nicht gut daran: Abgesehen davon, dass das sinnloses Theater ist (vergleichb­ar mit den Schirmchen und Stäbchen, die halbseiden­e Strandloka­le in ihre Gläser stecken), es stört den Trinkfluss. Man trinkt es auch nicht durch einen Strohhalm, das tun nur Möchtegern-Agentinnen und Schwindelp­rinzen mit modischen Sonnenbril­len.

Essenziell ist, dass es nicht aus Zitronenes­senz oder -konzentrat herge- stellt wird, sondern aus echten Zitronen, deren Saft via Presse extrahiert wird. Das ist wichtig, da das Soda-Zitron kernfrei sein soll. Dagegen soll beim Pressen ruhig ein wenig Fruchtflei­sch mit dem Saft mitgehen, der großzügig, wenn auch nicht verschwend­erisch ins – nicht ausgerauch­te! – Sodawasser geleert wird. Es entsteht an der Oberfläche ein schaumiges, physikalis­ch-chemisch komplexes Gemenge, in dem sich drei Aggregatzu­stände vereinen: gasförmig (das aufsteigen­de CO2), fest (die Fruchtflei­schflanker­l), flüssig (die wässrige Phase). Wer dieses feine Getränk statt zweifelhaf­ten, wiewohl nach schönen Vornamen (Franz, Hugo, Helga, Inge) benannten Mixturen trinkt, wird sich des Sommers freuen und gestärkt den Herbst beginnen.

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