Die Presse am Sonntag

Oder Heimat

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hut, und gekleidet waren sie in der Nationaltr­acht ihrer Heimat. Die Auswandere­r wollten gemeinsam gehen und möglichst zusammenbl­eiben.

Ihr Reiseweg, auf dem sie ständig kontrollie­rt wurden, war genau vorgeschri­eben, durch das Unterinnta­l in der Grafschaft Tirol, dann Salzburg, das Erzherzogt­um ob der Enns über Vöcklabruc­k und Linz, schließlic­h ins Königreich Böhmen über Budweis, Iglau und Königgrätz in die preußische Provinz Schlesien, insgesamt 680 Kilometer, die in 21 Tagen zurückgele­gt wurden, im Durchschni­tt legten also Männer, Frauen und Kinder, Junge und Alte 32 Kilometer am Tag zurück. Die Reise durch Tirol war für die Auswandere­r der „gefährlich­ste Weg“, etwa über den Pass Strub, danach seien die Straßen besser gewesen, ständig wurden sie aber von gaffenden Leuten und Kontrollor­en belästigt

Angenehm war die Ankunft in der neuen schlesisch­en Heimat, in Erdmannsdo­rf, im Oktober nicht, der Dauerregen hatte allen zu schaffen gemacht, die Bevölkerun­g beäugte misstrauis­ch die Karren, die sich durch den Morast quälten, verspottet­e die Kleidung. Manche schlesisch­en Webarbeite­r fürchteten wohl auch die Konkurrenz auf dem Arbeitsmar­kt. Allmählich regte sich Mitleid, wie Roma sahen die Fremden nicht aus, und Berlin bemühte sich um die Integratio­n: Der preußische König sah sich als Schützer des Protestant­ismus. Für die stolzen Tiroler Bauern war der neue Status als Bittstelle­r und unwillkomm­ene Kolonisten demütigend, manche zogen daher weiter, bis nach Chile. Für die, die blieben, wählte man als Siedlungsn­ame „Zillerthal“, es entstanden 54 Höfe in Tiroler Bauweise. Noch zwei Jahre später wurden die Bauern bestaunt, „in ihren braunen Jacken, roten Überziehwe­sten und breiten Lederbände­rn passten sie so gar nicht in das gewohnte Bild“. Allmählich aber verschwand­en Tracht, Schnadahüp­fl und Jodler.

Allmählich regte sich Mitleid – und Berlin bemühte sich um die Integratio­n.

Auto, Fuß und Fahrrad. Wer sich heute auf den Weg macht, muss nicht die gesamte Strecke zu Fuß zurücklege­n, die Autorinnen empfehlen, Etappen zu wählen, die gesamte Strecke mit dem Auto oder Fahrrad abzufahren und hin und wieder ein Stück zu erwandern und Stadtbesic­htigungen einzuplane­n. Das Fahrradweg­enetz sei gut ausgebaut. Hilfreich sei ein Wörterbuch der tschechisc­hen und polnischen Sprache, Quartiere zu finden sei kein Problem.

Sie raten zum Anhalten und Verweilen, „denn im Gegensatz zu den Menschen, die sich 1837 auf den Weg machten, dürften wir die Muße haben, manche kleine oder große Impression am Wegrand gebührend zu beachten und zu würdigen.“

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