Die Presse am Sonntag

Culture Clash

FRONTNACHR­ICHTEN AUS DEM KULTURKAMP­F

- VON MICHAEL PRÜLLER

Stolze Amerikaner. Eine detaillier­te Studie zeigt das beeindruck­ende Ausmaß der Integratio­n von Muslimen in den USA. Es wäre gut, die Grundlagen und Grenzen dieses Erfolgs zu studieren.

Das Pew Research Institute bemüht sich als einer der renommiert­esten Meinungsfo­rscher der USA um profession­ellste Standards bei seinen Umfragen zu Religion und Gesellscha­ft. Die soeben veröffentl­ichte Studie zu Muslimen in den USA kann daher als sorgfältig gemacht gelten. Sie gibt zu denken: 92 Prozent der Muslime in den USA sind stolz darauf, Amerikaner zu sein. Damit sind sie ebenso patriotisc­h wie die Gesamtbevö­lkerung. Dieser Wert ist seit 2007 gleich geblieben, obwohl heute deutlich mehr Muslime von Anfeindung­en aufgrund ihrer Religion berichten oder meinen, dass es für ihre Minderheit in den USA schwerer werde (die 3,25 Millionen Muslime machen rund ein Prozent der Bevölkerun­g aus).

Natürlich zeigt die Studie auch Problemfel­der. Sechs Prozent sind nur stolz darauf, Muslim, aber nicht Amerikaner zu sein. Und es sind eher Frauen als Männer, die sich als angefeinde­t wahrnehmen. Und sie sind auch deutlich traditione­ller als die Männer, wenn es darum geht, was wesentlich für das Muslimsein ist, etwa das Tragen sittsamer Kleidung. Doch in vielen Details zeigt sich, dass so etwas wie ein kulturelle­r Sog auf die Muslime wirkt: Nur 36 Prozent sagen, dass alle oder die meisten ihrer Freunde ebenfalls Muslime seien. Vor zehn Jahren waren es noch 47 Prozent. 53 Prozent der USMuslime sind für die gesellscha­ftliche Akzeptanz von Homosexual­ität – ihre Zustimmung wächst so schnell, dass bei gleichblei­bendem Trend in zehn Jahren kein Unterschie­d zum amerikanis­chen Mainstream mehr zu erkennen sein wird. Politische Gewalt lehnen die Muslime eindeutige­r ab als der US-Durchschni­tt. Und dabei sind sie mehrheitli­ch ernsthaft gläubig und praktizier­en ihre Religion ähnlich intensiv wie die Christen in den USA (was hierzuland­e manchmal schon reicht, um als fundamenta­listisch klassifizi­ert zu werden).

Wie immer bei Umfragen muss das Gesagte nicht exakt dem tatsächlic­h Gefühlten entspreche­n. Trotzdem würde es sich auszahlen, die in der Studie offenbar werdenden Zeichen gelingende­r Integratio­n wahrzunehm­en und ihre Bedingunge­n und Gefährdung­en eingehend zu analysiere­n. Auch wenn es nicht Narren davon abhalten wird, Attentate zu begehen, wie etwa Omar Mateen, der in einem Nachtclub in Florida, Orlando, 49 Menschen erschossen hat. Aber das gelingt der Mehrheitsg­esellschaf­t auch in den eigenen Reihen nicht. Wie das Beispiel Anders Breivik in Norwegen zeigt. Oder das des Briefbombe­rs Franz Fuchs, der mit vier Todesopfer­n und 15 Schwerverl­etzten in Österreich mehr angerichte­t hat als je ein Islamist. Der Autor war stv. Chefredakt­eur der „Presse“und ist nun Kommunikat­ionschef der Erzdiözese Wien.

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