Durch die Wälder, durch die Auen, diesmal ohne Szene
Webers »Freischütz«, konzertant und mit neuen Zwischentexten: Damit eröffnete das Festival in Grafenegg. Ganz ging die Idee nicht auf.
Ehe man den Schritt in die große Orchesterwelt wagte, war in Grafenegg ein Vierteljahrhundert lang gewissermaßen das „kleine Genre“zu Hause. Doch gab es einmal, inspiriert von der einzigartigen romantischen Kulisse, eine Opernproduktion. Die Wahl fiel auf ein Stück, von dem trotz zahlreicher Renaissanceversuche kaum mehr als die Ouvertüre populär geworden ist: Carl Maria von Webers „Oberon“. Damit landete das damals nur wenigen bekannte Festival seinen ersten großen Erfolg.
Das war 1974. Ob man sich an daran erinnerte, als man sich entschied, das diesjährige Festival Grafenegg mit der populärsten Weber-Oper, dem „Freischütz“, zu eröffnen? Immerhin hätte man sich unter dem FestivalMotto „Klang triff Kulisse“Webers Klassiker eingebettet in die Grafenegger „Sommernachtsatmosphäre“sehr gut vorstellen können.
Warum nicht einmal aus dem üblichen Konzertangebot ausbrechen und ausnahmsweise in einer eigens für diesen außergewöhnlichen Standort entwickelten szenischen Produktion alle Möglichkeiten dieser Natur- und Kulturlandschaft verbinden? Man hat sich aber für eine konzertante Aufführung entschieden. Ob dieses „Freischütz“-Konzept mit der ursprünglich angekündigten Besetzung überzeugender aufgegangen wäre? Schließlich hat man sich für diesen Abend, der wettermäßig nicht idealer hätte sein können, verbindende Texte von Christian Klimke schreiben lassen. Ihm ging es, wie er im Programmheft formuliert, „um das Widerspiel zwischen Ordnung und Unbekanntem, Angst und Sicherheit, Blindheit und Plan. Dabei verliert Agathe ihre Naivität, und die Machowelt bekommt Risse.“
Das klingt anspruchsvoller, als sich die mit Ironie gespickten, paro- distisch angereicherten Texte tatsächlich ausnahmen, die der unnachahmliche Otto Schenk anstelle des ursprünglich in der Doppelrolle von Erzähler und Samiel vorgesehenen, mittlerweile verstorbenen Heribert Sasse rezitierte. Störend platzierte Figuren. Hätte man Schenk, wenn schon nicht für eine Regie, so wenigstens für ein szenisches Arrangement für diese Aufführung gewinnen sollen? Dieses wäre wohl einfallsreicher ausgefallen als die die Musik zuweilen störenden, von Susanne Schaber arrangierten Auf- und Abgänge der Protagonisten, die außerdem häufig so unvorteilhaft auf der Bühne des Wolkenturms platziert waren, dass es schwierig war, mit dem Dirigenten Yutaka Sado an der Spitze seines Tonkünstler-Orchesters in entsprechendem Kontakt zu sein.
Auch wenn er bei seiner betont epischen Darstellung der Partitur, deren dramatische Kraft damit nur ansatzweise zur Geltung kam, mehr an seinen gut studierten Orchestermusikern interessiert zu sein schien als mit den Solisten zu kommunizieren.
Aus ihnen ragte Albert Dohmens markanter Eremit hervor. Er machte diese kleine Rolle mit seiner expressiven Gestaltung geradezu zur Hauptfigur, sorgte für die spannendsten Momente dieses „Freischütz“. Adrian Eröd prunkte als exemplarisch-wortdeutlicher Ottokar, Daniela Fally brillierte als kokett-virtuoses Ännchen.
Otto Schenk las die Texte – anstelle des verstorbenen Heribert Sasse.
Vokale Herausforderungen. Mehr Vitalität und Stimmglanz hätte man von Michael Königs Max erwartet. Tuomas Pursio präsentierte sich als klar artikulierender, etwas steif phrasierender, das Zynische seiner Person zu wenig herausstreichender Kaspar. Solide Sebastian Wartigs Kuno und Bernhard Hanskys Kilian.
Ein Pech, dass Dorothea Röschmann für die Agathe absagen musste, denn die an der Leipziger Oper engagierte Gal James erwies sich den stilistischen wie vokalen Herausforderungen dieser Rolle nur bedingt gewachsen. Dafür zeigte der wie stets bestens vorbereitete Arnold Schönberg Chor,
Adrian Eröd prunkte als Ottokar, Daniela Fally als kokett-virtuoses Ännchen.
was alles in Webers Partitur steckt. Präziser, transparenter, deutlicher die Atmosphären dieser Stimmungsoper herausarbeitend kann man diesen Part nicht gestalten.
Begonnen wurde dieses FestivalEntree mit einer neuen „Grafenegg Fanfare“für zehn Blechbläser des diesjährigen Composer-Conductor, Brad Lubman, die aphoristisch Zitate von Gustav Holst und Paul Dukas in eine von Strawinsky beeinflusste Klangsprache gekonnt einbettet.