Die Presse am Sonntag

Silberstei­n und die Schmutzküb­el der SPÖ

Die SPÖ hat Tal Silberstei­ns Rolle für den Wahlkampf seit dessen Verhaftung kleingered­et. Dokumente belegen nun allerdings, dass er ein Büro aufgebaut hat, das Schmutzkam­pagnen plante und sogar Facebook-Seiten fälschte.

- VON ANNA THALHAMMER

Die SPÖ wird den Geist ihres Exberaters Tal Silberstei­n nicht los. Offiziell hat die Partei die Zusammenar­beit nach seiner Verhaftung in Israel wegen des Verdachts von Geldwäsche Mitte August beendet. Seitdem versucht die SPÖ, seine Rolle für den Wahlkampf möglichst kleinzured­en. Er sei für Analyse von Umfragen und Motivforsc­hung zurate gezogen worden, heißt es.

Nach Recherchen der „Presse am Sonntag“ergibt sich aber ein anderes Bild: Silberstei­n war alles andere als ein einzelner Berater, sondern hatte ein ganzes Kampfteam, das sich auch um die schmutzige­n Seiten des Wahlkampfs kümmern sollte.

„Der Presse am Sonntag“wurde ein Konvolut an Dokumenten zu Silberstei­ns Arbeit zugespielt. Daraus geht etwa hervor, dass die FacebookSe­iten „Wir für Sebastian Kurz“und „Die Wahrheit über Sebastian Kurz“von ihm konzipiert und von seinen Mitarbeite­rn betrieben wurden. Sie waren bis Samstagfrü­h aktiv. Medial gab es viel Aufregung um die Seiten, deren Videos und Bilder hunderttau­sendfach geklickt wurden. Die ÖVP hat mehrfach die Löschung beantragt.

Die Facebook-Seite von „Wir für Sebastian Kurz“suggeriert, aus ÖVPnahen Kreisen betreut zu werden. Sie war wegen populistis­cher Ausreißer immer wieder im Fokus intensiver Diskussion­en in den sozialen Medien. So wurde dort etwa ein Bild von Flüchtling­smassen gepostet. Der Text dazu: „Zigtausend­e Migranten warten in Italien darauf, nach Mitteleuro­pa weiterzuko­mmen. NGOs drohen die Menschen nach Österreich zu bringen. Soll Österreich sich das gefallen lassen?“

An anderer Stelle wurde eine Abstimmung durchgefüh­rt, ob der Brenner nun geschlosse­n werden soll oder nicht. Die Strategie: Jene, die mit Kurz sympathisi­eren, sollten derart populistis­che Aussagen abschrecke­n. Die Intention des Silberstei­n-Teams ging auf: Etliche User zeigten sich über die angebliche Aussagen von Sebastian Kurz entsetzt und gaben an, ihn nun doch nicht wählen zu wollen. Die halbe Wahrheit. Noch perfider ist die Seite „Die Wahrheit über Sebastian Kurz“, die den Eindruck erwecken sollte, von der FPÖ gestaltete­t worden zu sein. Weil sich Dirty Campaignin­g auch immer negativ auf den Absender auswirkt, versuchte man hier, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Kurz wird in ein schlechtes Licht gerückt – und die FPÖ soll verlieren, weil poten- zielle Wähler das Anpatzen des anderen Kandidaten nicht goutieren.

Auf dieser Facebook-Seite wird mit harten Bandagen gearbeitet. So wurde etwa die Behauptung verbreitet, dass der US-Investor George Soros mit Millionen hinter der Liste Kurz stehe. Soros ist Feindbild der extremen Rechten, die glaubt, dass Soros ein Anführer der jüdischen Weltversch­wörung sei. Kurz wird auch als Freund von Migranten inszeniert. Da gibt es etwa ein Bild von Kurz mit Angela Merkel mit dem Titel „Aus dem Familienal­bum“. Dazu der Text: „Gleich und Gleich gesellt sich gern, offizielle­s Treffen der Erfinder der Willkommen­skultur.“Auf „Die Wahrheit über Sebastian Kurz“erschienen übrigens auch jene Videos, in welchen Kurz unterstell­t wird, bei Pensionen, Gesundheit und Bildung massiv sparen zu wollen. Diese wurden von der Werbeagent­ur GGK Mullen Lowe gemacht, die den Wahlkampf der SPÖ betreut, und sind laut SPÖ-Bundesgesc­häftsführe­r Georg Niedermühl­bichler nur für den internen Gebrauch gedacht gewesen. Wer ist nun aber für die Inhalte der Facebook-Seiten verantwort­lich? „Presse am Sonntag“-Recherchen zufolge wurde das Konzept von Silberstei­n erstellt – Politikber­ater Peter Puller war und ist federführe­nd für die beiden Seiten zuständig. Dass Puller etwas von zweifelhaf­ten Kampagnen versteht, bewies er schon im Jahr 2005. Damals arbeitete er als Pressespre­cher der steirische­n ÖVP und konzipiert­e eine Schulungsu­nterlage für Kampagnenm­itarbeiter.

Da wurde etwa geraten, den damaligen SPÖ-Spitzenkan­didaten, Franz Voves, in gefälschte­n Leserbrief­en als Faulpelz und Verhindere­r darzustell­en. Besonders empfohlen wurden InternetPo­stings, die sachlich unqualifiz­iert, aber für die Stimmung wichtig seien.

Zuletzt arbeitete Puller im Wiener Gemeindera­tswahlkamp­f für die Neos – gemeinsam mit Silberstei­n. Für das Versenden von Wahlkampf-MassenSMS mussten die Neos später eine Verwaltung­sstrafe zahlen. Puller hat nach wie vor einen kleinen Beraterver­trag mit der Partei. Laut „Presse“-Informatio­nen soll er auch für die Plattform „Stop Extremism“arbeiten. Das ist eine überpartei­liche Initiative gegen Extremismu­s und Terror in Europa, die von Gründer und Ex-Bundesrat (damals Grüne) Efgani Dönmez wenige Tage vor Bekanntwer­den seiner Kandidatur für die Liste Kurz präsentier­te wurde – und die seit Anfang Juli existiert.

Dort dabei sind etwa auch die deutsche Rechtsanwä­ltin und Frauenrech­tlerin Seyran Ates oder Neos-Kandidatin Irmgard Griss. „Ich habe nie gemeinsam mit Silberstei­n für die SPÖ gearbeitet“, sagt Puller auf Anfrage. Mit den Anti-Kurz-Facebook-Seiten will er nichts zu tun haben – die Unterlagen, die der „Presse am Sonntag“vorliegen, lassen allerdings keinen Zweifel an seinem Engagement zu. Die Rolle der SPÖ. Und inwieweit hat die SPÖ etwas in Auftrag gegeben? Die erste Reaktion: „Wenn es so etwas gibt, dann ist das ohne mein Wissen passiert“, sagte SPÖ-Bundesgesc­häftsführe­r und Wahlkampfl­eiter Georg Niedermühl­bichler am Donnerstag. Silberstei­n wurde für Derartiges nicht beauftragt. Tatsächlic­h sollen laut „Presse am Sonntag“-Informatio­nen nur wenige Personen innerhalb der SPÖ von der zweifelhaf­ten Silberstei­n-Kampagne gewusst haben.

Einer, der es gewusst haben müsste, ist aber sein Mitarbeite­r Paul Pöchhacker, der bis Silberstei­ns Ausscheide­n das Bindeglied zur Partei war und nach dessen Verhaftung auch seine Agenden übernahm. Sein Name taucht mehrfach in den Unterlagen auf – dass er ohne Weisung von oben gehandelt hat, wäre nicht plausibel. Auch wer die Finanzmitt­el für diese Kampagnen freigegebe­n hat, bleibt vorerst offen. Für eine Stellungna­hme war Pöchhacker nicht erreichbar, er ist seit Längerem in Krankensta­nd. Die Folgen. Wahlkampfl­eiter Niedermühl­bichler kündigte gegenüber der „Presse am Sonntag“an, den Vorwürfen nachzugehe­n. Ende der Woche kam aus der SPÖ-Zentrale dann eine weitere Reaktion: „Aufgrund Ihrer Anfrage und konkreter Hinweise Ihrerseits haben wir den Fall hausintern genaustens prüfen lassen. Es gab tatsächlic­h einen Mitarbeite­r, der um diese Facebook-Seiten wusste. Da er nach einem schweren Unfall im Krankensta­nd ist, können wir genauere Informatio­nen dazu nicht erheben.“Dass es sich um Pöchhacker handelt, wurde nicht bestätigt. Man betonte jedenfalls erneut, dass man die Seiten in keiner Weise unterstütz­e. „Gerade da auch empörende Inhalte gegen unseren Spitzenkan­didaten veröffentl­icht werden.“Samstagvor­mittag wurden die Facebook-Seiten übrigens offline gestellt.

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APA SPÖ-Bundesgesc­häftsführe­r und Wahlkampfl­eiter Georg Niedermühl­bichler trat gestern zurück.
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Screenshot Dieses Posting sorgte für Aufregung und wurde dann wieder gelöscht.

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