Das Ende einer grünen Ära
Seine Amtszeit steht für den Wandel Neubaus zum hip-elitären Zentrum Wiens. Nun tritt Thomas Blimlinger ab.
Seine erste Amtshandlung mutete paradox an – Wiens erster grüner Bezirksvorsteher musste mit seiner Unterschrift bestätigen, dass entlang der Zweier-Linie Bäume gefällt werden. „Da habe ich gemerkt, ich bin in der Realität angekommen.“Es war 2001, gerade hatte Thomas Blimlinger mit den Grünen die relative Mehrheit in Neubau errungen. In diese Zeit fiel die Eröffnung des Museumsquartiers – und damit auch die Neugestaltung der Straße vor dem Areal inklusive Baumfällungen. „Mittlerweile“, sagt Blimlinger, „sind die aber wieder neu gepflanzt.“
Das MQ und der grüne Bezirksvorsteher – beides waren Indikatoren dafür, dass der Studentenbezirk auf dem Weg dazu war, zum hip-elitären Zentrum Wiens aufzusteigen. Galerien und Kreative entdeckten die damals noch verhältnismäßig günstigen Geschäftslokale und Ateliers. Die Altbauwohnung mit Flügeltüren in Zentrumsnähe etablierte sich als Wohntraum des Gesellschaftsphänomens, das um die Jahrtausendwende als „Bobo“durch die Medien ging. Neubau wurde zur Zentrale junger Besserverdiener mit alternativem Lebensstil, Bobostan sagte man auch damals. Und Blimlinger war derjenige, dem die neue Bezirksschicht quasi die Führung übertrug.
„Manche haben gefürchtet, manche haben gehofft“, erzählt er heute, „dass jetzt alle Autos aus dem Bezirk verschwinden.“So wie auch die Geschichten herumgeisterten, dass im siebenten Bezirk bald Haschtrafiken eröffnen würden – vor seiner Kür hat Blimlinger am Siebensternplatz selbst knapp 20 Jahre lang eine Trafik betrieben. Eingetreten sind die Hoffnungen oder Befürchtungen letztlich alle nicht. Aber natürlich, einige Dinge haben sich seit seinem Amtsantritt geändert. Es gibt mehr Komfort für Radfahrer, von Radwegen bis Abstellplätzen, dafür weniger Parkplätze und mit Tempolimits und neuen Einbahnführungen strengere Regeln für Autofahrer.
Der Verkehr ist es auch, den Blimlinger als eines der größten Probleme im Bezirk sieht. Nach wie vor seien etwa Burg- und Neustiftgasse Durchzugsstraßen. Und der Autoverkehr in den engen Seitengassen sei auch für viele Anrainer ein Ärgernis. Generell auch der Lärm – von Autos, aber auch von Lokalen. Denn die sind in Neubau recht dicht vertreten – „das Verhältnis von Lokalen zu Bewohnern“, meint Blimlinger, „ist hier sicher am höchsten“. Beschwerden über nächtlich lärmende Lokalbesucher? Das kannte man in den vergangenen Jahren vor allem aus der Inneren Stadt, als Ursula Stenzel noch Bezirksvorsteherin war. Teures Wohnen. Auch diese Parallele lässt sich erklären. Die jungen und wilden Neubauer von einst sind mittlerweile zu Jungfamilien mutiert, die – Achtung, Klischee – ihre Kinder mit dem Lastenrad in den Kindergarten führen. Und die mit dem Bezirk gewachsene Bevölkerung legt eben auch Wert auf Ruhe. Und ist auch finanziell der prekären Zeit der Studenten-WG im Altbau entwachsen. Für die studentische Klientel wird der Bezirk überdies fast schon unleistbar. „Das Wohnen ist zu teuer“, sagt auch Blimlinger. Allein, viel dagegen tun kann er nicht. Der Bezirk ist dicht verbaut, der Bedarf an Wohnraum groß – und die Kompetenzen eines Bezirksvorstehers sind bei diesem Thema sowieso begrenzt.
In Erinnerung bleiben wird von Blimlingers Amtszeit aber wohl vor allem eine Maßnahme – obwohl er selbst gar nicht die treibende Kraft war: Die Verkehrsberuhigung der Mariahilfer Straße wurde mit der symbolischen Schlusssteinlegung 2015 vollendet. Die Initiative dazu war von den Stadtgrünen gekommen, die seit 2010 in einer Koalition mit der SPÖ in Wien regier-
Thomas Blimlinger
(geb. 1957) wurde 2001 erster grüner Bezirksvorsteher Wiens. Der studierte Ökonom betrieb davor knapp 20 Jahre lang eine Trafik am Siebensternplatz. Ende September gab er bekannt, dass er sein Amt Ende November abgeben wird. ten. Blimlinger selbst war anfangs skeptisch. Doch mit Fortdauer des Projekts machte auch er sich dafür stark – wenn auch schaumgebremster und mit einem Blick darauf, welche Folgen eine Fußgänger- bzw. Begegnungszone für den Rest des Bezirks hat.
Er ist, wie man in der grünen Parteilandschaft eben Einteilungen trifft, ein Realo. Der nun aber mit Ende November – aus persönlichen Gründen, wie er sagt – abtritt. Und einen Bezirk hinterlässt, der gern als so etwas wie das Dorado der hippen Urbanität verklärt wird. Nur das mit den Haschtrafiken, das hat in seiner Amtszeit dann doch nicht geklappt.
Aus den jungen und wilden Neubauern von einst sind Jungfamilien geworden.