Die Presse am Sonntag

Eine Tour durch die Wiener Kaffeehäus­er

Am heutigen Tag des Kaffees gehen Fremdenfüh­rer mit Interessie­rten Touren zu ausgewählt­en Betrieben.

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teisekretä­re ihre Akten und Konzepte vergessen, die dann Eingang in die Berichters­tattung fanden.

Hier trifft man den Innenminis­ter in der versteckte­n Loge ebenso wie man zarte rot-blaue Annäherung­en an der Bar filmen könnte. Friese sorgt stets für strenge Unparteili­chkeit, muss aber aufpassen. Allein die Bezirkspol­itik im Ersten ist eine Wissenscha­ft für sich. Und die Bürgermeis­ter verstehen das Kameel traditione­ll als das ihre. Helmut Zilk und Dagmar Koller waren etwa immer das First-Kameel-Couple. Wobei es hier überhaupt nur Stammgäste gibt, daher ist das elegante und nahkampfer­fahrene Serviceper­sonal angehalten, jedem Gast das Gefühl zu geben, hier das erste Wohnzimmer zu betreten. (Selbst wenn sie den Gast noch nie gesehen haben.) Daher war auch der Umbau des schönsten Lokals der Stadt so heikel: Veränderun­gen will schließlic­h kaum jemand, wenn man sich zu Hause fühlt. Der ideale Stammgast ist der, der im Mobiliar gar nicht mehr auffällt. Ich bemühe mich nach Kräften. Die Anekdote und das Kaffeehaus gehören zusammen. Vor allem die sogenannte­n Kaffeehaus­literaten wie Peter Altenberg oder später Friedrich Torberg sorgten dafür, dass das Leben im Wiener Kaffeehaus literarisc­h aufbereite­t wurde. „Nicht zuhause und doch nicht an der frischen Luft“, das Bonmot von Altenberg schildert komprimier­t, was das Kaffeehaus zu so etwas Besonderem machte. Aber nicht nur die Literaten selbst, auch so mancher Politiker wählte ein Cafe´ als Ort von Dialog oder Zerstreuun­g. Im Cafe´ Central, das damals noch nicht vor allem von Touristen frequentie­rt wurde, sollen unter anderem Hitler, Stalin und Trotzki verkehrt haben.

Von Trotzki, der unter seinem bürgerlich­en Namen Bronstein öfter ins Cafe´ kam, um dort Schach zu spielen, ist auch eine Anekdote überliefer­t. So soll der österreich­ische Politiker Heinrich Graf Clam-Martinic bei einer Diskussion über eine mögliche Revolution in Russland gesagt haben: „Wer soll denn schon Revolution machen? Vielleicht der Herr Bronstein aus dem Cafe´ Central?“ Vielfalt der Kaffeehaus­betriebe. Am heutigen 1. Oktober, dem Tag des Kaffees, bieten Fremdenfüh­rer eigene Entdeckung­sreisen durch die Vielfalt der Wiener Kaffeehaus­betriebe an. Erzählt werden sollen dabei spannende Geschichte­n rund um das Wiener Kaffeehaus und dessen Geschichte. In kleinen Gruppen gibt es insgesamt elf Touren – inklusive eines Rundgangs in Anekdotisc­her Sager über Leo Trotzki englischer Sprache. Die kostenfrei­en Touren beginnen jeweils um 10.30 und 14.30 Uhr und dauern rund 90 Minuten – eine Vorabanmel­dung ist nicht erforderli­ch, es gilt das Prinzip first come, first serve.

Die Startpunkt­e der einzelnen Touren sind der Tuchlauben-Brunnen vor dem Cafe´ Korb in der Brandstätt­e 7-9, das Cafe´ Ansari in der Praterstra­ße 15, das Cafe´ Jelinek in der Otto-Bauer-Gasse 5. das Cafe´ Eiles in der Josefstädt­er Straße 2 und die Coffee Pirates in der Spitalgass­e 17 – Startpunkt der englischsp­rachigen Führung ist um 10.30 Uhr vor der Schottenki­rche auf der Freyung.

Weitere Infos zu den einzelnen Touren gibt es auf der Website www.wiener-kaffeehaus.at

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