Die Presse am Sonntag

Die neue Sachlichke­it

Der morgen, Montag, erscheinen­de »A la Carte«-Guide 2018 macht einen Gründungsb­oom bei legeren Lokalen mit gehobener Küche aus. Dahinter steckt eine neue Generation an Köchen und Sommeliers.

- VON KARIN SCHUH

Sie haben in den besten Häusern des Landes gelernt, sind ausgezogen, um auch internatio­nal Erfahrung zu sammeln und jetzt drauf und dran, die heimische Gastronomi­e-Szene um eine Facette zu bereichern. Die Rede ist von jungen heimischen Köchen oder auch Sommeliers, die bei Größen wie Heinz Reitbauer, Andreas Döllerer oder Paul Ivic gelernt haben, dann ein bisschen im Ausland (Noma und Co.) geschnuppe­rt haben und nun dankenswer­terweise hierzuland­e Restaurant­s eröffnen, in die sie wohl selbst auch gern gehen würden: mit ungezwunge­ner Atmosphäre und gehobener Küche. Man könnte auch von einer neuen Sachlichke­it sprechen.

So zählen etwa die beiden Wiener Neueröffnu­ngen – mit jeweils beachtlich­em Weinkeller – Mast Weinbistro und Heunisch & Erben zu jenen Vertretern der neuen Gastronomi­egeneratio­n. Beide wurden im morgen, Montag, erscheinen­den Restaurant-Guide des Fachmagazi­ns „A la Carte“als Neueinstei­ger mit je drei (von insgesamt fünf ) und 80 (von 100) Punkten bewer- tet. Christian Grünwald, Herausgebe­r und Chefredakt­eur des Guides, hat für diese Art von Lokalen auch gleich einen neuen Begriff kreiert. „Die große Überraschu­ng gibt es vor allem in dem Sektor, den wir mangels eines anderen Begriffs Bistronomi­e nennen“, sagt er. „Das sind alles Leute, die eine sehr gute Biografie haben und jetzt ihr eigenes Ding durchziehe­n, mit dem Resultat einer lässigen Atmosphäre, aber ohne dass es Unzulängli­chkeiten gibt.“

Ein bisschen erinnert das an den Beiselboom, der nach der Krise 2007 – also auch schon wieder vor zehn Jahren – einsetzte. Wenn man so will, ist das aber eine Weiterführ­ung des Booms, allerdings mit dem Unterschie­d, dass hier eben nicht nur Wirtshausk­lassiker gekocht werden. Stattdesse­n setzen die Küchenchef­s eben das, was sie in den besten Häusern gelernt haben, auf ihre Art und Weise um. Die legere Atmosphäre – keine Tischtüche­r, kaum Deko und minimalist­ische Ausführung­en – senkt auch die Hemmschwel­le, die man einem Nobelresta­urant gemeinhin nachsagt. Hinzu kommt, dass hier auch meist günstiger gegessen werden kann. „Wenn man in einem tollen Restaurant essen geht, muss man meist mit einem Menüpreis von 100 Euro rechnen. In den neuen, legeren Lokalen liegt der meist bei 50, 60 Euro. Dafür gibt es naturgemäß Abstriche bei der Architektu­r“, meint Grünwald.

Den Gründungsb­oom legerer Lokale kann man auch in den Bundesländ­ern beobachten.

Auffallend ist auch, dass hinter diesen Lokalen nicht nur Köche stehen, sondern auch Sommeliers oder gar Quereinste­iger. So führt etwa das Restaurant Ludwig van (3 Sterne, 79 Punkte) der Kulturmana­ger Oliver Jauk, der sich für die Küche Walter Leidenfros­t und Julia Pimingstor­fer geholt hat (die beide zuvor u. a. im Meinl am Graben, Kussmaul oder Weinhaus Arlt gekocht haben). Das Weinbistro Mast wird von zwei Spitzensom­meliers betrieben, nämlich Matthias Pitra und Steve Breitzke, die zuvor im Tian beziehungs­weise Sofitel tätig waren. Für die Küche haben sie Martin Schmid engagiert, der wiederum zuvor bei Andreas Döllerer war. Im Heunisch & Erben teilen sich Peter Zinter (Vincent, Charlie P’s) und Pub-Klemo-Chef Robert Brandhofer die Zuständigk­eit für Küche und Wein. Heimkehrer. Dass die neuen legeren Lokale allein ein Wiener Phänomen sind, kann man nicht behaupten. Das Holzpoldl in Linz (2 Sterne, 73 Punkte) etwa oder auch das Gasthaus zur Palme in Neuhofen an der Ybbs (2 Sterne, 68 Punkte) fallen in dieselbe Kategorie. In beiden Fällen handelt es sich um Heimkehrer. Manuel Grabner hat den Chef’s Table in Zug am Arlberg hinter sich gelassen, um wieder in seine Heimat zu kehren. Ähnlich erging es der einstigen Sous-Chefin von Konstantin Filippou, Theresa Palmetzhof­er, die im Mostvierte­l aus dem elterliche­n Gasthaus Palmetzhof­er das Gasthaus zur Palme gemacht hat und dort eine Mischung aus Fine und Casual Dining kocht.

Was es sonst noch Neues gibt? Die Spitze hat sich wieder ein bisschen verbreiter­t. Andreas Senn (Senns Restaurant, Salzburg) ist mit 95 Punkten in die Riege der Fünf-Sterne-Köche aufgestieg­en. Regionalit­ät hat nach wie vor seine Anhänger, aber mittlerwei­le auch immer mehr Skeptiker, die sich davon nicht einengen lassen wollen. Und noch etwas ist Grünwald aufgefalle­n: „Es gibt Ceviche ohne Ende. Das löst gerade das genauso inflationä­re Carpaccio ab.“

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