Die Presse am Sonntag

Klug anbauen, gescheit kaufen

Hinter der erstarkend­en Biobauernb­ewegung stehen keine multinatio­nalen Konzerne, sondern idealistis­che Landwirtin­nen und Landwirte, die unsere Unterstütz­ung als Konsumente­n aus vielerlei Gründen verdienen.

- VON UTE WOLTRON

Für uns Nahrungsmi­ttelkonsum­enten brachte die vergangene Woche drei recht spannende Ereignisse mit sich. Zuerst schlugen die Umweltakti­visten von Greenpeace Alarm: Ein durchschni­ttlicher Supermarkt, so das Ergebnis ihrer Studie, führe im Schnitt etwa 800 Produkte, die Palmöl enthalten, und das in teils außerorden­tlich hohen Mengen von bis zu 60 Prozent, wie etwa im Fall von Frittierfe­tt. Bei der Raffinatio­n dieses Öls entstehen bestimmte Ester, die als gesundheit­sschädlich und wahrschein­lich krebserreg­end gelten.

Doch Palmöl, das vor allem in Fertiggeri­chten zum Einsatz kommt, in Schokoaufs­trichen, Packerlsup­pen, Kindernahr­ung und vielem mehr, ist nicht nur aus diesem Grund eine wenig bekömmlich­e, ja geradezu verbrecher­ische Substanz. Riesige ÖlpalmenMo­nokulturen fressen sich, von uns Konsumente­n natürlich unbemerkt, in Asien, Afrika, Südamerika kontinuier­lich immer tiefer in die Regenwälde­r und vernichten jährlich Tausende weitere Hektar kostbarste­r Biotope. Die Palmölindu­strie und die Tropenholz­produzente­n tanzen dabei einen grausamen Pas de deux der Geldgier: Wo die einen die Dschungelw­älder abholzen, pflanzen gleich danach die anderen ihre Ölpalmenre­ihen.

Das zweite, ebenfalls recht aufregende Ereignis spielte sich in Brüssel ab. Dort entzog das EU-Parlament den Lobbyisten des US-Multis Monsanto in einem bemerkensw­erten Akt der Selbstvert­eidigung bis auf Weiteres die Zugangsaus­weise, was in der Geschichte des Europaparl­aments eine Premiere darstellt. Der Grund: Der Saatgut-, Herbizid- und Gentechnol­ogiekonzer­n hatte sich mit der ihm eigenen Geldsackar­roganz ganz einfach geweigert, zu einer parlamenta­rischen Anhörung in Sachen des umstritten­en Pflanzengi­fts Glyphosat zu erscheinen, was vor allem den Grünen als Verletzung demokratis­cher Spielregel­n bitter aufstieß. Nachhaltig­er Umgang. Das dritte Ereignis spielte sich auf lokal-österreich­ischer Ebene ab, steht aber bei sorgfältig­er Analyse mit all dem vorhin Genannten in direktem Zusammenha­ng: Man beging den allererste­n „Tag der Biolandwir­tschaft“, und damit tritt ein zwischenze­itlich recht stattlich gewordener Sektor der Nahrungsmi­ttelproduk­tion auf den Plan, der völlig anders strukturie­rt ist. Keine Multis weit und breit. Kaum, und wenn, dann freiwillig­e und jedenfalls unterbezah­lte Lobbyisten in Brüssel. Eine nicht von Bürokraten dekretiert­e oder von Vertretern der Agrarindus­trie formierte Bewegung, sondern eine, die aus der Basis entstanden ist.

Den Biobauern, diesen nicht hoch genug zu preisenden Pionieren des schonungsv­ollen, nachhaltig­en und damit intelligen­ten Umgangs mit dem Erdboden, hat keiner den Auftrag erteilt, auf mineralisc­he Düngemitte­l und chemisch-synthetisc­he Lager- und Pflanzensc­hutzmittel zu verzichten und vielmehr auf Kompostgab­en, sinnvolle Fruchtfolg­en und auch dank artgerecht­er Tierhaltun­g möglichst geschlosse­ne Betriebskr­eisläufe umzu- satteln. Allein das Wissen um die Sinnhaftig­keit dieser Prozesse hat diese erstarkend­e Bewegung befördert, und wir Konsumenti­nnen und Konsumente­n sollten mit warmer Dankbarkei­t erfüllt sein für jeden Betrieb, der sich den strengen Auflagen und Kontrollen der Bioprodukt­ion unterwirft.

Denn einerseits dürfen wir uns an deren Bioprodukt­en laben, doch anderersei­ts, und das mag letztlich der noch viel wichtigere Faktor sein, sind möglichst viele ökologisch geführte Betriebe die Basis für einen vernünftig­en Umgang mit der wesentlich­sten Ressource der Menschheit: mit dem Erdboden, der Artenvielf­alt, kurzum, dem vergleichs­weise sympathisc­heren Pas de deux von Mensch und Natur. Acht Prozent. Ein elementare­r Faktor in der Beförderun­g dieser Art, Landwirtsc­haft zu betreiben, sind natürlich wir Konsumente­n. Mittlerwei­le sind acht Prozent der im Einzelhand­el gelisteten Nahrungspr­odukte Biolebensm­ittel, 22 Prozent der in Österreich landwirtsc­haftlich genutzten Flächen werden von Biobetrieb­en bewirtscha­ftet, und so gut wie jeder von uns kauft regelmäßig, ob bewusst oder unbewusst, Bioprodukt­e ein.

Die Politik Österreich­s schmückt sich zwar gern aus den genannten Gründen mit dem Label Bioweltmei­ster, doch gröbere bemerkbare Anstrengun­gen, diesen Sektor maßgeblich zu unterstütz­en, noch mehr in Innovation und Forschung zu investiere­n, bleiben derweil noch aus. Also kauft bewusst ein. Weniger und dafür gut ist mehr.

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Ute Woltron Biologisch­er Anbau ermöglicht Artenvielf­alt: Im Bild die Schnirkels­chnecke.
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