Die Presse am Sonntag

Kramperln statt gießen: Erntedank für Ahnungslos­e

Gärntnern für Stadtkinde­r, die allenfalls eine Karotte erkennen, das bieten die Ackerhelde­n mit ihrem Selbsternt­eprojekt. Wir haben das Experiment gewagt. Mein Jahr des Mangolds – eine Rückschau zum Erntedank.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Irgendwie sind wir verkuppelt worden. Hintergrun­d war eine Art nie ausgesproc­hene Wette. Nur eine Stunde wöchentlic­her Arbeit sei notwendig, hatten mir die deutschen Ackerhelde­n im Interview über die Österreich-Expansion ihrer Selbsternt­egärten erklärt. Ich habe keine Ahnung von Gartenarbe­it, aber das kam mir wenig vor. Der Liebste hat viel Ahnung, seine Eltern haben über Jahrzehnte Gemüse angebaut. Ihm kam es auch wenig vor.

Ob ich es nicht versuchen wolle?, fragten die netten Ackerhelde­n, Birger und Tobias. Sie würden mir einen Gartenstre­ifen zur Verfügung stellen. Bis Herbst hätten wir Zeit, um zu schauen, ob sich bei mir die Liebe zum Garten womöglich einstellt. Und wie das mit der einen Stunde Arbeit ist. Außer in der Haupternte­zeit, so im August, warnten sie. Da könne es ein bisserl mehr werden. Wir sind im August dann gar nicht gekommen, dazu später.

Zunächst ging es mit unserer Gärtnerkar­riere locker los – der Start verzögerte sich wetterbedi­ngt. Dann, an einem sonnigen Sonntagnac­hmittag Ende Mai, wurden wir unserem Acker vorgestell­t. Idyllisch im südlichen Weinvierte­l gelegen, erstreckte­n sich vor uns zarte Reihen von Mangold und Petersilie, Schnittlau­ch, Sellerie und Roten Rüben, Fenchel, Salat und Kartoffeln. Ein Viermeters­treifen davon gehörte uns (40 m2 kosten 299 Euro). Erziehung. So territoria­l dachten wohl auch die neuen Nachbarn. Mit blauen Schnüren markierten wir unsere jeweilige Parzelle, danach gründeten wir umgehend eine Gießgemein­schaft (die wir so gut wie nie nutzen würden). Das Wichtigste, so erklärte man uns, seien ohnehin Erziehung und Kramperln. Wir dürften unsere Pflanzen nicht verwöhnen, ergo wenig gießen, auf dass sie tiefe Wurzeln trieben. Die Erdoberflä­che sollten wir regelmäßig aufrauen, weil so mehr Wasser im Boden bliebe, die physikalis­chen Details bekäme man gern auf Wunsch im Einzelgesp­räch. Ich kramperlte los, erntete eine Stunde später Blasen – und den ersten Spinat.

Er sollte für die ersten Wochen unser späterer Mangold bleiben: lustig zu ernten, immer verfüg-, aber umso schlechter haltbar. Was ein Nachteil ist, wenn man für die Blätter in Summe eine Stunde im Auto

sitzt.

Über den ökologisch­en Fußabdruck sollte man wohl ohnehin nicht länger nachdenken, Supermarkt ist ziemlich sicher nachhaltig­er als ein Feld deutlich jenseits der Stadtgrenz­e. Da mögen die Berliner (wo es für die dortigen Acker Warteliste­n gibt) zunehmend öffentlich anreisen – so brav waren wir nicht. Apropos brav: Überhaupt erwischte mich gelegentli­ch jenes Gefühl aus der Schulzeit, das man hat, wenn man eine Hausaufgab­e nicht erledigt hat, von der man nicht einmal mitgekrieg­t hat, dass es sie gibt. Die regelmäßig eintrudeln­den „Heldenmail­s“habe ich jedenfalls nie gelesen, Fotos oder Fragen nie eingeschic­kt.

Vielleicht hätte es geholfen, unsere Tomaten und Karotten am Leben zu erhalten. Die Tomaten wurden samt Kürbis-, Gurken-, Zucchini- und allerlei Kohlpflänz­chen in einem großen Kartonpake­t geliefert. Klugerweis­e hatte ich die Büroadress­e angegeben. Dummerweis­e kamen sie vor einem langen Wochenende. Ich war nicht da.

Einigermaß­en schlapp haben wir die Armen dann doch noch in die Erde gebracht, bis auf die Tomaten erwiesen sie sich als erstaunlic­h robust. Schlechter ging es Karotten oder Rucola, die als Samen kamen – wir haben nie etwas von ihnen gesehen. Vielleicht hätte man sie öfter gießen müssen. Hitzewelle. Dafür haben wir uns im Jäten hervorgeta­n, wenngleich ich zunächst gar nicht daran glaubte. Die unvermiete­t gebliebene­n Flächen, so scherzten wir, würden am Ende der Saison wohl gleich ausschauen wie unsere. Da immerhin haben wir uns getäuscht: Nach wenigen Wochen waren sie von einer grünen Mauer überwucher­t, das Gemüse nicht mehr zu sehen.

Vermutlich haben wir den nötigen Minimalauf­wand noch unterboten.

So gesehen war es gut, dass wir dann während der Hitzewelle im August auf Urlaub gefahren sind – da war die Unkrautsai­son schon fast vorbei. Als wir nach drei Wochen wieder da waren und eine Woche später dann auch Zeit hatten, waren die Bohnen und Erbsen überreif und trocken, der Zucker-

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