Die Presse am Sonntag

»Begeisteru­ng gibt Energie«

In der Rolle der Königin Victoria, die mit 83 noch eine ungewöhnli­che Freundscha­ft mit ihrem jungen indischen Diener eingeht, ist Judi Dench in »Victoria & Abdul« im Kino zu sehen. Ihr gefällt vor allem, wie die greise Monarchin dadurch wieder an Lebensfr

- VON MARIAM SCHAGHAGHI

In „Victoria and Abdul“spielt die 82-jährige Judi Dench die britische Monarchin Victoria in einem bislang unbekannte­n, aber wahren Kapitel ihres Lebens: Sie pflegte eine Freundscha­ft zu einem indischen Angestellt­en, der bis zu ihrem Tod ihr engster Vertrauter am Hof war und die alte Regentin noch einmal aufblühen ließ – ein Skandal am Hof. Wie spreche ich Sie am besten an? Mit „Dame Judi“? Judi Dench: Sagen Sie einfach nur Judi. Nur Menschen, die mich nicht besonders gut kennen, nennen mich „Dame“. Auch in besonders förmlichen Situatione­n heißt es natürlich „Dame Judi“. Sie gebrauchen Ihren Adelstitel, der Ihnen 1988 verliehen wurde, nicht? Ich benötige ihn nicht. Viele wissen gar nicht, mit dem Titel umzugehen. Sogar in England höre ich manchmal „Dame Dench“. Finde ich sehr amüsant! Sie sehen nicht mehr gut, leiden unter einer Augenkrank­heit. Wie lesen Sie Drehbücher? Jemand liest sie mir vor. Schon auf dem Filmplakat kann ich kaum etwas erkennen. Ich denke mir: Dieser schwarze, dicke Klecks mit etwas Weißem drauf, das muss wohl ich sein, außer mir hatte ja niemand weiße Haare. Der „dicke, schwarze Klecks mit etwas Weißem drauf“ist die britische Königin, die Sie spielen. Erst vor wenigen Jahren kam ans Licht, dass Victoria in den letzten Jahren ihres Lebens eng mit einem indischen Bedienstet­en befreundet war. Ich habe mich für Victoria gefreut. Sie war Witwe, hatte wenig Freude am Leben und hatte täglich einen öden Terminplan vor sich. Und plötzlich erscheint ein schöner Mann am Hof, der ihr Indien nahe bringt. In Abdul hatte sie jemanden gefunden, mit dem sie auf Augenhöhe reden konnte. War sie mit ihren 83 ein wenig in den 24-Jährigen verschosse­n? Es war eine komplexe Beziehung: Sie hat Abdul geliebt, aber auch mit mütterlich­en Gefühlen. Trotzdem war sie richtig geschockt, als er offenbarte, in Indien verheirate­t zu sein. Sie hatte sich damit abgefunden, immer älter zu werden und irgendwann umzufallen. Doch das Schicksal ließ Victoria noch diese wunderbare Erfahrung machen, eine Art Wiedergebu­rt. In jedem Fall war es eine Renaissanc­e ihres Geistes.

Judi Dench

(geb. 1934) spielte in zahlreiche­n Shakespear­eInszenier­ungen mit und stellte die „M“in mehreren BondFilmen. Sie war sechsmal für einen Oscar nominiert, 1999 gewann sie in der Kategorie für die beste Nebendarst­ellerin als Elisabeth I. in „Shakespear­e in Love“.

Aktueller Film:

In „Victoria & Abdul“spielt sie Königin Victoria, die gegen Ende ihres Lebens noch Freundscha­ft mit ihrem jungen indischen Diener Abdul Karim schließt. Hat diese Freundscha­ft Victorias Leben auch verlängert? Davon bin ich überzeugt! Wenn uns etwas begeistert, gibt es uns Energie und Lebensfreu­de. Können Sie die Einsamkeit Victorias persönlich nachvollzi­ehen? Auf jeden Fall. Im Jänner ist mein älterer Bruder verstorben. Das ist das Ende meiner Familie, ich bin jetzt die letzte Mohikaneri­n. Was gab und gibt Ihnen die Energie, um schwere Zeiten und Trauer durchzuste­hen? Vor allem die Leidenscha­ft für meinen Beruf. Ich kann dabei meine Gefühle in Energie umwandeln. Half Arbeit Ihnen selbst bei Schicksals­schlägen wie dem Krebstod Ihres Mannes? Nach Michaels Tod habe ich drei Filme hintereina­nder gedreht: „Iris“, „Schiffsmel­dungen“und „Ernst sein ist alles“. Das half mir über die schlimmste Zeit hinweg. Victoria lernte durch Abdul viel über die Kultur Indiens und jene der Muslime. Haben auch Sie etwas von Ihrem indischen Kollegen Ali Fazal gelernt? Von Ali konnte ich sehr viel lernen. Wir sprachen oft über den Dichter Rumi und lernten gemeinsam Urdu. Unser Verhältnis war dem von Victoria und Abdul also sehr ähnlich. Erinnern Sie sich an ein Wort auf Urdu? Ich kann noch „Alhamdulil­lah“sagen, das heißt so viel wie „Gott sei Dank“. Außerdem habe ich mir den Koran gekauft. Ein Freund wird mir daraus vorlesen. Ich möchte mir selbst ein Bild davon machen können, was darin steht, gerade in der heutigen Zeit. Hat Religion je in Ihrem Leben eine trennende Rolle gespielt? Das habe ich nie zugelassen. Mein Ehemann war katholisch, und ich bin Quäkerin. Der Priester sagte damals, ich müsse konvertier­en. Ein Freund meinte aber: „Alle Zeilen fließen letztlich jenseits der Seite in denselben Text.“Dieser Satz trifft es: Wir sind alle gleich. Was und wo auch immer der Schlusspun­kt unseres menschlich­en Daseins ist, wir werden uns alle dort treffen.

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AFP „Victoria & deren Rolle sie nun für von Königin Victoria, in Judi Dench kann die Einsamkeit gut nachvollzi­ehen. Abdul“geschlüpft ist,

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