Die Presse am Sonntag

Hol dir die Bewegung, die dir zusteht!

Bei kleineren PŻrteien herrscht vor ©en NŻtionŻlrŻ­tswŻhlen min©estens so viel Unüãersich­tlichkeit wie ãei großen Bewegungen. DŻ helfen mŻnchmŻl Żuch ©ie schicksten Online-Seiten nichts. Beson©ers ©ie Grünen lei©en unter SpŻltungen.

- VON NORBERT MAYER

Bis vor Kurzem war es das Privileg der Liste Stronach, dass dort jahrelang größtmögli­che Verwirrung darüber herrschte, wer denn gerade den Milliardär aus Kanada im österreich­ischen Parlament vertrat, wer von anderen im Niedergang befindlich­en Fraktionen dazustieß oder zu anderen bizarren Bewegungen abging. Doch in den Kampagnen für die Wahl am 15. 10. haben andere Listen die Aufgabe übernommen, neue Unübersich­tlichkeit zu schaffen.

Spitzenrei­ter in dieser Disziplin sind diesmal beim Online-Auftritt eindeutig die Grünen. Nicht einmal die Liste Sebastian Kurz (mit der weit größeren alten ÖVP als Reservoir für die neue ÖVP und ihre vielen politisch noch unverbrauc­hten, ja fast unpolitisc­hen Gesichter) kann in dieser Hinsicht mit der Liste Lunacek-Felipe-et-al mithalten. Wer gehört denn noch zu den Grünen, und wo liegen ihre Alternativ­en? Unter www.gruene.at beginnen bereits im Banner verwirrend­e Wortspiele: „Wir machen nicht blau. Das ist Grün“oder „Sei ein Mann: Wähl eine Frau. Das ist Grün“wirken nicht gerade identitäts­stiftend. Kein Wunder, dass im ersten Video-Clip darunter eine Frau ins Schwimmen gerät, selbst wenn darüber steht: „Österreich verdient Haltung. Das ist Grün.“Dazwischen geschnitte­n werden Kroko- dile und Haifische. Ein wenig färbt die Panikmache auch auf die besorgt dreinblick­ende Spitzenkan­didatin Ulrike Lunacek ab, die in einem Schwimmbec­ken wacker ihre Längen absolviert. Sie trägt eine blaue Badehaube.

Ja, Raubtiere lauern überall, sogar im Online-Pool der Grünen. Vielleicht sollte ihr Parteivors­tand überprüfen, welche Videos dort auftauchen. Prominent sieht man ein Video von Puls4: „Was denken Grüne über ihre Partei?“Flora Petrik kommt zu Wort. „Ich bin eigentlich vom Dorf, und da ist es schon eine Besonderhe­it, wenn man nicht von der ÖVP ist“, sagt die 22-Jährige, die im Frühjahr von der Parteiführ­ung als Sprecherin der Jungen Grünen weggemobbt wurde. Petrik kann man auch auf www.kpoeplus.at sehen, als Listenzwei­te neben Mirko Messner als Spitzenkan­didat und mit dem Spruch: „Sie stehlen uns die Zukunft. Wir holen sie uns zurück!“Meint Petrik damit die neuen Jungen Grünen, die sie von der JVP unterwande­rt glaubte? Oder etwas ältere Grüne, die den leitenden Frauen nicht mehr richtig grün sind?

Der prominente­ste Dissident, einst revolution­ärer Marxist, ist nämlich nicht zur KPÖ und ihrem Plus gegangen, sondern er hat eine eigene Liste gegründet, die inzwischen online noch länger ist als die Kurz-Bundeslist­e: Unter https://listepilz.at spaltet sich allerhand ab. Peter Pilz war 1986 dabei, als die Grünen mit der Alternativ­en Liste fusioniert­en, seit Juli führt er eine Bewegung an, die auf ihrer Homepage schick wie die ÖVP wirkt. Acht Führungskr­äfte lächeln vom Banner. Das Motto „Ja, es geht!“passte auch locker zu Türkis – oder Rot. Wer mehr wissen will, sollte unter dem etwas präziseren Leitsatz „Gerechtigk­eit, Sicherheit und Schutz unserer Freiheit“weiterlese­n oder Kandidaten samt aufpoppend­en Biografien betrachten. Völlig gleichbere­chtigt kann man das Team in bisher 23 Viererreih­en studieren und prüfen, wie viele Grüne, Revolution­äre und sonstige Experten darunter sind.

»Im Dorf ist es schon eine Beson©erheit, wenn mŻn nicht von ©er ÖVP ist.«

Bei den Neos darf es auf dem Banner von https://ichtuwas.neos.eu nur einen geben. Matthias Strolz macht in einem pinken Kreis ein Siegeszeic­hen. Die Fans bleiben im Foto respektvol­l auf Abstand. Darunter sind Kandidaten wie bei der Liste Pilz in Viererreih­en aufgestell­t, bisher nur fünf Reihen. Zu jedem klappt ein Lebenslauf samt Motivation­sspruch auf. Nummer 2 etwa, Irmgard Griss, fasst ihr Engagement als „meine 5V“zusammen: „Veränderun­g, Verantwort­ung, Vernunft, Verständni­s, Vertrauen.“Strolz formuliert etwas umständlic­her: „Die Freie Chancenges­ellschaft bedeutet, dass wir Österreich vom Parteienst­aat zur BürgerInne­n-Republik (sic!) umbauen. Wir können das – gemeinsam vorwärts!“Da kann der wählerisch­e Mediator nur sagen: „Ja, es geht. Veränderun­g mit Verantwort­ung ist keine Besonderhe­it mehr. Sei ein Mann, sei dabei, werde Teil der Bewegung. Nur mit ihr ist ein Wandel möglich. Hol dir dort, was dir zusteht!“

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Screenshot Verwirrend­e Wortspiele, drohende Krokodile und eine Kandidatin, die ins Schwimmen gerät – vor allem der Online-Pool der Grünen scheint es auf neue Unübersich­tlichkeit abgesehen zu haben.

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