Culture Clash
FRONTNACHRICHTEN AUS DEM KULTURKAMPF
Ein Nicht genügend für das Notensystem? Die Notenpflicht in den türkis-blauen Bildungsplänen regt auf – und ist doch völlig unerheblich. Was gute Schule ausmacht, liegt ganz woanders.
Ich gebe nun ein bisschen an: Meine Frau, unsere Kinder und ich bringen es bis jetzt auf 120 Schuljahre in fünf Volksschulen (plus Homeschooling), drei Gymnasien, einem Borg, einer höheren Lehranstalt, einer Maturaschule sowie einem Liceo classico in Piemont und einem Lycee´ Francais¸ in Wien. Wir hatten allein 16 Volksschullehrer (ohne Handarbeits-, Religionslehrer usw.), unsere Professoren gehen in die Hunderte. Das ist eine robuste Vergleichsbasis. Ich lächle milde, wenn man mir sagt, ich hätte keine Ahnung vom Metier.
Aus dieser Erfahrung heraus spielt die Frage, ob Noten oder nicht, überhaupt keine Rolle. Schule funktioniert dann großartig, wenn die Lehrer gute Pädagogen sind und gute Menschen. So einfach ist das. Kinder, die guten Lehrern begegnet sind und von schlechten nicht fertiggemacht wurden, verlassen die Schule lernbegierig, selbstbewusst und optimistisch. Für ein gutes Bildungswesen heißt das vor allem anderen: Gebt den Schulen die Möglichkeit, gute Lehrer zu belohnen und zu stärken und die schlechten zu zwingen, zumindest passabel zu werden oder zu gehen. Keine Ahnung, ob unsere Kinder deswegen einmal besser Wurzel ziehen können als Koreaner oder Chilenen. Aber sie werden zu Persönlichkeiten, denen die Welt offensteht.
Falls Sie der bloßen Erfahrung misstrauen: Das Münchner IFO-Institut hat schon bei der ersten Pisa-Studie 2004 ausgerechnet, dass nur drei Variablen 85 Prozent der Leistungsfähigkeit der Schulsysteme bestimmen. Eins: das Bildungsniveau der Elterngeneration. Zwei: eine nationale standardisierte Leistungserfassung der Schulen, die einen Performance-Vergleich ermöglicht. Drei: Schulautonomie in der Budgetverwendung und der Anstellung von Lehrern. Alles andere – von Notensystemen bis zur Klassengröße – fällt kaum ins Gewicht.
Wer es gründlich machen will, gibt dann noch die politische Verantwortlichkeit für eine Schule – wie es sich in Finnland bewährt hat – dem Bürgermeister. Ihm und nicht irgendeinem fernen Landesschulrat machen dann die Eltern die Hölle heiß, wenn eine Schule im Vergleich abrutscht. Da bleiben Missstände nicht lang unbehandelt.
Die türkis-blauen Bildungspläne bieten viele Ansätze in diesem Sinn. Ich verstehe freilich, dass manche – über das Ausbleiben einer Blamage der künftigen Regierung enttäuscht – nun vor allem über einen Kurz’schen Grammatikfehler in einem Tweet lachen oder sich einreden, die Notenpflicht wäre ein Rückfall in die pädagogische Kreidezeit. Eine gebildete, konstruktive Diskussion wäre trotzdem besser. Immerhin geht es um unsere Kinder. Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.