»Der einzige wahrhaft heilige Ort der Juden«
Jerusalem ist Juden, Christen und Muslimen heilig, wird von Israelis und Palästinensern als Hauptstadt beansprucht. Alles ist hier umkämpft und umstritten. Der Konflikt um Jerusalem hat bis jetzt jede Lösung des Nahost-Dramas verhindert. Nun erkennen die
Die Geschichte bringt merkwürdige Komparative hervor, etwa den, ob die Stadt Jerusalem den Juden, den Christen oder den Muslimen „heiliger“ist. Und zugleich versteht sie es, den dahintersteckenden machtpolitischen Anspruch zu verschleiern. Denn hinter den sublimen Strategien des religiösen Narrativs steckt immer auch eine Geschichte der Besitzansprüche. Man kämpft um Heiliges, aber auch ganz profan um den Besitz des Landes. Man richtet den Blick empor ins himmlische Jerusalem, behält aber zugleich die Füße fest auf dem Boden.
Machtpolitik und Emotionen – Jerusalem trägt schwer an dieser historischen Last, bis heute. Gespräche über den Status der Stadt scheitern regelmäßig, weil keine nüchternen Verhandlungen möglich sind, jedes Detail sofort zur Grundsatzfrage wird. Selbst für Menschen, die nicht in dieser Stadt wohnen und sie vielleicht noch nie gesehen haben, ist sie identitätsstiftend. Schimon Peres, geboren 1923, über seine Kindheit in Polen: „Jerusalem war ein Traum für mich, der einzige wahrhaft heilige Ort des Judentums.“
„Jerusalem hat die Menschen schon immer verrückt gemacht“(Meir Shalev). Ein kleiner, aktueller Baustein in dieser verrückten Geschichte rund um die „Provokation Jerusalem“ist der Schritt des US-Präsidenten, die Botschaft seines Landes nach Jerusalem zu verlagern und damit die Anerkennung als Hauptstadt auszudrücken.
Für die Juden ist Jerusalem das Herzstück ihrer Identität. Sie berufen sich auf 3000 Jahre Geschichte seit König David, den Bau des ersten Tempels unter Salomo und des zweiten unter Herodes. Sie wurden beide zerstört, gerieten aber nie in Vergessenheit, an der Klagemauer an der Westseite des Tempelplateaus wird bis heute gebetet. Jerusalems Juden waren in der Vergangenheit meist Minderheit, ihr Schicksal war abhängig von Toleranz oder religiösem Fanatismus der jeweils christlichen oder muslimischen Herrscher über die Stadt. Ausgenommen eine kurze Periode in der Kreuzfahrerzeit war Jerusalem aber ein lebendiges jüdisches Zentrum.
Im 19. Jahrhundert wuchs das Interesse an der Stadt, der Mittlere Osten geriet ins Visier der Großmächte, Großbritannien erhielt 1920 offiziell das Palästina-Mandat. Pogrome und Armut vertrieben Juden aus Osteuropa und Russland, sie landeten hier, ebenso die vom Gedanken des Zionismus Beseelten. Auch außerhalb der alten Stadtmauern, getrennt vom historischen Zentrum, das die verehrten Stätten enthielt, entstand die neue jüdische Stadt Jerusalem. Als der eigene Staat Israel 1948 gegründet wurde, waren bereits 60 Prozent der Stadtbewohner Jerusalems Juden. Spirituelle Verbindung zum Islam. Vom 13. Jahrhundert an bis 1948 stand ganz Jerusalem unter islamischer Herrschaft. Auch schon in der frühesten Entwicklungsphase des Islam war die Stadt ein bedeutungsvoller Ort, durch eine spirituelle Verbindung zwischen Jerusalem, Mekka und Medina. In der islamischen Überlieferung erlebt der Prophet Mohammed durch ein göttliches Wunder eine nächtliche Reise von Mekka in eine „ferne Gebetsstätte“, die mit Jerusalem gleichgesetzt wird, jenem Ort, auf dem der besondere Segen Gottes beruhe, weil dort die vom Islam als große Vorläufer anerkannten Religionsstifter des Judentums und des Christentums wirkten.
Die Verwobenheit der drei Buchreligionen in Jerusalem wird auch im Is- lam betont, sie wird zu Stein in den vier bedeutenden religiösen Gebäuden Jerusalems: in den Resten des jüdischen Tempels an der Klagemauer, im islamischen Bezirk am Tempelberg mit dem Felsendom und der Al-Aqsa-Moschee und in der christlichen Grabeskirche, wo sich der Überlieferung nach das Grab Jesu befand, eines der wichtigsten Heiligtümer der Christen. Der Felsen, über den sich die goldene Kuppel des Doms spannt, ist religiöses Urge- stein: Hier soll nach jüdischer Überlieferung Abraham seinen Sohn Isaak Gott als Opfer angeboten haben, aber auch in der Geschichte von der Himmelfahrt des islamischen Propheten spielt der Fels eine Rolle.
Dass Jerusalem in seiner Geschichte auch eine Symbiose verschiedener Kulturen darstellte, wird von den Schwarz-Weiß-Malern stets übergangen. Theodor Herzl, auf den die zionistische Idee zurückgeführt wird, sah in diesem Jerusalem eine Stadt für die ganze Menschheit. In seinem Roman „Altneuland“schrieb er: „Die Altstadt war überhaupt ein internationaler Ort, welcher allen Völkern als eine Heimat erscheinen musste.“Als Herzl 1896 seinen „Judenstaat“entwarf, machte er sich zwar schon Gedanken über die Nationalflagge, die Frage nach der Hauptstadt ließ er offen. Unterschwellig hatten die Zionisten immer eine Abneigung gegen das reale Jerusalem, das ihnen Symbol für Konservativismus und Unproduktivität war. Doch die Sehnsucht der Zionisten nach einem vergeistigten, himmlischen Ideal-Jerusalem verflüchtigte sich mit der Staatsgründung. Die Stadt nahm nun im Den-
»Jerusalem hat die Menschen schon immer verrückt gemacht.«