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NACHRICHTEN AUS DER REDAKTIONSKONFERENZ
Schreiben ist Silber, Reden ist Gold. Und Schweigen ist der Wiener SPÖ plötzlich peinlich.
Haben Wissenschaftler all die Thesen, was es für die Sprache bedeutet, dass das geschriebene Wort zunehmend das gesprochene ersetzt, umsonst entwickelt? Offenbar ja. Denn wir alle werden ein bisschen Alexa. Tonaufnahmen lösen Kurznachrichten ab, schreibt Anna-Maria Wallner, die für unser Cover Kommunikationstrends analysiert.
Ob die Tonschnipselei auch die politische Social-Media-Kommunikation erfasst? Ein Trend der jüngeren Vergangenheit hieß dort jedenfalls: Kontrolle. Oder die Frage: Wie kann ich meine Botschaften ohne Zwischenfragen in die Welt schicken? Trump, Twitter, Sie kennen das. Wobei man hierzulande eher auf Facebook setzt. Oder gleich analogaltmodisch operiert. Die Wiener SPÖ (konkret: deren Präsidium) beschloss jüngst, die Medien vom Parteitag auszuschließen – obwohl es dort um etwas geht, was alle Wiener betrifft, nämlich wer Parteichef und damit Bürgermeister wird. Offenbar befürchtet man laute Debatten und Kollateralschäden für den großen Auftritt des Kanzlers als Oppositionschef bzw. die erste Abschiedsrede von Michael Häupl.
Abgesehen davon, dass Geheimhaltung nutzlos ist (irgendwer von tausend Leuten tippt oder redet immer), könnte man debattieren, ob die Anwesenheit von Medien nun eskalierend oder eher disziplinierend wirkt. Inzwischen ist die Angelegenheit aber eh allen peinlich. Erst distanzierte sich Kandidat Andreas Schieder, dann erklärte Konkurrent Michael Ludwig, der so in die Rolle des bösen Türstehers gedrängt wurde, die Öffnung des Parteitags beantragen zu wollen. Und plötzlich ist es so, als hätte nie wer etwas von Geheimhaltung gesagt. Auf seiner Facebook-Seite schreibt Ludwig: „Ich will Transparenz und Offenheit. Wie findest du das?“Ich finde, wir sollten uns das als Motto für den nächsten Bürgermeister gut merken. Egal, wer es wird.