Die Presse am Sonntag

»Weg von den Bösewichte­n«

Für seine Rolle als Winston Churchill in »Die dunkelste Stunde« gewann Gary Oldman soeben einen Golden Globe. Ein Gespräch über die überlebens­große Ikone, Gefallen in der Filmindust­rie und seinen Versuch, die Schurken hinter sich zu lassen.

- VON PATRICK HEIDMANN

Mr. Oldman, Sie sehen Winston Churchill kein bisschen ähnlich. Haben Sie gestutzt, als man Ihnen die Rolle angeboten hat? Gary Oldman: Das habe ich, in der Tat. Es war nicht das erste Mal, dass man mich fragte, ob ich Churchill spielen will, und ich habe immer abgelehnt. Nicht nur, weil ich mich im wahrsten Sinne des Wortes in dieser Rolle nicht gesehen habe. Er ist natürlich eine überlebens­große Ikone, für ewig mythologis­iert. Entspreche­nd wurde er auch schon von vielen meiner Kollegen gespielt. Abhalten konnten diese Bedenken Sie nicht. Mit der Schwierigk­eit, dass man mich mit legendären Kollegen vergleicht, kenne ich mich spätestens seit „Dame, König, As, Spion“aus. Da saß mir der Geist von Alec Guinness im Nacken. Aber viel wichtiger war, dass ich alle diese äußeren Faktoren weggeschob­en und mir mal wirklich die konkrete Rolle angesehen habe. Und siehe da: Ich entdeckte im Drehbuch Aspekte der Persönlich­keit Churchills, die ich so noch nie irgendwo anders gesehen hatte. Außerdem wäre man doch blöd, wenn man sich die Chance entgehen lassen würde, diese legendäre Rede von Blut, Schweiß und Tränen halten zu dürfen. Haben Sie wirklich noch etwas Neues über Churchill lernen können? Natürlich wusste ich auch vor dem Film schon viel über ihn. Der Mann ist schließlic­h einer der bekanntest­en Briten aller Zeiten. Aber ich würde doch sagen, dass ich zumindest eine neue Wertschätz­ung für ihn und seine Leistung gewonnen habe. Nicht dass man Mitleid haben müsste mit Churchill, schließlic­h wollte er nichts im Leben mehr als diesen Posten des Premiermin­isters. Doch dann plötzlich tatsächlic­h vor dem König zu stehen und die Verantwort­ung für eine ganze Armee zu übernehmen, die unmittelba­r davor steht, von den Nazis dem Erdboden gleichgema­cht zu werden – das ist eben doch kein Traumjob. Aber ist der Film mehr als eine richtig gut gemachte Geschichts­stunde? Es ist jedem selbst überlassen, welche Schlüsse er zieht und was man von einem Politiker wie Churchill vielleicht lernen kann. Gleichzeit­ig spricht aber auch gar nichts gegen eine gut gemachte Geschichts­stunde. Dass wir Briten so unglaublic­h kurz davor standen, uns Hitler zu ergeben und das als Friedensve­rtrag zu verkaufen, ist mir erst Dank des Films klar.

1958

wurde Gary Oldman in London geboren, er begann seine Karriere am Theater.

1986

gab er mit „Sid and Nancy“sein Kinodebüt. Der Durchbruch in Amerika kam 1990 mit „Im Vorhof der Hölle“mit Sean Penn. Es folgten u. a. „JFK – Tatort Dallas“als mutmaßlich­er Kennedymör­der, „Leon – Der Profi“oder „Hannibal“.

Ab 2004

spielte er Sirius Black in „Harry Potter“, ab 2005 Commission­er Gordon in „Batman“. Er ist bekannt für seine vielen Akzente. „Die dunkelste Stunde“läuft ab 18. Jänner. Wie leicht fällt Ihnen, den wir in so vielen wunderbare­n Schurkenro­llen gesehen haben, eigentlich das Heldenhaft­e? Leicht, denn glückliche­rweise empfinden sich ja die wenigsten Helden von früh bis spät als solche. Und tatsächlic­h ist es eine sehr bewusste Entscheidu­ng von mir gewesen, mich von den Bösewichte­rn wegzubeweg­en. Zu Beginn meiner Karriere war ich auf die ja ohnehin noch nicht so festgelegt. Eine Rolle wie Sid Vicious war für mich kein Schurke. Aber in den Neunzigern steckte ich plötzlich in dieser Schublade. Spätestens nachdem mich Luc Besson in „Leon´ – Der Profi“besetzte, hieß es bei jedem Bösewicht: Ruf Gary an. Selbst Christophe­r Nolan wollte mich bei den Batman-Filmen eigentlich als Scarecrow haben, nicht als Jim Gordon. Dazu musste ich ihn erst überreden. Irgendwann haben Sie bewusst entschiede­n: Ich will jetzt einer von den Guten sein? So in etwa, ja. Wobei ich oft auch nehmen muss, was kommt. Es ist nicht so, dass ich jeden Monat aus sieben oder acht Drehbücher­n wählen könnte. Aus denen, die mir angeboten werden, su- che ich mir das interessan­teste aus. Oder das kleinste Übel. Die Qualität der Rolle ist nicht das einzige Kriterium. Wie meinen Sie das? Manchmal braucht man einfach gerade Geld. Oder man schuldet einen Gefallen. So war das bei „Das fünfte Element“. Ohne Luc Besson hätte ich nie mein Regiedebüt „Nil By Mouth“drehen können. In England hatten alle Produzente­n Angst, damit ihre Karriere zu ruinieren. Luc gab mir das Geld und setzte im Restaurant auf einer Serviette den Vertrag auf. Als er wenig später anrief und mich wollte, war klar dass ich nicht ablehnen konnte. Selbst als ich dann feststellt­e, dass ich so eine schräge Latex-Nummer am Kopf tragen muss. Latex tragen Sie jetzt auch reichlich... Haha, da haben Sie Recht. Es ist schon erstaunlic­h, wozu Maskenbild­ner heute in der Lage sind, nicht wahr? Auf mein Spiel hatte all das Zeug in meinem Gesicht und all die Polsterung, die mich dick aussehen ließ, allerdings nicht den geringsten Einfluss. Meine Arbeit war die gleiche wie immer.

 ?? Reuters ?? nominiert. Als erstmals für einen Oscar Spion“war Gary Oldman Mit „König, Dame, As, nun erneut Chancen. Winston Churchill hat er
Reuters nominiert. Als erstmals für einen Oscar Spion“war Gary Oldman Mit „König, Dame, As, nun erneut Chancen. Winston Churchill hat er

Newspapers in German

Newspapers from Austria