»Das ist ein Balztanz – da ist Testosteron drinnen!«
Die erste Ballettpremiere des Jahres führt in den hohen Norden. Edward Clug hat mit dem Wiener Staatsballett „Peer Gynt“einstudiert.
Ein zwielichtiger Kerl, dieser Peer Gynt, ein Sonderling, Träumer und Herumtreiber, Lügner und Schaumschläger, der Held eines Gedichtes von Henrik Ibsen, das dieser später zum Bühnenstück umgearbeitet hat. Jetzt wird Peer Gynt, der Prahlhans, der seine Identität öfter wechselt als die Hemden, auf der Bühne tanzen. Edward Clug, Ballettchef in Maribor, hat dem „nordischen Faust“, ein zweiaktiges Ballett gewidmet, das selbst zwischen Wachen und Träumen schaukelt.
Clug probte mit drei unterschiedlichen Tänzern für die Titelrolle. „Das ist mir auch wegen der Komplexität des Charakters wichtig,“sagt er. „Um in zwei Akten seine Wandlung zeigen zu können, brauche ich diese drei verschieden wirkenden Tänzer. Manchmal denke ich, ich sollte alle drei gleichzeitig auf die Bühne bringen.“Doch jeder der drei wird eine ganze Vorstellung tanzen. Clug wünscht sich, dass „das Publikum alle drei Solisten sieht, um diese Person Peer Gynt ganz zu erfassen. Ich will zeigen, dass ein Mensch fähig ist, immer von neuem ein anderer zu werden.“Weiß Peer, wer er ist? „Das ist die Frage. Ich denke, seine lebenslange Reise ist eine Suche nach sich selbst.“ Edward Clug hat mit dem Staatsballett seinen „Peer Gynt“einstudiert.
Schon bei Ibsen ist Peer eine Figur, die sich dauernd verändert – nicht zum Guten. Edvard Griegs Suite dazu passt nicht zum Theaterstück, deshalb verwendet Clug nur Teile daraus, hält sich sonst an andere Grieg-Werke, vor allem Klavier- und Kammermusik. Das Libretto für sein Ballett, das 2015 am Slowenischen Nationaltheater Maribor (SNG) uraufgeführt wurde, hat er selbst geschrieben: „Ich wollte der Geschichte und den Figuren ganz auf den Grund gehen. Ich musste sie wirklich fühlen, dann konnte ich sie mit dem Kopf erfassen und mit dem Körper tanzen.“
Clug ist ein junger Choreograf, der mit seiner sprühenden Energie Tänzer und Publikum mitreißt. Bei den Proben an der Wiener Staatsoper mischt er sich selbst unter die Hochzeitsgäste, tanzt ekstatisch mit fliegenden Locken, versucht danach die keuchenden Tänzer aufzumuntern: „Burschen, das ist ein Balztanz, da ist Testosteron drinnen!“Seit mehr als einem Vierteljahrhundert ist der 44-jährige gebürtige Rumäne in Maribor beschäftigt und längst zum waschechten Slowenen mutiert. „Ich habe nach meiner Kindheit in Rumänen Slowenisch lernen müssen und natürlich Englisch, zum Deutschlernen habe ich die Zeit noch nicht gefunden“, gesteht er und lobt das Wiener Ensemble: „Es ist mir eine Ehre und eine wirkliche Freude, dass ich eingeladen worden bin. Mit dieser Compagnie zu arbeiten, ist ein echtes Vergnügen.“
Seit der in Cluj in Siebenbürgen ausgebildete Tänzer 1996 mit 23 Jahren sein erstes Ballett – „Babylon“– für das SNG geschaffen hat, reißen sich die großen Compagnien und Festivals um den emphatischen, ideenreichen Tanzschöpfer. Sein Balletthit „Radio & Juliet“begeisterte nicht nur das Publikum im Mariinski Theater in St. Petersburg, auch Festival-Gäste von Frank- reich bis Korea. Clug gehört zu den gefragtesten Choreografen und wird für seinen rasanten Tanzstil, die Konzentration auf den tanzenden Körper, aber auch für die oft ironische Behandlung seiner Ballette gelobt. Seine Tanzsprache kann und will er nicht analysieren: „Ich muss verstehen, dann arbeite ich intuitiv ob mit klassischem Repertoire oder freien Verschlingungen und Verbiegungen. Wenn das Publikum einschläft, dann ist das Absicht.“ Der Hirsch als Metapher. Distanz und Ironie sind auch im „Peer Gynt“zu spüren. Auch „Surrealistisches, Fantastisches, Philosophisches, Metaphysisches und Absurdes“ist dabei. Trolle, Naturwesen aus der nordischen Mythologie, Frauen und Verrückte umtanzen Peer. Und immer wieder taucht der weiße Hirsch auf. „Der weiße Hirsch wird bei Ibsen nur erwähnt, aber ich habe ihn auf der Bühne sehen wollen, als Metapher.“Im Grunde, sagt Clug, „erzähle ich Kurzgeschichten auf unterschiedlichen Ebenen“. Das Stück selbst habe ihm beim choreografieren gesagt, was zu tun sei. „Ich konzentriere mich auf die Atmosphäre.“
Edward Clug: „Peer Gynt“; Premiere ist am 21. 1. an der Staatsoper.