Der traurige, g’schupfte Ferdl
Der Stadtheurige ist gut besucht und in Konkurs – Gesellschafter und Geschäftsführer sind uneins, wie es dazu kam. Insgesamt sperrten in Wien 2017 mehr Lokale zu als auf.
Der Heurige „G’schupfter Ferdl“in Wien-Mariahilf ist das Biowein gewordene Hipstertum. Hier wird Brettljausn mit Chutney gereicht – und Cous-Cous-Salat steht in der Vitrine neben Liptauer und Babenberger Hauswurst. Freilich alles bio und ausschließlich von glücklichen Tieren.
Im durchdesignten Interieur, zwischen Pixel-Kunst und rustikalen Heurigenbänken ist der Stadtheurige Anlaufstelle für die heimlichen Sehnsüchte der urbanen Gesellschaft nach Landflair und Urigkeit geworden. Man wollte ein Lokal kreieren, in das Qualtinger gerne gegangen wäre, nur ohne Staub, sagten die Besitzer bei der Eröffnung. „Austrian Boboville im Biofieber“steht auf der Homepage. Die Vision ist aufgegangen, die Heurigenbänke sind meist gut besetzt. Trotzdem ist der Heurige nun in Konkurs.
Und das trotz prominenter Gesellschafter, die auch als fähige Geschäftsmänner gelten. Der Neos-Nationalratsabgeordnete und Spitzengastronom Sepp Schellhorn hält ebenso Anteile, wie der frühere Neos-Abgeordnete Niko Alm, der jetzt in Dietrich Mateschitz’ Medienmanufaktur „Quo Vadis Veritas“als Geschäftsführer dient. Und dann wäre da noch Moriz Piffl, der schon mit der Schneiderei „Gebrüder Stich“2016 in einen ordentlichen Konkurs schlitterte. Laut Creditreform wurden rund 1,2 Millionen Euro Gläubigerforderungen angemeldet. Das Konkursverfahren ist mittlerweile aufgehoben – das Unternehmen rappelt sich langsam wieder auf. Gesellschafter wider Willen. Nun müssen die Gesellschafter an der HeurigenFront um das Überleben kämpfen – und das, obwohl sie am liebsten schon lange nichts mehr mit dem Lokal zu tun haben wollen. Zwischen Eigentümern und dem 2016 bestellten Geschäftsführer Ferdinand Freninger ist es zu Verwerfungen gekommen. Weil sich diese nicht lösen ließen, hat Freninger angeboten alle Anteile zu kaufen. Es gibt bereits einen Abtretungsvertrag – nur dass Freninger bisher nicht die nötigen Finanzmittel aufbringen konnte. Und so sind auch Alm und Schellhorn im Konkurs mitgefangen. Wie es überhaupt so weit kommen konnte, dazu spalten sich die Meinungen.
„Es gibt mehrere Komponenten. Eine ist, dass es schon Altlasten gab. Ich habe versucht, das Lokal mit Projekten zu sanieren, das hat nicht so gut funktioniert“, sagt Freninger. Zwei dieser Projekte sind die Sommer-Dependancen am Donaukanal und auf der Copa-Cagrana gewesen, wo der „G’schupfte Ferdl“in abgespeckter Version einen Gastgartenauftritt hatte. Der von den Gästen nicht so gut angenommen wurde, wie erwartet. Aber auch sonst sei die Organisationsstruktur zu komplex gewesen, meint Freninger. Zu viele Lieferanten, zu kompliziert die Bestellungen – vielleicht auch zu viel Personal. Weil er für Personal die Sozialversicherung nicht mehr bezahlen konnte, stellte diese einen Konkursantrag.
Niko Alm wehrt sich gegen die Behauptung, dass nun Altlasten am Konkurs schuld seien. „Wir haben mit unserem Investment den Grundstein für den Heurigen gelegt – Freninger ist selbst schuld, dass es nicht geklappt hat“, so Alm. „Es ist schade, dass das mit dem Heurigen nun so weit gekommen ist“, sagt Schellhorn. „Wir haben nicht alle Zahlen gekannt.“Das liegt eben wohl auch daran, dass die Gesellschafter mit dem Lokal am liebsten schon lange nichts mehr zu tun hätten und nur auf das vertraglich zugesicherte Geld warten, um ihre Anteile auch offiziell abtreten zu können.
Freninger will jedenfalls einen Neustart wagen und hofft, bald wieder liquide zu sein. Wenn alles gut geht, will er ab Anfang Februar wieder aufsperren. Mit neuem Interieur und Kon- zept. Der Heurige soll dann nicht nur abends, sondern auch tagsüber geöffnet haben. Freninger will seine Gäste mit der neuen Frühstückskarte beeindrucken – die Speisenkarte soll ebenfalls umgestaltet werden. Der Tiroler will sich ganz auf die Brettljause konzentrieren und auch der Knödel soll eine besondere Rolle einnehmen.
Wiens erster Bio-Heurige eröffnete im Jahr 2014 im sechsten Bezirk.
Mehr Konkurse. Die Registrierkasse war übrigens beim G’schupften Ferdl kein Grund, für den Konkurs – denn die gibt es dort schon seit zwei Jahren. Die Wirtschaftskammer hat Anfang des Jahres Befürchtungen geäußert, dass es durch die rigoros durchgezogene Registrierkassenpflicht zu etlichen Konkursen in der Gastronomie kommen werde. Denn bis dahin war Praxis, dass Personal in der Gastronomie durchaus noch zu einem Teil schwarz bezahlt wurde, worüber lange hinweggesehen wurde. Wie die Statistik des Kreditschutzverbandes zeigt, hat sich diese Befürchtung in keinem dramatischen Ausmaß bewahrheitet.
2017 sperrten in der Hauptstadt 1261 Lokale zu und 1209 auf.
Insgesamt sind die Firmeninsolvenzen in Österreich um 2,6 Prozent zurückgegangen und sind damit auf dem niedrigsten Niveau seit 20 Jahren – wobei es große Schwankungen zwischen den Bundesländern gibt. In der Steiermark haben die Insolvenzen um 11,2 Prozent ab- und in Niederösterreich um 13,9 Prozent zugenommen. In der Gastronomie gab es vergangenes Jahr 441 eröffnete Insolvenzverfahren. 2016 waren es 425. Das ist eine Zunahme von 3,7 Prozent.
Aber nicht jeder Gastronomie-Betrieb, der zusperrt, geht vorher in Konkurs. Peter Dobcak, Spartenobmann Gastronomie der Wiener Wirtschaftskammer gibt zu, selbst überrascht zu sein: 2017 gab es nur minimal mehr Schließungen als Eröffnungen.