Olympia ist nebenan: Die Skispringer aus Wien Donaustadt
Ski fahren und eislaufen können viele. Es gibt auch olympische Sportarten, die man nur aus der Ferne kennt, wie Skispringen, Curling, Skeletonbob. Und Menschen, die diesen als Hobby- und Amateursportler nachgehen. Über Hobbyskispringer, Ottakringer Curler
Mit dem Kopf voran durch den Eiskanal, bäuchlings knapp über dem Eis, und das schon einmal mit bis zu 145 Stundenkilometern. Oder, auch kaum weniger waghalsig, mit den langen Sprungskiern Schuss in Richtung Schanzentisch – und dann fliegen. Das, was in den kommenden Wochen viele wieder als Zuschauer faszinieren wird, das wird wohl bei uns kein Breitensport mehr. Zum einen, weil es dem Durchschnittssportler wohl an Wagemut und Leidenschaft für Aktivitäten dieser Art fehlt – und anderen fehlt es an Schanzen, Eiskanälen oder Geld.
Trotzdem, es gibt die Menschen, die den selteneren olympischen Wintersportarten als Hobby nachgehen – ob mit dem Traum von der Profikarriere im Hinterkopf, als Amateure oder am Wochenende einfach aus Spaß. Hier einige Randsportarten im Porträt. Julians größter Spaß an seinem Sport dauert zwar nur wenige Sekunden – wenn überhaupt, aber diese sind ihm vieles wert. „Das Fliegen, das ist einfach so cool“, sagt der bald Zehnjährige und erzählt, dass er das „sofort begriffen“habe, als er mit sieben Jahren, nach langem Betteln, zum ersten Mal selbst auf die Schanze durfte. Immerhin musste er zuvor seinem älteren Bruder beim Springen lang nur zuschauen. Kindern, die jünger als sieben sind, fehlt meist noch die Kraft, um die langen Sprungskier zu lenken und mit ihnen zu bremsen. Aber seit Julian endlich durfte, gibt es für ihn keinen besseren Sport mehr. Wer springen will, muss früh starten. Skispringen ist seine Leidenschaft, mittlerweile ist der erste Sprung drei Jahre her, der weiteste, erzählt er, ist schon über 33 Meter gegangen, er hat sich auch bei Bewerben wie der Juniorschanzentournee ganz gut platziert, und natürlich träumt er nun davon, irgendwann einmal vorn mitzufliegen. Schließlich ist Skispringen ein Sport, dem die meisten nur in Vereinen – und mit dem Ziel, es in die erste Liga zu schaffen – nachgehen. Ältere Hobby- Bob- und Skeletonverband springer gibt es, aber sie sind wenige. Zuletzt konnten in Wien Kinder auf der Hohen-Wand-Wiese Skispringen ausprobieren – auf einer Minischanze und mit einem Hüpfer auf die Plastikmatten, die dort das Skifahren auch bei zuletzt frühlingshaften Temperaturen erlauben. Oder per Simulator, einem Gerät, bei dem man ein paar Meter auf einer Schiene in der Hocke fährt und dann in eine Matte springt.
Skispringen – oder seine Vorstufen, als Spaß für einen Nachmittag. Und vielleicht zum Entdecken neuer Leidenschaften. Denn der Verein Wiener Stadtadler sucht so auch neue Talente. Man erkenne, sagt Bernhard Wadsak, schon bei Kleinen, ob sie Talent haben: daran, wie schnell sie koordinativ lernen, ob sie allgemeines Bewegungstalent haben – und natürlich, ob es ihnen Freude macht. Denn die Liebe zur Höhe muss einem liegen – wie Wadsak selbst. Er ist von Beruf Polit – nebenher Skispringer und Trainer der jungen Sportler.
Skispringen in Wien
Hobbyspringer auf der 90er-Schanze. Damit beginnt man wie gesagt jung – und die meisten haben es sich zum Ziel gesetzt, irgendwann in die Weltspitze aufzusteigen. Hobbyadler wird man erst, wenn sich mit 14 oder 15 Jahren der Sprung in ein Leistungszentrum, nach Stams etwa, nicht ausgeht. Dann gibt es bei den Wiener Stadtadlern immer wieder Ausflüge für die Hobbyspringer, nach Villach oder Eisenerz zum Beispiel; dort seien jeweils mehrere Schanzen mit bis zu neunzig Metern vorhanden, sagt Ingrid Häusler, die bei den Stadtadlern dabei ist, seit ihr Sohn mit zehn Jahren angefangen hat zu springen. Angst habe sie, sagt sie, nur ein Mal gehabt: als ihr Sohn zum ersten Mal über die NeunzigerSchanze gesprungen ist.
„Skispringen ist eine Kopfsache. Man muss im Kopf frei sein, dann gelingt es. Und die Kinder fangen ja ganz klein an, und immer nur unter Aufsicht eines Trainers“, sagt Ingrid Häusler. Julians Großeltern, die ihn an diesem Tag zum Springen begleitet haben, stimmen dem zu. Die Kinder fangen klein an, gewinnen Sicherheit – dann wachse man auch als Großeltern mit dem Sport mit.
Aber auch reine Hobbyspringer brauchen viel Training, bevor es auf die größeren Schanzen geht. Üblicherweise dauert es bei den Kindern, die im Verein trainieren, Jahre von den kleinen Schanzen auf 15-, 30- und 60-MeterSchanzen; wer jung begonnen hat, ist vielleicht mit 15 Jahren so sicher, dass es auf die Neunziger-Schanze geht. Einmal Skifliegen für jedermann. Als Erwachsener wird man eher kein Skiflieger mehr. Das koordinativ zu lernen ist ab der Pubertät eher schwierig, aber das heißt nicht, dass man nicht auch als Durchschnittsmensch einmal von einer Schanze segeln kann, als sei man Stefan Kraft: Am Skyflyer in Höhnhart im Innviertel zum Beispiel, dort kann jeder ausprobieren, wie es ist, mit Skiern über einen Schanzentisch zu fahren und dann 200 Meter zu fliegen – auch wenn man dabei, ähnlich wie bei einem Flying Fox, an einem Seil hängt. Vor wenigen Jahren wurden die Curler bei den Olympischen Spielen noch be- lächelt – und auch hierzulande ist die einfachere Variante des olympischen Präzisionssports, das Eisstockschießen, nach wie vor viel weiter verbreitet. Zum Vergleich: In Österreich gibt es fünf Curlingvereine, in Kitzbühel, Traun, St. Pölten und Wien, demgegenüber stehen 1800 Eishockeyvereine. Und diejenigen, die in ihrer Freizeit curlen, in Wien etwa in der Eishalle der Wiener Stadthalle, dürfen sich mitunter nach wie vor Sprüche anhören, vom Putzen, Wischen und so weiter. Dennoch wird der Sport, eine Mischung aus einem fast eleganten Tanz und dem Polieren des Bodens, dem Aufwärmen des Eises, damit der Stein gleitet, beliebter. Curling statt Eisstockschießen. Seit rund zehn Jahren wird auch in Wien gecurlt, heute gibt es in der Stadt zwei Klubs, den Ottakringer Curling Club und den CFÖ, Curling für Österreich, die wöchentlich trainieren. Hier sind auch Interessierte beim Schnuppercurling willkommen, denn, diesen Sport im Verein auszuüben hat durchaus Sinn: Anders als beim Eisstockschießen, das als schneller Spaß für ein paar Stunden ziemlich jeder kann, muss man sich mit dem Curling schon befassen, um es zu verstehen.
Dann ist es ein komplexer Präzisionssport, bei dem einiges an taktischer Raffinesse gefragt ist. Nicht umsonst nennt man Curling das Schach auf dem Eis, bei dem es darum geht, in Teams von je vier Spielern zu versuchen, möglichst viele Curlingsteine im Mittelpunkt des Zielkreises zu platzieren.
Curling Bob und Skeleton
Ein bisschen weniger taktische Raffinesse, dafür ein großes Stück mehr Wagemut, das brauchen jene, die mit dem Kopf voran mit bis zu 145 km/h durch den Eiskanal schießen. Ein Breitensport wird das nicht mehr. Vor allem, weil sich Bobfahren in Österreich auf den einzigen Eiskanal des Landes,