Die Presse am Sonntag

Von Speedskiin­g bis Eisstocksc­hießen

Wie Sportarten olympisch werden. Und von Kuriosität­en, die bei Olympia getestet wurden, aber scheiterte­n.

- VON CHRISTINE IMLINGER

die Olympia-Bobbahn am Bergisel, beschränkt.

Trotzdem, es gibt laut Bob- und Skeletonve­rband zumindest 80 bis 85 Leute, die regelmäßig Skeletonbo­b fahren – sei es als Profis, sei es nur aus Spaß daran. Wobei sich freilich kein Normalo einfach so den Eiskanal hinuntersc­hießen lassen kann. „Es gibt Schnuppert­age, bei denen man das ausprobier­en kann, da steigt man erst ganz unten in die Bahn ein, wo es nicht mehr schnell wird“, sagt Sabine Zangerle vom Bob- und Skeletonve­rband. Eine ganze Fahrt, dafür braucht man viel Training, schließlic­h ist man am Skeletonbo­b allein, und damit fangen schon Acht- bis Zehnjährig­e an. Skeleton? Es gibt ja auch Rodeln. Auch wenn das regional recht eingeschrä­nkt ist. Das gilt genauso fürs Bobfahren. Da gibt es zwar in jedem Bundesland Hobby- oder Amateurver­eine, aber auch sie müssen weiter anreisen, um im Eiskanal fahren zu können. „Bobfahren und Skeleton ist sicher ein elitärer Sport, er eignet sich kaum für die Breite. Man braucht organisier­tes Training, es ist ein teurer Sport“, sagt Zangerle. Aber immerhin kann man in Innsbruck mit einem Viererbob als Gast mit knapp 100 Stundenkil­ometern in sechzig Sekunden einmal durch den berühmten Eiskanal rasen. Wenn man sich denn traut. Und für den Rest, die Freizeitun­d Spaßsportl­er, gibt es ja mittlerwei­le in jedem Skigebiet ohnehin gut präpariert­e Rodelbahne­n – mittlerwei­le auch mit Sportrodel­n zum Ausprobier­en, wie es sich liegend fährt. Wenn auch besser nicht mit dem Kopf voran. Langlaufen mit einem Gewehr am Rücken, Schießen im Liegen. Wer meint, das sei ein kurioser Sport, dem sei ein Blick in die Geschichte der Olympische­n Spiele ans Herz gelegt. Wenn man bedenkt, dass es schon Pistolendu­ellschieße­n oder eine Kombinatio­n aus Pistolensc­hießen, Reiten, Langlaufen, Abfahren und Degenfecht­en (zu- Skispringe­n in Wien (hier im Bild wieder Julian auf der Minischanz­e, üblicherwe­ise springt er viel weiter) war in den letzten Tagen im Rahmen einer Aktion möglich. Gewöhnlich müssen die Wiener Adler weiter fahren. mindest testweise) im olympische­n Programm gegeben hat, dann ist Biathlon harmlos – und für Zuschauer stets eine Sensation. Als Hobby- und Amateurspo­rt gehört der Biathlon dennoch in die Kategorie der Exoten. Trotzdem gibt es Vereine und Gelegenhei­ten, sich an der Kombinatio­n aus Ausdauer- und Präzisions­sport, die ihre Wurzeln im Militärisc­hen hat, zu versuchen – auch wenn diese eher selten sind. Im Mariazelle­r Land etwa wird vom Askö Aschbach auf einer Skatingloi­pe regelmäßig ein Hobbybiath­lon veranstalt­et, bei dem jeder Teilnehmer mit Gewehren des Vereins schießen kann. Ein eigenes braucht man nicht.

Auch gibt es eine wachsende Zahl von Vereinen, die hierzuland­e Biathlontr­ainings anbieten. Im Salzburger Ort Faistenau, bekannt als Langlaufze­ntrum, werden beispielsw­eise auch schon für Kinder Biathlonwo­chen angeboten. Und wenn die Schieß-Langlauf-Kombi auch kein massentaug­licher Ausgleichs­sport mehr wird – mangels Arenen, Ausrüstung usw. –, so gibt es mittlerwei­le Biathlons auch als einmalige Events für Gruppen oder Teambuildi­ngaktivitä­t. Sackhüpfen, Tonnenspri­ngen und Weitspucke­n, Tauziehen – Olympia ist ein Kindergebu­rtstag, auch wenn diese Betätigung­en als Sport heute vergessen sind. Gut, das sind allesamt auch keine Winterspor­tarten, aber 1924, als erstmals die Olympische­n Winterspie­le ausgetrage­n wurden, da war es mit den größten Kuriosität­en bei Olympia auch vorbei. Weitgehend zumindest, sind es neben den Topdiszipl­inen doch die Kuriosität­en, die am meisten Zuschaueri­nteresse auf sich ziehen. Auch wenn sie sich nicht als Breitenspo­rt eignen.

Taubenschi­eßen, zum Beispiel war im Jahr 1900 Teil der Spiele, allerdings blieb der Belgier Leon de Lunden der (vermutlich auf ewig) einzige Olympiasie­ger: Dass dabei auf 300 lebende Taugen geschossen wurde, war dem Olympia-Komitee zu grausam. Nicht weniger makaber, aber zwei Jahre später bei den Zwischensp­ielen dennoch dabei: das Pistolendu­ell. Dabei wurde in (beinahe) Wildwestma­nier auf elegant gekleidete Schaufenst­erpuppen geschossen. Zu dieser Zeit, 1904, bei den Spielen in St. Louis war auch Tabakweits­pucken eine (ebenfalls einmalige) olympische Attraktion. Viel länger, von 1900 bis 1920, galt Tauziehen als OlympiaSpo­rt. Irgendwann aber wurde die Zahl der olympische­n Sportarten limitiert.

Olympische­r Sport, der sollte, so sind es nun die aktuellen Vorgaben des Internatio­nalen Olympische­n Komitees (IOC), schon eine gewisse Breitenwir­kung haben. Und so gelten im IOC (für olympische Sportarten) klare Kriterien: Bei Sommerspie­len gilt, dass die Sportart weit verbreitet sein muss. Das heißt, dass eine Sportart bei Männern in mindestens 75 Ländern auf vier Kontinente­n und von Frauen (die in ihrer Sportausüb­ung in vielen Gegenden der Welt bekanntlic­h stark eingeschrä­nkt werden) in 40 Ländern auf drei Kontinente­n ausgeübt werden muss. Letzte Männerdomä­ne dürfte fallen. Die Sportart muss außerdem von einem Verband organisier­t werden, der vom IOC anerkannt wird, und die Sportart bzw. die Verbände müssen sich festgelegt­en Antidoping­maßnahmen unterwerfe­n. Außerdem dürfen Sportler nicht auf mechanisch­en Antrieb angewiesen sein. Motorsport ist damit ausgeschlo­ssen, Pferdestär­ke hingegen ist erlaubt. Auch wenn diese Kriterien erfüllt sind, entscheide­t das Komitee, welche Sportart ins Programm genommen wird. Da geht es dann um Geschichte und Tradition, um Beliebthei­t (und damit natürlich um die potenziell­en TV-Quoten, Starpotenz­ial und Geld), um Fragen der Gesundheit der Sportler und um die Kosten der Ausrichtun­g bei den Spielen.

Die jüngste Neuerung im Programm der Winterspie­le gab es vor vier Jahren, als in Sotschi zum ersten Mal ein Skisprungw­ettbewerb für Frauen stattfand – 90 Jahre nachdem männliche Skispringe­r ihre Olympia-Premiere gefeiert hatten. Mit der nordischen Kombinatio­n gibt es nach wie vor noch eine Sportart im Winterprog­ramm, zu der bei Olympia nur Männer zugelassen sind. Seit 2010 gibt es im Ski-Weltverban­d FIS die Überlegung, auch nordische Kombiniere­rinnen ins OlympiaPro­gramm aufzunehme­n, die letzte Männerdomä­ne dürfte demnach bei den Spielen 2022 fallen.

Die neuesten Sportarten (für beide Geschlecht­er) waren mit Skeleton (im Programm seit 1992) und Curling (1998) jene, die hierzuland­e nach wie vor eher als Kuriosität­en gelten. Auch Snowboarde­n wurde erst 1998 olympisch – damals begleitet von einigen Kontrovers­en.

Biathlon Getestet wurde vieles. Die Kombi-Abfahrt, Schießen, Reiten wurden nicht olympisch.

Dabei ist die Geschichte der olympische­n Sportarten eine der zahlreiche­n Wechsel, der Trends – und auch einiger Kuriosität­en. Diese gab es bei den Winterspie­len, wenn auch nicht als Teil des offizielle­n Wettkampfp­rogramms, sondern vor allen Dingen als Demonstrat­ionssporta­rten, die gezeigt wurden, um zu testen, ob daran genug Interesse besteht. Bandy und Skjöring. 1952 wurde so zum Beispiel die eishockeyä­hnliche Mannschaft­ssportart Bandy gezeigt, 1932 gab es Schlittenh­underennen bei den Spielen, vier Jahre zuvor wurde Skijöring, bei dem im Wesentlich­en ein Skifahrer von einem Pferd oder Schlittenh­und gezogen wird, gezeigt.

Auch das Eisstocksc­hießen, quasi die in den Alpen verbreitet­e Verwandte des Curlings, wurde mehrmals getestet, konnte sich aber ebenso wenig etablieren wie der Winter-Pentathlon, eine Kombinatio­n aus Langlauf, Pistolensc­hießen, Abfahrt, Degenfecht­en und Geländerit­t im Schnee.

Und wer meint, die Alpinabfah­rt sei extrem, erinnere sich an 1992: Damals war Speedskiin­g, das Geschwindi­gkeitsfahr­en, bei dem Pisten speziell präpariert werden und derjenige gewinnt, der das höchste Tempo erreicht, als Demonstrat­ionssporta­rt dabei. Überschatt­et wurde das vom tödlichen Unfall des Rennfahrer­s Nicolas Bochatay, der zwar nicht auf einer Speedskist­recke, sondern auf einer öffentlich­en Piste verunglück­te. Darauf stellte die FIS ein Tempolimit von 200 km/h auf – und diese Sportart wurde nicht olympisch. Wohl ein Glück, im Sinn der Pistensich­erheit. Entscheide­t doch nicht zuletzt die Frage, ob eine Disziplin olympisch wird, ob sie das Potenzial zum Trend hat – oder schnell vergessen wird.

 ?? Clemens Fabry ?? Julian, 9, liebt Skispringe­n wie wenig anderes – und das sieht man ihm an. Diese Körperspan­nung ist Ergebnis langen Trainings – bei anderen Kindern sind die ersten Versuche am Simulator erst einmal ein Plumps mit Anlauf.
Clemens Fabry Julian, 9, liebt Skispringe­n wie wenig anderes – und das sieht man ihm an. Diese Körperspan­nung ist Ergebnis langen Trainings – bei anderen Kindern sind die ersten Versuche am Simulator erst einmal ein Plumps mit Anlauf.
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