Von Speedskiing bis Eisstockschießen
Wie Sportarten olympisch werden. Und von Kuriositäten, die bei Olympia getestet wurden, aber scheiterten.
die Olympia-Bobbahn am Bergisel, beschränkt.
Trotzdem, es gibt laut Bob- und Skeletonverband zumindest 80 bis 85 Leute, die regelmäßig Skeletonbob fahren – sei es als Profis, sei es nur aus Spaß daran. Wobei sich freilich kein Normalo einfach so den Eiskanal hinunterschießen lassen kann. „Es gibt Schnuppertage, bei denen man das ausprobieren kann, da steigt man erst ganz unten in die Bahn ein, wo es nicht mehr schnell wird“, sagt Sabine Zangerle vom Bob- und Skeletonverband. Eine ganze Fahrt, dafür braucht man viel Training, schließlich ist man am Skeletonbob allein, und damit fangen schon Acht- bis Zehnjährige an. Skeleton? Es gibt ja auch Rodeln. Auch wenn das regional recht eingeschränkt ist. Das gilt genauso fürs Bobfahren. Da gibt es zwar in jedem Bundesland Hobby- oder Amateurvereine, aber auch sie müssen weiter anreisen, um im Eiskanal fahren zu können. „Bobfahren und Skeleton ist sicher ein elitärer Sport, er eignet sich kaum für die Breite. Man braucht organisiertes Training, es ist ein teurer Sport“, sagt Zangerle. Aber immerhin kann man in Innsbruck mit einem Viererbob als Gast mit knapp 100 Stundenkilometern in sechzig Sekunden einmal durch den berühmten Eiskanal rasen. Wenn man sich denn traut. Und für den Rest, die Freizeitund Spaßsportler, gibt es ja mittlerweile in jedem Skigebiet ohnehin gut präparierte Rodelbahnen – mittlerweile auch mit Sportrodeln zum Ausprobieren, wie es sich liegend fährt. Wenn auch besser nicht mit dem Kopf voran. Langlaufen mit einem Gewehr am Rücken, Schießen im Liegen. Wer meint, das sei ein kurioser Sport, dem sei ein Blick in die Geschichte der Olympischen Spiele ans Herz gelegt. Wenn man bedenkt, dass es schon Pistolenduellschießen oder eine Kombination aus Pistolenschießen, Reiten, Langlaufen, Abfahren und Degenfechten (zu- Skispringen in Wien (hier im Bild wieder Julian auf der Minischanze, üblicherweise springt er viel weiter) war in den letzten Tagen im Rahmen einer Aktion möglich. Gewöhnlich müssen die Wiener Adler weiter fahren. mindest testweise) im olympischen Programm gegeben hat, dann ist Biathlon harmlos – und für Zuschauer stets eine Sensation. Als Hobby- und Amateursport gehört der Biathlon dennoch in die Kategorie der Exoten. Trotzdem gibt es Vereine und Gelegenheiten, sich an der Kombination aus Ausdauer- und Präzisionssport, die ihre Wurzeln im Militärischen hat, zu versuchen – auch wenn diese eher selten sind. Im Mariazeller Land etwa wird vom Askö Aschbach auf einer Skatingloipe regelmäßig ein Hobbybiathlon veranstaltet, bei dem jeder Teilnehmer mit Gewehren des Vereins schießen kann. Ein eigenes braucht man nicht.
Auch gibt es eine wachsende Zahl von Vereinen, die hierzulande Biathlontrainings anbieten. Im Salzburger Ort Faistenau, bekannt als Langlaufzentrum, werden beispielsweise auch schon für Kinder Biathlonwochen angeboten. Und wenn die Schieß-Langlauf-Kombi auch kein massentauglicher Ausgleichssport mehr wird – mangels Arenen, Ausrüstung usw. –, so gibt es mittlerweile Biathlons auch als einmalige Events für Gruppen oder Teambuildingaktivität. Sackhüpfen, Tonnenspringen und Weitspucken, Tauziehen – Olympia ist ein Kindergeburtstag, auch wenn diese Betätigungen als Sport heute vergessen sind. Gut, das sind allesamt auch keine Wintersportarten, aber 1924, als erstmals die Olympischen Winterspiele ausgetragen wurden, da war es mit den größten Kuriositäten bei Olympia auch vorbei. Weitgehend zumindest, sind es neben den Topdisziplinen doch die Kuriositäten, die am meisten Zuschauerinteresse auf sich ziehen. Auch wenn sie sich nicht als Breitensport eignen.
Taubenschießen, zum Beispiel war im Jahr 1900 Teil der Spiele, allerdings blieb der Belgier Leon de Lunden der (vermutlich auf ewig) einzige Olympiasieger: Dass dabei auf 300 lebende Taugen geschossen wurde, war dem Olympia-Komitee zu grausam. Nicht weniger makaber, aber zwei Jahre später bei den Zwischenspielen dennoch dabei: das Pistolenduell. Dabei wurde in (beinahe) Wildwestmanier auf elegant gekleidete Schaufensterpuppen geschossen. Zu dieser Zeit, 1904, bei den Spielen in St. Louis war auch Tabakweitspucken eine (ebenfalls einmalige) olympische Attraktion. Viel länger, von 1900 bis 1920, galt Tauziehen als OlympiaSport. Irgendwann aber wurde die Zahl der olympischen Sportarten limitiert.
Olympischer Sport, der sollte, so sind es nun die aktuellen Vorgaben des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), schon eine gewisse Breitenwirkung haben. Und so gelten im IOC (für olympische Sportarten) klare Kriterien: Bei Sommerspielen gilt, dass die Sportart weit verbreitet sein muss. Das heißt, dass eine Sportart bei Männern in mindestens 75 Ländern auf vier Kontinenten und von Frauen (die in ihrer Sportausübung in vielen Gegenden der Welt bekanntlich stark eingeschränkt werden) in 40 Ländern auf drei Kontinenten ausgeübt werden muss. Letzte Männerdomäne dürfte fallen. Die Sportart muss außerdem von einem Verband organisiert werden, der vom IOC anerkannt wird, und die Sportart bzw. die Verbände müssen sich festgelegten Antidopingmaßnahmen unterwerfen. Außerdem dürfen Sportler nicht auf mechanischen Antrieb angewiesen sein. Motorsport ist damit ausgeschlossen, Pferdestärke hingegen ist erlaubt. Auch wenn diese Kriterien erfüllt sind, entscheidet das Komitee, welche Sportart ins Programm genommen wird. Da geht es dann um Geschichte und Tradition, um Beliebtheit (und damit natürlich um die potenziellen TV-Quoten, Starpotenzial und Geld), um Fragen der Gesundheit der Sportler und um die Kosten der Ausrichtung bei den Spielen.
Die jüngste Neuerung im Programm der Winterspiele gab es vor vier Jahren, als in Sotschi zum ersten Mal ein Skisprungwettbewerb für Frauen stattfand – 90 Jahre nachdem männliche Skispringer ihre Olympia-Premiere gefeiert hatten. Mit der nordischen Kombination gibt es nach wie vor noch eine Sportart im Winterprogramm, zu der bei Olympia nur Männer zugelassen sind. Seit 2010 gibt es im Ski-Weltverband FIS die Überlegung, auch nordische Kombiniererinnen ins OlympiaProgramm aufzunehmen, die letzte Männerdomäne dürfte demnach bei den Spielen 2022 fallen.
Die neuesten Sportarten (für beide Geschlechter) waren mit Skeleton (im Programm seit 1992) und Curling (1998) jene, die hierzulande nach wie vor eher als Kuriositäten gelten. Auch Snowboarden wurde erst 1998 olympisch – damals begleitet von einigen Kontroversen.
Biathlon Getestet wurde vieles. Die Kombi-Abfahrt, Schießen, Reiten wurden nicht olympisch.
Dabei ist die Geschichte der olympischen Sportarten eine der zahlreichen Wechsel, der Trends – und auch einiger Kuriositäten. Diese gab es bei den Winterspielen, wenn auch nicht als Teil des offiziellen Wettkampfprogramms, sondern vor allen Dingen als Demonstrationssportarten, die gezeigt wurden, um zu testen, ob daran genug Interesse besteht. Bandy und Skjöring. 1952 wurde so zum Beispiel die eishockeyähnliche Mannschaftssportart Bandy gezeigt, 1932 gab es Schlittenhunderennen bei den Spielen, vier Jahre zuvor wurde Skijöring, bei dem im Wesentlichen ein Skifahrer von einem Pferd oder Schlittenhund gezogen wird, gezeigt.
Auch das Eisstockschießen, quasi die in den Alpen verbreitete Verwandte des Curlings, wurde mehrmals getestet, konnte sich aber ebenso wenig etablieren wie der Winter-Pentathlon, eine Kombination aus Langlauf, Pistolenschießen, Abfahrt, Degenfechten und Geländeritt im Schnee.
Und wer meint, die Alpinabfahrt sei extrem, erinnere sich an 1992: Damals war Speedskiing, das Geschwindigkeitsfahren, bei dem Pisten speziell präpariert werden und derjenige gewinnt, der das höchste Tempo erreicht, als Demonstrationssportart dabei. Überschattet wurde das vom tödlichen Unfall des Rennfahrers Nicolas Bochatay, der zwar nicht auf einer Speedskistrecke, sondern auf einer öffentlichen Piste verunglückte. Darauf stellte die FIS ein Tempolimit von 200 km/h auf – und diese Sportart wurde nicht olympisch. Wohl ein Glück, im Sinn der Pistensicherheit. Entscheidet doch nicht zuletzt die Frage, ob eine Disziplin olympisch wird, ob sie das Potenzial zum Trend hat – oder schnell vergessen wird.