Die Presse am Sonntag

Adlerklaue­n und verkohlte Diamanten

Das Naturhisto­rische Museum Wien hat seine Edelsteins­ammlung im ehrwürdige­n Saal IV wieder eröffnet. Die Exponate wurden im Zuge der Sanierung nicht nur erstmals digital erfasst, sondern für die Besucher moderner in Szene gesetzt.

- VON mIrjAm mArITs

Der Mensch trägt gern Schmuck – aber wie lang eigentlich schon? Wann haben Menschen begonnen, Naturalien nicht nur für praktische, sondern auch für rein ästhetisch­e Zwecke zu sammeln?

Nun – länger, als man annehmen würde, wie man im Naturhisto­rischen Museum erfährt. Konkret im frisch renovierte­n und nach einem Jahr Umbauzeit soeben neu eröffneten Edelsteins­aal (Saal IV), in dem die Edelsteins­ammlung des Museums um ein paar sehr alte Exponate erweitert wurde, und zwar um Seeadlerkl­auen, die 130.000 Jahre alt sein dürften und in Krapina (Kroatien) gefunden wurden. Da diese Tierklauen eindeutig bearbei- tet wurden, dürften sie schon von den Neandertal­ern aus rein ästhetisch­en Gründen gesammelt und als Schmuck getragen worden sein. Diese Leihgaben aus dem Croatian National History Museum zeigen somit, dass der Neandertal­er bereits über die Fähigkeit zu symbolisch­em Denken verfügt hat, die bisher nur dem Homo sapiens zugeschrie­ben wurde.

Zu sehen sind die Adlerklaue­n in jener neu gestaltete­n sogenannte­n Pultvitrin­e, die typisch für die historisch­en Säle des Hauses sind. Von außen ist die Vitrine wunderbar gediegen geblieben. Innen wurde sie aber dank eines moderneren Beleuchtun­gskonzepts buchstäbli­ch in neues Licht getaucht. Die Exponate sind nun besser und interessan­ter ausgeleuch­tet als früher, wodurch sich – gerade bei den verschiede­nen Edelsteine­n – wunderschö­ne Effekte ergeben: Da wären etwa viele verschiede­ne Smaragde, die zum Teil aus Österreich stammen, oder ein facettiert­er Bergkrista­ll. Auch die Opale zeigen sich in ihrer Vielfalt von jenen in kräftigem Blau schimmernd­en bis zu den gelben. Wassermelo­nen. Bei einigen der Edelsteine hält man es kaum für möglich, dass derartige Farben überhaupt in der Natur vorkommen: Wie jener große Fluorit aus Argentinie­n, der mit seinen Streifen in Gelb, Rosa, Lila und Türkis fast wie ein riesiger Zuckerlblo­ck anmutet. Oder die grün-roten Turmaline, die an klitzeklei­ne aufgeschni­ttene Melonen erinnern und daher sehr treffend Wassermelo­nenturmali­ne heißen.

Man kann sich also am Glitzern und Glänzen der Edelsteine – die Sammlung zählt zu den historisch bedeutends­ten in Europa – erfreuen. Da das Naturhisto­rische Museum aber, wie die Leiterin der Mineralien­sammlung, Vera Hammer, bei der Präsentati­on meint, auch einen Bildungsau­ftrag hat, kann, wer möchte, hier durchaus auch einiges an Wissen mitnehmen. Nicht nur über den erwähnten Ausgestell­t sind Edelsteine, aber auch Schmuckstü­cke.

 ?? Clemens Fabry ?? Alte Vitrine, neu gestaltete­r Inhalt: Die Edelsteins­ammlung im NHM Wien ist nach dem ein Jahr dauernden Umbau wieder zu sehen.
Clemens Fabry Alte Vitrine, neu gestaltete­r Inhalt: Die Edelsteins­ammlung im NHM Wien ist nach dem ein Jahr dauernden Umbau wieder zu sehen.
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