»Ich möchte keine Bremslichter sehen!«
Die Autoverfolgungsjagd ist als Filmgenre so alt wie das Kino selbst. Aktuelle Beiträge zeigen, dass sie wohl niemals aus der Mode kommt.
Cineasten mögen milde lächeln, wenn von Verfolgungsjagden im Film die Rede ist. Zugegeben, Dialoge und Handlung stehen bei dieser Art von Film selten im Vordergrund. Meist bieten sie nur eine Verschnaufpause für die nächste Kaskade stunt- und materialintensiver Sequenzen.
Dabei sind gute Verfolgungsjagden Meisterwerke der Drehlogistik und erfordern höchstes Geschick bei Kameraführung und Schnitt. Ein stattliches Budget ohnehin.
Eine Rangliste der besten motorisierten Katz-und-Maus-Spiele ist nahezu unmöglich zu erstellen – zu umfangreich sind die Beiträge, von denen die ersten auf die Stummfilmzeit zurückgehen (etwa Buster Keatons „Sherlock Jr. von 1924). Und stetig kommen neue hinzu, nicht immer erstklassige, zuletzt „Baby Driver“und „Overdrive“, beide 2017. Berühmter Dienstwagen. Von den großen Filmreihen stehen die Einsätze des Geheimagenten James Bond vermutlich ganz oben. Was mit „Goldfinger“1964 begann, entwickelte sich zu einer ausgefeilten Kunstform, die neben der Action wohl auch das Geschäftliche miteinbezieht. Im ersten Bond kommt der junge Ford Mustang zu seinem ersten größeren Auftritt, und hätte Jaguar nicht abgelehnt, ein Auto zu stiften, würden wir heute den E-Type und nicht den Aston Martin DB5 als klassisches Bond Car verehren.
Zu den Filmreihen mit herausragenden Autoszenen gehören „Mission: Impossible“, „Mad Max“, die „Bourne“-, „Terminator“- und „Matrix“-Reihe. Ausgerechnet die „Need 4 Speed“-Endlosschleife bleibt in Sachen Authentizität einiges schuldig.
Denn die Regeln sind streng. Was zählt, sind nicht CGI und Schnittstakkato, sondern das echte, real gefahrene Manöver. Kaum ein Blockbuster-Regisseur, der sich nicht im Fach versucht hätte: Steven Spielberg gab sein Debüt mit „Duell“, bei dem Dialoge und Handlung so gut wie gänzlich eingespart wurden. Quentin Tarantino drehte eigens einen Film („Death Proof“, 2007), um sich der Disziplin ungestört widmen zu können.
Wohlgemerkt sind Verfolgungsjagden kein Asset des US-amerikanischen Kinos. Der reichhaltige französische und italienische Gangsterfilm ist undenkbar ohne sie.
Ein freundliches Zusammentreffen der Nationen ergibt sich in der Figur des John Frankenheimer, der als Regisseur mit „French Connection“(1971) schon einen legendären Beitrag lieferte. Erst Jahrzehnte später konnte er sein Meisterwerk toppen – mit „Ronin“(1998), der in Paris und an der Coteˆ d’Azur tobt (unvergessen: Robert de Niro an der Panzerfaust auf dem Dach eines Mercedes 450 SEL 6.9).
80 Autos wurden zerstört, 300 Fahrer waren bei „Ronin“im Einsatz. Einem Schauspieler, der seine Fahrszenen unbedingt selbst übernehmen wollte, beschied Frankenheimer: „Aber ich will keine Bremslichter sehen!“
Worauf wir jetzt noch warten: Einen Autokracher von Haneke. Alles unter Kontrolle: Tom Cruise auf BMW S 1000 RR in „Mission: Impossible“(2015).