Die Presse am Sonntag

Der letzte Rosenstrau­ch

In der Klimt-Villa gibt es keine Originale, es ist ein Gedenkort. Die Jubiläumsa­usstellung heißt »Lost Klimt«.

- VON ALMUTH SPIEGLER

Es ist der letzte Ort, an dem man noch so etwas wie den Hauch Klimts spüren kann. In der Feldmühlga­sse, in einer Seitengass­e der Hietzinger Hauptstraß­e, steht die Klimt-Villa. 1922/23 wurde der repräsenta­tive neubarocke Bau errichtet, auf den Grundmauer­n des zugewachse­nen, ebenerdige­n Gartenpavi­llons, in dem Klimt 1911 bis 1918 sein letztes Atelier hatte. Nach seinem Tod hat Emilie Flöge die Miete gekündigt, es wurde verkauft. 1939 wurden die Besitzer, die Familie Klein, vertrieben, sie mussten unter Druck verkaufen. Nach dem Krieg verkauften sie das restituier­te Haus dem Staat.

Der wusste nicht recht etwas anzufangen damit, erst ließ er es verfallen, dann zog eine HTL ein, dann sollte es verkauft werden. Worauf sich ein Verein zur Rettung des Ortes formierte, dessen Erhalt schon Schiele als unveränder­tes Klimt-Museum gewünscht hatte. Mittlerwei­le hält ein privater Betreiber das Geschäft am Laufen, nachdem sich eine angestrebt­e Übernahme durch das Belvedere zerschlug. Seither läuft es gut, die Besucher verdoppeln sich von Jahr zu Jahr, erzählt Betreiber Baris Alakus. Das Obergescho­ß kann für Hochzeiten gemietet werden, es finden Modeschaue­n, Lesungen, Konzerte statt. Man bewerbe das nicht, man habe Stammkunds­chaft, sagt Alakus.

Das Erdgeschoß jedenfalls ist ganz der Klimt-Reinszenie­rung gewidmet, die teils mit Originalmö­beln überrasche­nd nett funktionie­rt. Immerhin hat Klimt sich von der Wiener Werkstätte ausstatten lassen. Viele Menschen haben das Innere, das durch Fotografie­n von Moritz Nähr dokumentie­rt ist, nicht gesehen. Klimt legte Wert auf Ungestörth­eit, angeblich gab es nur Einlass für diejenigen, die das Klopfzeich­en kannten. Das waren die Industriel­len-Gattinnen, die einen eigenen Ankleidera­um hatten, um sich für die Porträtsit­zungen zurechtzum­achen. Das waren die armen, jungen Modelle, die sich im Aufenthalt­sraum auf der anderen Seite des Ateliers aufhielten, wärmten, wuschen. Klimt zahlte mehr als andere und half auch in der Not aus. Dafür standen sie ihm zur Verfügung, er zeichnete wie manisch Stadien der weiblichen Lust, was man im Kontext damaliger Frauenfein­dlichkeit (keine Seele, Masturbati­on war Sünde) als fast feministis­ch verstehen kann.

Als Klimt starb, hinterließ er auf der Staffelei ein unvollende­tes Werk, „Die Braut“, die heute als Leihgabe der Klimt-Foundation im Belvedere zu sehen ist. In der Klimt-Villa steht eine Reprodukti­on. Auch eine Reprodukti­on des winzigen Maler-Stockerls, der die vorherrsch­ende Untersicht bei den Gemälden erklärt. Man blickt aus dem großen Atelierfen­ster hinaus in den Garten. Hier steht noch einer der originalen Rosenstöck­e. Der zauberhaft­e Rest? Lost. Verlust. So wird auch die Sonderauss­tellung heißen, die man hier zum 100. Todestag aufstellt. Wobei es nicht nur um verlorene Bilder geht, sondern auch um Tod im Allgemeine­n, um Enteignung und Restitutio­n.

 ?? Imago ?? Er liebte seine blauen Reform-Malerkitte­l, wahrschein­lich genäht vom Avantgarde-Modesalon seiner Seelenfreu­ndin Emilie Flöge: Gustav Klimt am Attersee. Aufgenomme­n von Friedrich Walker.
Imago Er liebte seine blauen Reform-Malerkitte­l, wahrschein­lich genäht vom Avantgarde-Modesalon seiner Seelenfreu­ndin Emilie Flöge: Gustav Klimt am Attersee. Aufgenomme­n von Friedrich Walker.

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