Der geringe Wert des Gratiskindergartens
Der kostenlose Kindergarten führt laut einer neuen Studie nicht dazu, dass Frauen mehr arbeiten.
„Ich hoffe, Sie haben im Landhaus einen netten Raum mit viel Spielzeug [. . .]. Ich werde nämlich Ihre Rolle als LandesVATER sehr ernst nehmen und meine Tochter bei Ihnen abgeben“: Mit diesen Worten an Oberösterreichs Landeschef Thomas Stelzer (ÖVP) machte eine Mutter ihren Unmut über die (teilweise) Abschaffung des Gratiskindergartens kürzlich publik und stieß damit eine breite Diskussion über die Auswirkungen von Kindergartengebühren an.
Kritiker sehen in den seit 1. Februar in Oberösterreichs Kindergärten verlangten Gebühren für die Nachmittagsbetreuung – die auch in sieben anderen Bundesländern eingehoben werden – „eine Strafsteuer für berufstätige Mütter“und „ein Rückschlag für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie“. Denn ist die Nachmittagsbetreuung kostenpflichtig, rentiert es sich nicht, (länger) arbeiten zu gehen. Besonders Frauen, sagen die Kritiker, würden damit in die Teilzeit gezwungen.
In Oberösterreichs Kindergärten haben die Gebühren mancherorts tatsächlich zu hohen Abmelderaten geführt. In Steyr wurde gut die Hälfte der Kinder aus dem Kindergarten herausgenommen, in Wels knapp ein Drittel. Eine landesweite Erhebung gibt es allerdings noch nicht, und auch die genauen Gründe für die Abmeldung sind noch unklar. Insofern konnte die Frage, ob Gebühren tatsächlich zu einem Rückgang der Erwerbsbeteiligung führen, noch nicht beantwortet werden. Ziel verfehlt. Die Wissenschaft legt aber eine Antwort nahe. Denn laut einer im Jänner veröffentlichten Studie des deutschen Instituts zur Zukunft der Arbeit führt der umgekehrte Fall, also die Einführung des Gratiskindergartens, nicht automatisch dazu, dass Frauen mehr arbeiten. „Überraschenderweise finden wir kaum positive Wirkungen auf die Erwerbsbeteiligung oder die wöchentliche Arbeitsstundenzahl von Müttern. Das familienpolitische Ziel wird verfehlt“, sagt Ökonomin und Studienautorin Christina Gathmann von der Uni Heidelberg zur „Presse am Sonntag“.
Der Gratiskindergarten kann sogar den gegenteiligen Effekt haben und die Frauenerwerbstätigkeit verringern. Das haben die Studienautorinnen bei ihrer Untersuchung von 9000 deutschen Haushalten festgestellt. Durch den Gratiskindergarten bleibe den Familien nämlich mehr Geld. In einkommensschwachen Schichten führe das häufig dazu, dass die Mutter ihre Arbeitstätigkeit verringert. „Auch Zeit ist eine wertvolle Ressource“, sagt Gathmann.
Der Gratiskindergarten habe trotz allem eine wichtige Funktion. Denn ist das Angebot kostenlos, besuchen mehr
Prozent
der Frauen zwischen 30 und 40 nennen als wichtigsten Grund für ihre Teilzeitbeschäftigung Betreuungspflichten.
Prozent
der Männer im selben Alter sehen Betreuungspflichten als Grund für ihre Teilzeitbeschäftigung.