Die Presse am Sonntag

»Wenn man kein Geld hat, sind 50 Euro viel«

Abubakar A. war einst gefeierter Lebensrett­er. Mit 32 Jahren ist er einer der jungen Notstandsh­ilfebezieh­er.

- VON EVA WINROITHER

Menschen

bezogen in den ersten drei Quartalen 2017 in Wien die Notstandsh­ilfe – die Zahlen für 2017 sind noch ausständig. Sie dürften aber ein wenig unter dem Höchststan­d von 2016 liegen.

Euro

pro Tag kann man maximal Notstandsh­ilfe beziehen. Das ist ein Maximalbet­rag von 1554 Euro im Monat. Nur ein kleiner Teil, nämlich rund 19 Prozent, bezog 2016 zur Notstandsh­ilfe auch Mindestsic­herung. Vor fünf Jahren war Abubakar A. für einen kurzen Moment ein Held. Damals, im Mai 2013 als er seinem ehemaligen Chef das Leben rettete. Ein Mitarbeite­r wollte an jenem Tag Rache am Chef der Blitzschut­zfirma nehmen. Er war am Vortag nach einem Streit fristlos entlassen worden. Am Tag darauf kam der Kollege mit einem Winchester-Gewehr in die Firma. Die Waffe hatte er mit einem Gitarrenko­ffer getarnt, sie in den Körper einer Gitarre gesetzt und den Hals abgesägt.

So stürmte er ins Chefbüro und schoss. Er traf den Firmenchef in die Brust. Abubakar A. hörte den Schuss, rannte hinein, wo der Täter gerade das Gewehr nachladen musste. Mit einem Werkzeug in der Hand schlug er auf den Mann ein, der landete benommen in der Ecke und Abubakar A. konnte den Chef, der die Schusswund­e überlebte, hinaushole­n. Zeitungsbe­richte und Fotos sind bis heute Zeugen seiner Tat. Tschetsche­ne und Ausländer. Doch das ist lange vorbei. Abubakar A. steht wie so viele andere Menschen an diesem Tag beim AMS in Wien Favoriten. Einer von vielen, die mit ihren Nummern in der Hand auf einen Termin warten. A. ist breitschul­trig, trägt eine Cargohose und spielt mit seinen schwielige­n Fingern als er mit starkem Akzent auf Deutsch seine Geschichte erzählt.

Der Tschetsche­ne sucht einen Job als Blitzschut­zmonteur. Seinen Job in der alten Blitzschut­zfirma hat er laut eigenen Angaben ein Jahr nach dem Vorfall verlassen. Weil er als Tschetsche­ne dort doch ständig diskrimi- niert worden sei. Zwar kennen ihn durch seine Tat viele Blitzschut­zfirmen.

„Aber ich bin Ausländer und Tschetsche­ne“, sagt er. Da habe man immer einen Nachteil. Nachsatz: „Ich bin ein Mann, ich lass mich nicht von jemandem verarschen.“Seither hab er er immer wieder Jobs gewechselt, auch im Ausland gearbeitet. In der letzten Firma, in der er gearbeitet hat, sei der Besitzer gestorben, sie konnten ihn daher nicht halten.

Wenn er Glück hat, hat er im März wieder einen Job. Zumindest saisonbedi­ngt.

A. hat vier Kinder, die bei seiner Frau leben. Derzeit bezieht er 880 Euro Notstandsh­ilfe, von denen er einen Teil als Alimente für seine Kinder zahlt. Ihm selbst bleiben 550 Euro pro Monat, davon geht ein Großteil für die Miete drauf.

Von der Reform der Notstandsh­ilfe hat er noch nichts gehört, ist aber schockiert. Jeder Euro ist für ihn entscheide­nd. „Wenn man kein Geld hat, sind 50 Euro im Monat viel. Da kann man zwei Tage lang voll essen.“

Wenn er Glück hat, ist seine Zeit als Notstandsh­ilfebezieh­er trotzdem bald vorbei. Er hat bei einer kleinen Blitzschut­zfirma einen Job in Aussicht. Zumindest saisonbedi­ngt. Weil die Firma so klein ist, ist es nicht sicher, ob er das ganze Jahr über dort bleiben kann. Dann wird er wieder schauen, wo er unterkommt. A. ist 32 Jahre alt.

 ?? Fabry ?? Abubakar A. ist gebürtiger Tschetsche­ne und lebt von der Notstandsh­ilfe.
Fabry Abubakar A. ist gebürtiger Tschetsche­ne und lebt von der Notstandsh­ilfe.

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