Wort der Woche
BEGRIFFE DER WISSENSCHAFT
Es wird immer klarer, dass es reiches Leben im Untergrund gibt. Für die Wissenschaft ist dessen Erforschung ein harte Nuss. Techniker arbeiten aber bereits an Anwendungen.
Der Boden ist voller Leben. Unzählige Arten von Würmern, Pilzen, Bakterien oder Archaeen tummeln sich im Untergrund. Der Boden dürfte sogar mehr Biomasse enthalten, als über der Erdoberfläche wächst. Doch wie weit nach unten reicht das Leben? Früher dachte man, dass in ein paar Metern Tiefe Schluss ist. Aber je genauer man hinschaute, umso weiter rutschte die Grenze nach unten. Der Tiefenrekord liegt bei 5300 Metern – wo in Bohrlöchern Mikroorganismen nachgewiesen wurden.
Die Bedingungen dort unten sind nicht gerade lebensfreundlich: Es gibt kein Licht und keinen Sauerstoff, es herrschen hohe Drücke und Temperaturen, das Milieu ist häufig sehr salzig und sauer. Wie diese Mikroorganismen leben, ist nur in Ansätzen bekannt. Manche Arten oxidieren Schwefel oder Eisen, andere nutzen Wasserstoff, manche bilden Methan. Diese Lebensformen spielten jedenfalls in der Erdgeschichte eine große Rolle: Sie waren z. B. an der Entstehung von Kohle, Erdöl und Erdgas beteiligt, die sich aus unter Sedimentschichten begrabener Biomasse gebildet haben.
Die Erforschung dieser Prozesse ist für die Wissenschaft eine harte Nuss. Dennoch denken Techniker bereits über ihre Nutzung nach. Etwa in dem österreichischen Projekt „Underground Sun.Conversion“: Dabei handelt es sich um eine Weiterentwicklung der „Power-to-Gas“-Idee, bei der mittels „Grünstrom“erzeugter Wasserstoff (H2) und Kohlendioxid (CO2) in einem Reaktor in Methan (CH4) verwandelt werden. Das Ziel ist es, Solar- oder Windenergie speichern und gleichzeitig das Treibhausgas CO2 nutzbringend verwerten zu können.
In einem – erfolgreichen – Vorgängerprojekt wurde das synthetische Erdgas bereits in eine ehemalige Erdgaslagerstätte gepumpt und später wieder entnommen. Im neuen Projekt, bei dem Anfang März Baubeginn für die nötigen Anlagen war, soll die Methanerzeugung nun nicht in einem Reaktor, sondern auf natürliche Weise erfolgen: Die Forscher wollen das CO2-H2-Gemisch in die alte Erdgaslagerstätte pumpen und von den in 1000 Metern Tiefe lebenden Mikroorganismen zu Methan umwandeln lassen. In Laborexperimenten wurde eine Prozessführung entwickelt, die eine viel raschere Methanogenese ermöglichen soll als bei der natürlichen Erdgasbildung – nämlich einige Wochen statt Jahrmillionen. Ob das auch in der Praxis funktioniert, weiß man noch nicht. Doch allein schon der Versuch wird einiges an neuem Wissen über das Leben im Untergrund zutage fördern. Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.