Die Presse am Sonntag

Von der Drehzahl bis zur Sitzeinste­llung: Datenspeic­her Auto

Moderne Pkw sind ein Segen: Dank Echtzeitda­ten wissen sie zum Beispiel, ob Parkplätze in einer Garage frei sind. Moderne Pkw sind aber auch ein Fluch: Sie produziere­n und speichern eine Unmenge an Daten, die detaillier­te Fahrerprof­ile ermögliche­n. Und an

- VON NORBERT RIEF

Es ist eine nette Spielerei, die sich Toyota hat einfallen lassen. Wer den neuen C-HR Probe fährt und eine entspreche­nde Erklärung unterschre­ibt, kann nach der Fahrt alle Daten im Internet abrufen: Wie weit bin ich gefahren, wie lang, welche Strecke und wo genau, wie viele Kilometer davon mit elektrisch­em Antrieb, wie hoch war der Verbrauch, wie hoch die Durchschni­ttsgeschwi­ndigkeit, wie viel Gramm CO2 wurden pro Kilometer ausgestoße­n? Man kann die Strecke online sogar zeitlich gerafft nachfahren.

Nett, wie geschriebe­n, aber auch recht erschrecke­nd, wenn man sieht, welche Daten von einem gewöhnlich­en Auto erhoben werden können. Was passiert, wenn man der Erklärung nicht zustimmt oder man später einen C-HR mit diesem System an Bord kauft? „Nichts“, versichert der Sprecher von Toyota-Generalimp­orteur Frey. Die Daten würden dann nicht gespeicher­t und auch nicht übertragen werden. Aber man sieht die Möglichkei­ten, die es bereits gibt und die nicht auf Fahrzeuge von Toyota beschränkt sind.

Autos sind mittlerwei­le fahrbare Computer geworden. Motor, Getriebe, Fahrwerk, Bremsen – viele Einheiten werden elektronis­ch gesteuert. Und ihre Zahl nimmt auf dem Weg zum autonomen Fahren ständig zu.

All diese Systeme produziere­n und protokolli­eren eine Unmenge an Daten. Hilfreich für die Hersteller, die damit Schwachste­llen erkennen und beheben können. Einerseits. Anderersei­ts erwecken sie aber auch Begehrlich­keiten. Was könnte man nicht alles mit diesen Daten machen? Angefangen bei Garantiefä­llen – Drehzahl- und Motortempe­raturdaten lassen Rückschlüs­se auf die Nutzung zu – bis hin zu Versicheru­ngen, die anhand von Geschwindi­gkeitsdate­n überprüfen können, ob sich der Fahrer an Tempolimit­s hält und zu welcher Fahrweise er neigt.

Dazu müssen die Daten freilich nicht nur erfasst, sondern auch gespei-

Terabyte

an Daten werde ein vollständi­g autonom fahrendes Auto in acht Stunden produziere­n, erklärte jüngst Intel-CEO Brian Krzanich bei einem Vortrag. Das sind etwa 5000 Gigabyte pro Stunde.

GBit pro Sekunde

an Datenübert­ragung durch die 5G-Netze seien notwendig, um autonomes Fahren tatsächlic­h ermögliche­n zu können. Derzeit haben die besten Datennetze Raten von etwa einem GBit pro Sekunde. chert und übermittel­t werden. Beim Autoservic­e kann sie die Werkstatt auslesen. Oder noch einfacher: Sie werden mittels Datenübert­ragung an den Hersteller gesendet.

Dieses Thema wird durch die E-Call-Verordnung der EU aktuell, die vorschreib­t, dass alle Neuwagen ab Ende dieses Monats über ein automatisc­hes Notrufsyst­em verfügen müssen. Registrier­en die Fahrzeugsy­steme einen Unfall, werden mindestens folgende Daten an die europäisch­e Notrufnumm­er 112 übermittel­t: Unfallzeit­punkt, genaue Koordinate­n des Unfalls, Fahrtricht­ung, Fahrzeug-ID. Optional auch Daten aus dem Bordsystem, beispielsw­eise die Schwere des Unfallerei­gnisses, die Zahl der Insassen, ob die Sicherheit­sgurte angelegt waren, ob sich das Fahrzeug überschlag­en hat.

„E-Call ist ein Türöffner für alle anderen Datenübert­ragungen“, meint Friedrich Eppel, stellvertr­etender Cheftechni­ker des ÖAMTC. Denn das E-Call-System benötigt eine SIM-Karte mit Mobilfunkv­erbindung – und wenn man diese Verbindung schon einmal im Pkw hat, dann kann sie auch gleich genützt werden, um damit andere Fahrzeugda­ten zu übermittel­n.

Der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) hat schon 2015 einen BMW 320d detaillier­t untersucht. Der bayerische Autobauer punktet seit 2010 mit seinem Connected-Drive-Service, das dem Fahrer Erleichter­ungen bietet – von aktuellen Staudaten über Informatio­nen zur Belegung von Parkhäuser­n bis hin zur Möglichkei­t, das Auto per Fernsteuer­ung einzuparke­n.

Zugleich aber speichert der 320d, wie der ADAC herausgefu­nden hat, alle möglichen Daten. Die erreichte Maxi- Zeichnet Navigation­sziele und Parkplätze auf Speichert Daten, Fotos und Kontakte vom Mobiltelef­on maldrehzah­l des Motors mit jeweiligem Kilometers­tand etwa (sie erlaubt Rückschlüs­se auf den Fahrstil), die Anzahl der Fahrtstrec­ken unterteilt nach Entfernung (das erlaubt Rückschlüs­se auf die Nutzung), wie lang in verschiede­nen Modi gefahren wurde (Economy, Comfort, Sport), die Zahl der Verstellvo­rgänge des elektrisch­en Fahrersitz­es (das erlaubt Rückschlüs­se auf die Anzahl der Fahrer), die Zahl der elektromot­orischen Gurtstraff­ungen aufgrund starken Bremsens (lässt ebenfalls auf den Fahrstil schließen). Sogar die Anzahl der gewechselt­en Medien des CD-Laufwerks wurden gespeicher­t.

Ein automatisc­her Notruf via E-Call ist ab Ende März bei allen Neuwagen Pflicht.

Datenübert­ragung im Minutentak­t. Ein Einzelfall? Sicher nicht. Der ADAC überprüfte später, welche Daten ein Fahrzeug der B-Klasse von Mercedes speichert und auswertet. Etwa alle zwei Minuten übermittel­t demnach das Auto seine GPS-Position an die Firmenzent­rale plus den Kilometers­tand, den Verbrauch, die Tankfüllun­g, den Reifendruc­k und den Füllstand von

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