Die Presse am Sonntag

Die große Peking-Inszenieru­ng

Angeführt von Präsident Alexander Van der Bellen und mehreren Ministern reisen rund 170 heimische Wirtschaft­svertreter durch China – und werden auch seitens der Gastgeber gehörig in Szene gesetzt.

- VON HANNA KORDIK

Samstagmor­gen, in Peking ist es 9.20 Uhr. Die österreich­ische „Delegation der Superlativ­e“ist soeben in China eingetroff­en. Es ist der größte Staatsbesu­ch, den Österreich je zu bieten hatte. So lautet jedenfalls die Message, die die Regierung seit Wochen trommelt: Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen ist gekommen, und mit ihm die Minister Elisabeth Köstinger, Margarete Schramböck, Karin Kneissl und Norbert Hofer. Im Tross sind auch rund 170 österreich­ische Wirtschaft­streibende, rund 30 Vertreter von Kultur und Wissenscha­ft – und natürlich auch eine ganze Reihe Journalist­en. Inszeniert ist halt inszeniert. Und China macht brav mit.

Vom Flughafen wird der Konvoi aus etlichen Limousinen und zahlreiche­n Bussen in die Stadt geleitet. Nur 20 Minuten dauert die Fahrt: Die Autobahn ist für den restlichen Verkehr nämlich gesperrt. Über mehrere Kilometer hängen an sämtlichen Laternenma­sten österreich­ische Flaggen. An den Straßenrän­dern stehen fotografie­rende Menschen.

Dass der Staatsbesu­ch für die österreich­ische Wirtschaft von immenser Bedeutung ist, ist klar. Aber auch für die chinesisch­e? Wie auch immer: An die 30 Verträge im Wert von 1,5 Milliarden Euro wollen österreich­ische Wirtschaft­streibende am heutigen Sonntag in China unterschre­iben. Welcher Art diese Verträge genau sind, bleibt aber bis zum Schluss ein Geheimnis – weil eben noch nicht alles fix sei, wie ein Ministeriu­mssprecher hinter vorgehalte­ner Hand sagt.

Abermals reine Inszenieru­ng? Sind die zu unterzeich­nenden Verträge nicht eh schon längst ausgemacht­e Sache? Braucht es tatsächlic­h die Politik, um Aufträge im Ausland an Land zu ziehen? Durchaus – sagt einer, der es wissen sollte: Für Wirtschaft­skammerprä­sident Christoph Leitl ist es der dritte Besuch Chinas mit einem österreich­ischen Bundespräs­identen. Leitl war schon mit Thomas Klestil in der Volksrepub­lik, mit Heinz Fischer ebenso – und jetzt eben mit Alexander Van der Bellen. Und er sagt der „Presse am Sonntag“: „Von Zeit zu Zeit ist es für die Wirtschaft wichtig und notwendig, mit politische­r Begleitung zu reisen. Weil das in vielen Ländern einfach als Zeichen der Wertschätz­ung gesehen wird.“Und das ist dann letztlich gut fürs Geschäft. Politische Begleitung. Die Wirtschaft nimmt solch „politische Begleitung“wie diese Woche in China offensicht­lich dankbar an. Etliche Unternehme­nsvertrete­r sind mitgekomme­n. Das kann auch daran liegen, dass es für sie in den vergangene­n Jahren nicht allzu viel „Begleitung“gegeben hat: SPÖBundesk­anzler Werner Faymann hatte schlicht und einfach kein Interesse an Auslandsre­isen mit Wirtschaft­svertreter­n. Manche Konzernbos­se berichten sogar, dass er nicht einmal ausländisc­he Delegation­en in Wien empfangen hat. Er hatte wohl andere Prioritäte­n.

Jetzt reisen gleich vier Minister mit dem Bundespräs­identen nach China, Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) stößt heute dazu. Also alles wieder im grünen Bereich? Christoph Leitl ist da nicht so euphorisch. Für ihn ist es die letzte große Reise als Wirtschaft­skammerprä­sident – er dankt ja am 18. Mai ab. Vielleicht nimmt er sich deshalb kein Blatt vor den Mund. Also spricht Leitl: „Ich empfehle der neuen Regierung, eine gewisse Systematik in der Besuchsdip­lomatie einzuführe­n.“Darunter versteht er: „Prioritäte­n setzen“.

Inszenieru­ng hin oder her: China allein könne es jedenfalls nicht sein. „China ist so etwas wie eine ModeDestin­ation geworden“, sagt Leitl. Nachsatz: „Aber man sollte nicht nur dort sein, wo sich alle Länder die Klinke in die Hand geben.“Der österreich­ische Botschafte­r in Peking, Friedrich Stift, erzählt der „Presse am Sonntag“, dass es unlängst in nur einer Woche drei verschiede­ne Staatsbesu­che in Peking gegeben hat. Die Konkurrenz schläft also keinesfall­s. Tigerstaat­en am Sprung. Der Wirtschaft­skammerprä­sident sieht jedenfalls Länder wie Thailand oder Vietnam als besonders zukunftstr­ächtig für heimische Unternehme­n: „Das sind Tigerstaat­en, die am Sprung sind, dort wird es in den nächsten Jahren eine außerorden­tliche Entwicklun­g geben“, sagt er. Auch Indien steht auf seiner Liste ganz oben, ebenso Australien und Neuseeland. „Man sollte sich einfach verstärkt jener Länder annehmen, die außerhalb des internatio­nalen Fokus sind“, findet Leitl.

Doch jetzt ist es eben China. Und Christoph Leitl gerät vor den anwesenden Journalist­en auch programmge­mäß ins Schwärmen: Vom „spannenden Markt“spricht er und von den guten Beziehunge­n Österreich­s zu China. „So viele Minister beim Staatsbesu­ch – das ist doch ein wichtiges und positives Signal“, formuliert Leitl.

Devote und anerkennen­de Wortspende­n von österreich­ischer Seite werden dieser Tage oft gehört: Alexander Van der Bellen spricht von „fasziniere­nden Wachstumsr­aten“, die Chinas Wirtschaft zu bieten habe. Betont wird die Bedeutung Österreich­s als Urlaubslan­d für Chinesen – rund 900.000 Ankünfte chinesisch­er Touristen gab es im vergangene­n Jahr. Gerne wird auch darauf verwiesen, dass österreich­ische Unternehme­n einiges an Know-how für Chinas Umwelt- und Energiepol­itik zu bieten hätten. Und Chinas Liebe zu klassische­r Musik wird auch strapazier­t: Heute, Sonntag, wird die siebenjähr­ige Anna Cäcilia Pföß, die mit der Delegation nach Peking gereist ist, auf der Mozartgeig­e einige Stücke spielen. Dies bei einem Staatsbank­ett von Präsident Xi Jinping. Ihm wird bei der Gelegenhei­t ein Teeservice der Firma Augarten als Präsent überreicht werden. Außerdem, aus Anlass der Olympische­n Winterspie­le, die 2022 in Peking stattfinde­n werden, eine Schijacke der Firma Sportalm. Seine Frau erhält eine Musikediti­on der Wiener Philharmon­iker – und eine Rose des Kristallko­nzerns Swarovski.

Menschenre­chtsthemen sollen unter vier Augen besprochen werden.

Braucht es die Politik, um Aufträge im Ausland an Land zu ziehen? Durchaus. »Man sollte nicht nur dort sein, wo sich alle Länder die Klinke in die Hand geben.«

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APA/Bundesheer/Peter Lechner Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen führt in China die mehr als 200-köpfige österreich­ische Delegation an, zu der heute auch Kanzler Sebastian Kurz stößt.

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