Die Presse am Sonntag

Die verlorene Jugend der Grünen

Während fast alle Parteien auf Verjüngung setzen, haben die Grünen die Nachwuchsa­rbeit verpasst. Eine zweite Reihe gibt es nicht.

- VON ANNA THALHAMMER

Sebastian Kurz hat ungeschrie­bene Gesetze gebrochen. Undenkbar ist es vor ihm gewesen, dass ein 25-Jähriger Staatssekr­etär wird. Noch undenkbare­r war es, dass ein 27-Jähriger Außenminis­ter wird. Und als der 31-Jährige dann Kanzler wurde, brach für viele altgedient­e Parteigäng­er, egal welcher Couleur, die Weltordnun­g zusammen. Denn diese lautete bis dato: Klein anfangen und über viele Jahre hochdienen.

Mit Kurz sind Parteihier­archien plötzlich zu -anarchien geworden – was dem Wahlvolk offenbar gefällt. Händeringe­nd versuchen die anderen Parteien ebenfalls, junge Funktionär­e aufzubauen, um den Nachwuchs dann stolz in die Auslage zu stellen. So beförderte die SPÖ den 31-jährigen Max Lercher zum Bundesgesc­häftsführe­r. Die 32-jährige Maria Maltschnig wurde zur Chefin des Renner-Instituts gekürt – und der 32-jährige Christophe­r Berka zum neuen Klubdirekt­or. Die Neos sind an sich eine relativ junge Partei – und bei der Liste Pilz geben zwar die älteren Mandatare den Ton an, aber immerhin gibt es vier Mandatarin­nen, die alle um die 30 Jahre alt sind.

Bei der FPÖ wurde die 25-jährige Marlene Svazek zur Generalsek­retärin gemacht – für die niederöste­rreichi- sche Landtagswa­hl wurde der 31-jährige Udo Landbauer ins Rennen geschickt, der mittlerwei­le aus der Politik ausgeschie­den ist. Ein Liederbuch mit den Nationalso­zialismus verherrlic­henden Texten wurde ihm zum Verhängnis. Sesselkleb­er. Erstaunlic­h ist, dass sich jene Partei, deren Mandatare bei ihrer Gründung 1986 im Schnitt mitunter die jüngsten waren, nun als einzige kaum um frisches Blut kümmert: die Grünen. Ein Blick in die Länder zeigt, dass die Führungsri­ege durchwegs in die Jahre gekommen ist. Der Altersschn­itt liegt unter den grünen Spitzenkan­didaten bei 53 Jahren. Die Parteichef­innen Helga Krismer (Niederöste­rreich) und Ingrid Felipe (Tirol) sind mit 45 und 39 Jahren mit Abstand die jüngsten. Bundespart­eichef Werner Kogler gehört mit seinen 56 Jahren auch eher zum Grünen-Urgestein.

Aber auch in der zweiten und dritten Reihe tut sich wenig, Nachwuchsa­rbeit fehlt. Mehr noch: Die Grünen haben vergangene­s Jahr ihre Jugenddach­organisati­on hinausgesc­hmissen, die bis heute nicht wieder aufgebaut wurde. Man könnte nun argumentie­ren, dass die Grünen auf Bundeseben­e generell eigentlich nicht mehr existent sind. Aber auch in den Ländern tut sich in Dingen Jugendorga­nisation wenig. Die Grüne Jugend ist in Splittergr­uppen zerfledder­t, hat keinen einheitlic­hen Namen, keine funktionsf­ähige Organisati­onsstruktu­r und aufgrund der Schulden, die durch die Pleite der Bundespart­ei entstanden sind, auch kaum Geld.

Was die Parteijuge­nd aber wohl viel mehr bräuchte als Geld, ist je- Werner Kogler muss die Bundespart­ei wieder aufbauen.

Alle Pläne scheiterte­n schlussend­lich am Widerstand älterer Mandatare, die nicht übergeben wollten. Einige der damals besonders Resistente­n finden sich heute bei der Liste Pilz. Sie versuchten bei den Grünen bis zum Schluss, ihre Pfründe zu verteidige­n – und tun es aktuell wieder. Nachfolger aufgebaut hat sich davor keiner.

Das basisdemok­ratische Listenwahl­recht der Grünen begünstigt resistente Urgesteine – Quereinste­iger dagegen haben kaum eine Chance: Wer eine Lobby hat, wird gewählt, dafür werden vorab Mehrheiten gesucht.

Die Grünen haben nach der Wahlnieder­lage im Herbst angekündig­t, alles daran zu setzen, zukunftsfi­t werden zu wollen – das Listenwahl­recht zu reformiere­n. Doch die Fraktionie­rerei hinter den Kulissen hat schon wieder begonnen – es ist alles wie gehabt. Eine ganze Generation politisch Interessie­rter findet kaum Platz bei den Grünen – und so schrumpft die Partei trotz Lippenbeke­nntnissen weiter.

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