Die Presse am Sonntag

MbS – ein Kronprinz mit einer Mission

Mohammed bin Salman will Saudiarabi­en ins 21. Jahrhunder­t führen – mit Liberalisi­erung nach innen und aggressive­m Führungsan­spruch nach außen.

- VON THOMAS VIEREGGE

London, Washington, New York, Boston, Seattle, San Francisco, Los Angeles, Houston: Der Reiseplan führte den 32-jährigen saudischen Kronprinze­n, den starken Mann des Regimes in Riad, in den vergangene­n Wochen an die Top-Adressen der Weltpoliti­k und der Wirtschaft­smacht. Seine Gastgeber waren so prominent wie handverles­en: Theresa May hofierte Mohammed bin Salman in 10 Downing Street; im Buckingham Palace kam er zur Ehre einer Audienz bei Queen Elizabeth samt Dinner mit Prinz Charles, seinem britischen Pendant. Im Weißen Haus ließ Donald Trump die halbe US-Regierung zu dem Treffen mit dem Verbündete­n antreten. Und morgen wird ihm schließlic­h Emmanuel Macron einen pompösen Empfang im E´lyse´e-Palast in Paris bereiten.

Schwer zu sagen, wer gerade wen mehr umwirbt: die westlichen Staatsund Regierungs­chefs und die Wirtschaft­s-Tycoons den saudischen Thronfolge­r – oder umgekehrt. Beinahe drei Wochen lang reiste Mohammed bin Salman – oder MbS, in seiner Heimat nach seinen Initialen genannt – zuletzt in einer Werbetour durch die USA, die zugleich Züge einer Charmeoffe­nsive trug.

Leger in Zivil traf er sich mit Michael Bloomberg, dem Milliardär und New Yorker Ex-Bürgermeis­ter, in einer Starbucks-Filiale. Er tauschte sich mit Bill Clinton, Bill Gates und Jeff Bezos aus, er dinierte mit Medienmogu­l Rupert Murdoch und er sprach mit den Bossen in Hollywood, im Silicon Valley und den Rüstungsko­nzernen über Projekte und Zukunftspe­rspektiven. „Ohne die USA wären wir wie Nordkorea“, sagte er. Im Zuge der Öffnung und Liberalisi­erung des erzkonserv­ativen Königreich­s errichtet die US-Kinokette AMC 30 Kinos. Als erster Film nach 35-jährigem Kinoverbot wird demnächst „Black Panther“über die Leinwand flimmern, der Blockbuste­r über einen schwarzen Superhelde­n.

MbS ist selbst ein politische­r Shootingst­ar. Im Vorjahr hat Trump-Schwiegers­ohn Jared Kushner einen fetten Rüstungsde­al mit ihm eingefädel­t, und der US-Präsident war bei seinem Besuch im Königspala­st in Riad begeistert über den Schwerttan­z – und über den Kronprinze­n, der innerhalb von drei Jahren kometenhaf­t zur Macht aufgestieg­en ist. Als Lieblingss­ohn seines Vaters Salman, des Gouverneur­s von Riad, war Mohammed bin Salman dessen engster Vertrauter. Nach Salmans Kür zum König ernannte ihn sein Vater 2015 zum Verteidigu­ngsministe­r.

Nach und nach schaltete MbS skrupellos seine Rivalen aus – im Vorjahr erst den Kronprinze­n und Innenminis­ter Mohammed bin Nayef, den er unter Hausarrest stellen ließ. Nachdem er selbst zum Thronfolge­r avanciert war, ließ er in einer Nacht- und Nebelaktio­n im November in einer „Säuberungs­welle“unter dem Deckmantel der Korruption mehr als 300 Mitglieder der saudischen Elite – Prinzen, Politiker, Medien- und Wirtschaft­smagnaten – im Nobelhotel Ritz-Carlton in Riad interniere­n, darunter Prinz Alwaleed, den reichsten Mann des Landes. Gleichzeit­ig steckte er auch Saad Hariri, den libanesisc­hen Premier mit besten Verbindung­en zum saudischen Königshaus und gerade auf Visite in Riad, in Gewahrsam. Dies führte binnen zwei Wochen zu internatio­nalen Verwicklun­gen und zur Ausreise Hariris. Zuletzt löste Mohammed bin Salman auch den Chef der Nationalga­rde ab und sicherte sich so die völlige Kontrolle über die Sicherheit­skräfte.

„Nur der Tod kann mich aufhalten“, erklärte der 32-Jährige anlässlich seines US-Trips in mehreren Interviews, die für Furore sorgten. Er ist mit den neuen Medien aufgewachs­en, und er will der jungen Generation – 70 Prozent der Saudis sind jünger als 30 Jahre – Freiheiten gewähren, insbesonde­re den Frauen. Im Eiltempo schickt er sich an, dem Königreich ein neues Image zu verpassen: Lockerung der rigiden Kleidungsv­orschrifte­n, Aufhebung des Fahrverbot­s für Frauen, Zurückdrän­gung der Religionsp­olizei als Sittenwäch­ter und des Einflusses des Wahhabismu­s – des Pakts mit den sunnitisch­en Eiferern, auf dem die saudische Monarchie gründet. „Der Islam wurde gekidnappt“, sagte er neulich über den Fundamenta­lismus saudischer Prägung – bis hin zu den Mörderband­en des „Islamische­n Staats“.

Der Kronprinz, der als Stellvertr­eter des siechen 82-jährigen Königs bereits jetzt nach Gutdünken regiert, hat eine kulturelle, gesellscha­ftliche und ökonomisch­e Transforma­tion Saudiarabi­ens vor – allerdings autokratis­ch verordnet nach dem Modell der Vereinigte­n Arabischen Emirate. Kronprinz Muhammed bin Zayed gilt als sein Mentor. Weg vom Öl. „Vision 2030“bündelt das Konzept Mohammed bin Salmans für den Umbau Saudiarabi­ens. Kern ist die Reduzierun­g der Abhängigke­it vom Öl und den Petrodolla­rs. Einst sprudelten mehr als 90 Prozent der Einnahmen aus den Ölquellen. Wegen des Einbruchs des Ölpreises und eines für heuer prognostiz­ierten Budgetdefi­zits von 50 Milliarden Dollar fasst MbS eine Bildungsun­d Technologi­eoffensive ins Auge, die Förderung von Solarenerg­ie, die Entwicklun­g der Zukunftsst­adt Neom – sein Prestigepr­ojekt – am Roten Meer und den neuerlich verschoben­en, partiellen Börsengang des staatliche­n Ölkonzerns Aramco. Die Veräußerun­g eines Anteils von fünf Prozent, so die Rechnung, soll 100 Milliarden Dollar in die Staatskass­e spülen.

Im Privatlebe­n schwelgt Mohammed bin Salman im Luxus. 500 Millionen Dollar ließ sich der vierfache Vater eine Yacht in Frankreich kosten, 300 Mio. Dollar ein Schloss in der Nähe von Versailles. Und über einen Mittelsman­n soll er für 450 Mio. Dollar das teuerste Gemälde der Welt erworben haben: Leonardo da Vincis „Salvator Mundi“.

Den Kurs der Liberalisi­erung konterkari­ert der Kronprinz indessen mit einer aggressive­n Außenpolit­ik. Im Jemen führt er einen Stellvertr­eterkrieg gegen den Erzfeind Iran. Gegenüber Katar verhängte er eine Blockade. Als „impulsive Interventi­onspolitik“bezeichnet­e dies der deutsche Bundesnach­richtendie­nst. In Washington rannte er offene Türen für ein Ende des Atompakts mit dem Iran ein. Seine Zubilligun­g des Existenzre­chts gegenüber Israel, eines natürliche­n Verbündete­n in der Iran-Politik, war geschickt inszeniert. Trump und Kushner setzen in MbS auch alle ihre Hoffnungen in einen Nahost-Deal. Der 32-Jährige, eine Schlüsself­igur der internatio­nalen Geopolitik, hat sich viel vorgenomme­n.

»Nur der Tod kann mich aufhalten.« Daraus spricht enormes Selbstbewu­sstsein.

 ?? Getty Images ?? Mohammed bin Salman ist das neue Gesicht des saudischen Königreich­s: modern, weltoffen – und skrupellos beim Ausbau seiner Macht.
Getty Images Mohammed bin Salman ist das neue Gesicht des saudischen Königreich­s: modern, weltoffen – und skrupellos beim Ausbau seiner Macht.

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