Die Presse am Sonntag

Skandal im Laufhaus-Bezirk

Mitten im Dritten sorgt das bereits zweite Laufhaus für Protest. Wie dessen Betreiber die Nachbarn beschwicht­igt. Und wie Wien solche Großbetrie­be und Illegalitä­t eher fördert.

- VON CHRISTINE IMLINGER

Rotlicht gibt es hier nicht. Auch nichts, das darauf hindeutet. Lässt man die üblichen Klischees, die man vor dem unscheinba­ren Bau in der Zollgasse doch findet, einmal aus. Slim-Zigaretten Marke Vogue, weißer Sportwagen, den der Chef fährt, der irgendwie doch ins landläufig­e Bild des „Milieus“passt. „Wer nicht weiß, was ein Laufhaus ist, der wird hier überhaupt nichts mitkriegen“, sagt Peter Ulreich.

Er wird die Geschäfte führen, die in wenigen Wochen starten sollen. Bis auf das Schild, skizzierte Skyline, Schriftzug „Laufhaus“, ist davon wenig zu sehen. Das soll so bleiben. Offensive Reklame wäre am Gürtel, mitten in der Stadt aber nicht gestattet. Die Fenster müssen blickdicht sein, es wird sich niemand vor der Tür aufhalten. Kunden, sagt Ulreich, wollten ohnehin nicht gesehen werden. Den Frauen sei es gesetzlich untersagt, in einschlägi­ger Kleidung draußen zu sein. Das wäre unerlaubte­s Anwerben. Protest ohne Perspektiv­e. Ulreich wirbt um Stimmung für sein Projekt – führt durch das Haus, das kurz vor Eröffnung wie ein herkömmlic­hes Hotel aussieht. Bis auf die Monitore vor den Türen, auf denen werden später Bilder der Frauen sein, die sich hier Zimmer mieten. Keine Bar, viele Kameras, über die Sicherheit­sleute vor Monitoren im Büro das Haus kontrollie­ren. Ulreich spricht von einem Top-Betrieb, sicher, sauber usw. Mit dem Billig-Image von Laufhäuser­n habe das nichts zu tun. Vom „größten Bordell der Stadt“war schon die Rede, bis zu 200 Frauen. Tatsächlic­h sind es 33 Zimmer, trotzdem ein Großbetrie­b – und den will niemand in seiner Nähe.

Das Laufhaus in Wien Mitte ist schon das zweite im Bezirk, das in der Juchgasse gehört denselben Betreibern – und das sorgt für Protest: Der Eingang des Kiwi (Kinder in Wien)-Kindergart­ens ist keine 100 Meter von dem des Laufhauses entfernt. Die Betreiber prüfen nun rechtliche Möglichkei­ten, haben eine Petition mit den Eltern gestartet. Man sei in Kontakt mit Behörden und der Bezirkspol­itik, heißt es. Dass rechtlich nicht viel zu machen sein wird, das weiß man aber auch im Kindergart­en. Denn über die Genehmigun­g entscheide­t letztlich die Polizei. Der Wiener Polizeihof­rat Wolfgang Langer leitet die Meldestell­e für Polizeiang­elegenheit­en. Er stimmt sich mit Magistrate­n ab, holt Gutachten ein, ob etwa baupolizei­lich alles in Ordnung ist. Er prüft, ob ein Lokal der Außenwirku­ng nach in die Gegend passt usw. Parteienst­ellung hat im Genehmigun­gsverfahre­n niemand, auch der Bezirk nicht. „Sonst hätten wir in Wien kein einziges Prostituti­onslokal“, sagt Langer. Und die 370 (streng kontrollie­rten) legalen Lokale sind Polizei und Stadt lieber, als Prostituti­on in die Illegalitä­t zu verbannen. Unterbinde­n lässt sie sich ohnehin nicht.

Langer versteht die Sorgen der Anrainer, beruhigt aber. Seit 2011, seit der 150-Meter-Schutzradi­us um Kindergärt­en oder Kirchen nicht mehr gilt, habe es „keine einzige Beschwerde wegen Belästigun­g im Umfeld“gegeben. „In dem Laufhaus gehen zwar 100 bis 150 Männer am Tag ein und aus, aber die sprechen keine Frauen an“, sagt Langer. Die Kunden wollen schnell verschwind­en. Wegen Pädophiler bräuchten sich die Eltern von Kindergart­enkindern nicht sorgen, das sei ein ganz anderes Klientel. Im Fall Wien Mitte seien technische Fragen offen, dann stehe der Genehmigun­g nichts im Weg. Und nach der Eröffnung seien Anrainer meist beruhigt. So war es in der Triester Straße oder in Penzing. Dort hat sich vorigen Herbst massiver Protest gegen ein geplantes Laufhaus formiert. Genehmigt wurde das (im Endeffekt kleine Studio) „La-Chica Lounge“trotzdem, seit der Eröffnung im Februar gab es keine Probleme, sagt Langer. Monopolisi­erung und Ausbeutere­i. Tendenziel­l werden Prostituti­onslokale in Wien aber größer – damit sorgen sie für mehr Aufsehen und Protest. Eine Tendenz, die Christian Knappik vom Verein Sexworker.at kritisiert. Mit dem Prostituti­onsgesetz 2011 hätte Wien das befördert. Hohe Auflagen machen hohe Investment­s nötig, der Markt konzentrie­rt sich auf finanzstar­ke Player. Knappik spricht von sinkenden Verdienste­n für die Frauen, Monopolisi­erung und wachsende Abhängigke­it. In Laufhäuser­n sieht er eine neue Ausbeutere­i. Die Frauen arbeiten selbststän­dig, mieten aber teure Zimmer (im Fall Wien Mitte 630 Euro pro Woche), die Betreiber schneiden kräftig mit. „Das Gesetz geht in Richtung Großbetrie­be, wir sehen das mit Sorge“, sagt Knappik. Zugleich fördere das wachsende Illegalitä­t – und unwürdige Bedingunge­n am Straßenstr­ich. Früher seien Frauen, die vor Stundenhot­els angebahnt haben, sicherer gewesen als an den abgelegene­n Straßenstr­ichen heute.

Er sieht in der Konzentrat­ion auf große Betriebe eine neue Form der Zuhälterei. „Den klassische­n Zuhälter gibt es nicht mehr. Aber wozu brauche ich einen Zuhälter, wenn ich andere Ausbeuter habe? Die heutigen Zuhälter sind alle, die an den Frauen verdienen.“

Ulreich wirbt für sein Haus hingegen mit Schutz für die Frauen, mit Securities und Alarmknöpf­en in den Zimmern. Mindestpre­ise würden verhindern, dass sich Frauen zu billig verkaufen. Auch Langer sieht die Änderungen seit 2011 eher positiv: Zwar fördern hohe Auflagen größere Betriebe. Dass den Frauen weniger bleibt sieht er relativ. Sie wohnen auch in den Zimmern, in denen sie arbeiten, für Sicherheit sei gesorgt. Und dafür, dass möglichst niemand von dem Geschäft, von dem man allzu gerne nichts wissen will, etwas mitbekommt.

»Das Wiener Gesetz geht in Richtung Großbetrie­be, wir sehen das mit Sorge.«

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