Skandal im Laufhaus-Bezirk
Mitten im Dritten sorgt das bereits zweite Laufhaus für Protest. Wie dessen Betreiber die Nachbarn beschwichtigt. Und wie Wien solche Großbetriebe und Illegalität eher fördert.
Rotlicht gibt es hier nicht. Auch nichts, das darauf hindeutet. Lässt man die üblichen Klischees, die man vor dem unscheinbaren Bau in der Zollgasse doch findet, einmal aus. Slim-Zigaretten Marke Vogue, weißer Sportwagen, den der Chef fährt, der irgendwie doch ins landläufige Bild des „Milieus“passt. „Wer nicht weiß, was ein Laufhaus ist, der wird hier überhaupt nichts mitkriegen“, sagt Peter Ulreich.
Er wird die Geschäfte führen, die in wenigen Wochen starten sollen. Bis auf das Schild, skizzierte Skyline, Schriftzug „Laufhaus“, ist davon wenig zu sehen. Das soll so bleiben. Offensive Reklame wäre am Gürtel, mitten in der Stadt aber nicht gestattet. Die Fenster müssen blickdicht sein, es wird sich niemand vor der Tür aufhalten. Kunden, sagt Ulreich, wollten ohnehin nicht gesehen werden. Den Frauen sei es gesetzlich untersagt, in einschlägiger Kleidung draußen zu sein. Das wäre unerlaubtes Anwerben. Protest ohne Perspektive. Ulreich wirbt um Stimmung für sein Projekt – führt durch das Haus, das kurz vor Eröffnung wie ein herkömmliches Hotel aussieht. Bis auf die Monitore vor den Türen, auf denen werden später Bilder der Frauen sein, die sich hier Zimmer mieten. Keine Bar, viele Kameras, über die Sicherheitsleute vor Monitoren im Büro das Haus kontrollieren. Ulreich spricht von einem Top-Betrieb, sicher, sauber usw. Mit dem Billig-Image von Laufhäusern habe das nichts zu tun. Vom „größten Bordell der Stadt“war schon die Rede, bis zu 200 Frauen. Tatsächlich sind es 33 Zimmer, trotzdem ein Großbetrieb – und den will niemand in seiner Nähe.
Das Laufhaus in Wien Mitte ist schon das zweite im Bezirk, das in der Juchgasse gehört denselben Betreibern – und das sorgt für Protest: Der Eingang des Kiwi (Kinder in Wien)-Kindergartens ist keine 100 Meter von dem des Laufhauses entfernt. Die Betreiber prüfen nun rechtliche Möglichkeiten, haben eine Petition mit den Eltern gestartet. Man sei in Kontakt mit Behörden und der Bezirkspolitik, heißt es. Dass rechtlich nicht viel zu machen sein wird, das weiß man aber auch im Kindergarten. Denn über die Genehmigung entscheidet letztlich die Polizei. Der Wiener Polizeihofrat Wolfgang Langer leitet die Meldestelle für Polizeiangelegenheiten. Er stimmt sich mit Magistraten ab, holt Gutachten ein, ob etwa baupolizeilich alles in Ordnung ist. Er prüft, ob ein Lokal der Außenwirkung nach in die Gegend passt usw. Parteienstellung hat im Genehmigungsverfahren niemand, auch der Bezirk nicht. „Sonst hätten wir in Wien kein einziges Prostitutionslokal“, sagt Langer. Und die 370 (streng kontrollierten) legalen Lokale sind Polizei und Stadt lieber, als Prostitution in die Illegalität zu verbannen. Unterbinden lässt sie sich ohnehin nicht.
Langer versteht die Sorgen der Anrainer, beruhigt aber. Seit 2011, seit der 150-Meter-Schutzradius um Kindergärten oder Kirchen nicht mehr gilt, habe es „keine einzige Beschwerde wegen Belästigung im Umfeld“gegeben. „In dem Laufhaus gehen zwar 100 bis 150 Männer am Tag ein und aus, aber die sprechen keine Frauen an“, sagt Langer. Die Kunden wollen schnell verschwinden. Wegen Pädophiler bräuchten sich die Eltern von Kindergartenkindern nicht sorgen, das sei ein ganz anderes Klientel. Im Fall Wien Mitte seien technische Fragen offen, dann stehe der Genehmigung nichts im Weg. Und nach der Eröffnung seien Anrainer meist beruhigt. So war es in der Triester Straße oder in Penzing. Dort hat sich vorigen Herbst massiver Protest gegen ein geplantes Laufhaus formiert. Genehmigt wurde das (im Endeffekt kleine Studio) „La-Chica Lounge“trotzdem, seit der Eröffnung im Februar gab es keine Probleme, sagt Langer. Monopolisierung und Ausbeuterei. Tendenziell werden Prostitutionslokale in Wien aber größer – damit sorgen sie für mehr Aufsehen und Protest. Eine Tendenz, die Christian Knappik vom Verein Sexworker.at kritisiert. Mit dem Prostitutionsgesetz 2011 hätte Wien das befördert. Hohe Auflagen machen hohe Investments nötig, der Markt konzentriert sich auf finanzstarke Player. Knappik spricht von sinkenden Verdiensten für die Frauen, Monopolisierung und wachsende Abhängigkeit. In Laufhäusern sieht er eine neue Ausbeuterei. Die Frauen arbeiten selbstständig, mieten aber teure Zimmer (im Fall Wien Mitte 630 Euro pro Woche), die Betreiber schneiden kräftig mit. „Das Gesetz geht in Richtung Großbetriebe, wir sehen das mit Sorge“, sagt Knappik. Zugleich fördere das wachsende Illegalität – und unwürdige Bedingungen am Straßenstrich. Früher seien Frauen, die vor Stundenhotels angebahnt haben, sicherer gewesen als an den abgelegenen Straßenstrichen heute.
Er sieht in der Konzentration auf große Betriebe eine neue Form der Zuhälterei. „Den klassischen Zuhälter gibt es nicht mehr. Aber wozu brauche ich einen Zuhälter, wenn ich andere Ausbeuter habe? Die heutigen Zuhälter sind alle, die an den Frauen verdienen.“
Ulreich wirbt für sein Haus hingegen mit Schutz für die Frauen, mit Securities und Alarmknöpfen in den Zimmern. Mindestpreise würden verhindern, dass sich Frauen zu billig verkaufen. Auch Langer sieht die Änderungen seit 2011 eher positiv: Zwar fördern hohe Auflagen größere Betriebe. Dass den Frauen weniger bleibt sieht er relativ. Sie wohnen auch in den Zimmern, in denen sie arbeiten, für Sicherheit sei gesorgt. Und dafür, dass möglichst niemand von dem Geschäft, von dem man allzu gerne nichts wissen will, etwas mitbekommt.
»Das Wiener Gesetz geht in Richtung Großbetriebe, wir sehen das mit Sorge.«