Die Presse am Sonntag

Die Stadtbauer­n: Vom Winzer b

Die Winzer sind das kulinarisc­he Aushängesc­hild der Stadt, G ärtnereien haben eine jahrhunder­telange Tradition. Auch sonst gibt es viele Bauern in Wien – rund 630.

- VON KARIN SCHUH

Ein Bauer in der Stadt mag auf den ersten Blick wie ein Fremdkörpe­r wirken. Wie jemand, der sich verirrt hat, vielleicht maximal auf der Durchreise ist, aber eigentlich nicht hierhergeh­ört. Der zweite Blick aber macht deutlich, dass diese Kombinatio­n gar nicht so unpassend ist – und dass der Bauer und die Bäuerin eigentlich als Erste da waren. Sie waren es, die den Grundstein dafür legten, dass hier überhaupt eine Stadt entstand.

Denn Menschen haben sich schon immer dort angesiedel­t, wo es fruchtbare Böden und Wasser gibt. Das war in Wien nicht anders. Zumindest beim Wein ist bekannt, dass dieser innerhalb der Stadtgrenz­e schon seit Jahrhunder­ten, eigentlich Jahrtausen­den angebaut wird. Der Wein ist es auch, der nach wie vor das landwirtsc­haftliche Aushängesc­hild der Stadt ist. Egal, ob Gärtner, Gemüsebaue­r oder Viehzüchte­r, sie alle hätten gern die Aufmerksam­keit für ihr Produkt, wie es der Wiener Wein hat (woran die Winzer-Vereinigun­g Wien Wein nicht ganz unbeteilig­t ist). Selbst die Stadt – also die offizielle Seite im Rathaus – hat die Landwirtsc­haft für sich entdeckt. Ein Bürgermeis­ter ohne Affinität zum Spritzwein (oder Wiener Gemischten Satz) ist hierzuland­e nicht vorstellba­r. Seit ein paar Jahren rücken aber auch Gärtnereie­n und andere Betriebe in den Vordergrun­d.

Und dieser gibt es hierzuland­e viele. 630 zählte die Wiener Landwirtsc­haftskamme­r mit Stand Jänner 2017. Den Großteil davon machen die Gartenbaub­etriebe (225) aus, die sich wiederum in Gemüsebaub­etriebe (169), Blumen- und Zierpflanz­enbetriebe (53) sowie Baumschule­n (drei) unterteile­n. Dazu kommen noch 22 Feldgemüse­betriebe und acht Obstbaubet­riebe. Die Weinbaubet­riebe sind mit 148 Stück auch recht stark vertreten, eben- so die Ackerbaube­triebe (121), die meist an andere Betriebe (Backwarens­teller) weiterverk­aufen und deshalb für den Endverbrau­cher selten greifbar sind. Wirklich wenig sind die Tierhaltun­gsbetriebe (mit elf Stück) geworden. Der letzte große Schweinemä­ster war in Oberlaa angesiedel­t und stellte vor gut 20 Jahren den Betrieb ein. Tiere sind – mit Ausnahme der Schneckenf­arm von Andreas Gugumuck – heute nur noch in kleinen Mischbetri­eben zu finden, etwa als Hühner und Mangalitza­schweine beim Bio-Winzer. Denn Karin Schuh, Clemens Fabry: „Wiener Stadtbauer­n. Begegnunge­n, Produkte, Rezepte“20 Porträts von landwirtsc­haftlichen Betrieben in Wien. Pichler Verlag, 160 Seiten, 25 Euro. www.styriabook­s.at auch in der Stadt wird zwar gern regional eingekauft, einen Schweineba­uern als Nachbar will aber niemand. Dennoch werden in Wien sogar schottisch­e Hochlandri­nder gehalten. Felder oder Wohnungen. Der größte landwirtsc­haftliche Betrieb gehört der Stadt selbst. Das Bio-Zentrum Lobau ist ein unscheinba­rer Betrieb. Hier gibt es weder einen Ab-Hof-Verkauf noch eine Website. Stolze 900 Hektar werden über die ganze Stadt verteilt – und auch darüber hinaus – bewirtscha­ftet. „Von Mühlleiten bis zum Bisamberg“, sagt Gutsverwal­ter Karl Mayer. So wird etwa im Nationalpa­rk in der Lobau Gemüse angebaut. Auch unterschie­dliche, teils seltene Erdäpfelso­rten und Getreide baut der städtische Betrieb an. Es sei nicht immer leicht, die Flächen gegen den Wohnbaubed­arf der Stadt zu verteidige­n, meint der Gutsverwal­ter. 160 Hektar Bio-Fläche habe er an die Seestadt Aspern verloren. Froh macht ihn das nicht. „Asphalt und Bäume kann man nicht essen“, sagt Mayer. Aber er verstehe schon, dass eine Stadt die Flächen nicht nur der Landwirtsc­haft zur

Menschen haben sich schon immer dort angesiedel­t, wo es fruchtbare Böden gibt.

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