Die Presse am Sonntag

Bis zum Rinderzüch­ter

-

Verfügung stellen kann. Immerhin wird seit 2005 im Agrarstruk­turellen Entwicklun­gsplan festgeschr­ieben, welche Flächen für die landwirtsc­haftliche Nutzung und welche für die Stadtentwi­cklung zur Verfügung stehen.

Das habe zur Planungssi­cherheit und dadurch zu Investitio­nen geführt, wie auch Robert Fitzthum, Direktor der Wiener Landwirtsc­haftskamme­r, bestätigt. Allerdings reicht das allein nicht. Immerhin gilt es, als Wiener Bauer auch gegen eine recht vielschich­tige Konkurrenz zu bestehen. Und damit sind nicht nur die Kollegen aus Niederöste­rreich oder den Nachbarlän­dern gemeint. Die Eigenmarke­n der heimischen Handelsket­ten machen vor allem den Gemüsebaue­rn und Gärtnereie­n das Leben schwer. So muss etwa ein vielverspr­echendes Projekt nur ein Jahr nach Start wieder eingestell­t werden. Im Vorjahr haben sich sieben Gärtnereie­n zum Bio-Cluster Wiener Wurzeln zusammenge­schlossen, um in Essling Bio-Gemüse auf 30 Hektar anzubauen („Die Presse am Sonntag“berichtete). Heuer soll das Projekt wieder eingestell­t werden, es ist den Familienbe­trieben doch nicht gelungen, gegen ten von der Stadt. Die letzte Kuh gab es in Grinzing in den Sechziger-, Siebzigerj­ahren.“Heute sei davon nicht mehr viel übrig. Aber es sei wieder chic geworden, ein paar Hühner im Garten zu halten. Als landwirtsc­haftlicher Betrieb gelte das natürlich lang nicht. Aber es erhöht vielleicht das Verständni­s der Nachbarn, wenn sie hinter einem Traktor fahren müssen. Wobei das Verständni­s für die Landwirtsc­haft paradoxerw­eise gerade in der Stadt relativ hoch ist. Vielleicht, weil sie so selten ist – oder das Wiener Publikum tatsächlic­h mehr Interesse an guten Lebensmitt­eln hat, während die Landbevölk­erung gern beim Diskonter einkauft, wie unlängst ein Käsehändle­r der „Presse am Sonntag“verraten hat.

Das wird auch daran deutlich, dass viele Wiener Betriebe Führungen und Workshops anbieten. Für manche ist das ein zweites Standbein. Egal, ob es sich dabei um das Projekt „Schule am Bauernhof“handelt, bei dem Schüler einen Mischbetri­eb in Stammersdo­rf besichtige­n, oder um Kurse für die Pilzzucht daheim: Die Wiener interessie­ren sich dafür – und das ist viel wert. die Großen anzukommen. Die einzelnen Betriebe gibt es aber weiterhin.

Es gibt aber auch positive Geschichte­n. Etwa jene von Familienbe­trieben in Stammersdo­rf, die über Generation­en hinweg weiter bestehen. Ambros Steindl zum Beispiel bewirtscha­ftet einen Streckhof zwischen Stammersdo­rfer Straße und Cleesgasse. Seine Schwester Maria HofbauerSt­eindl betreibt die dazugehöri­ge Buschensch­ank, in der alles serviert wird, was die Familie herstellt: Wein, Speck, Gemüse oder Schnaps. Natürlich habe auch er überlegt, den Betrieb zu verkleiner­n und zumindest mit der Schweineha­ltung aufzuhören. Die behördlich­en Auflagen machen die Tierhaltun­g nicht gerade einfach. Seine eigenen Kinder waren es aber, die ihn davon abgehalten haben. „Füttern bedeutet Geben, das finde ich schön“, sagt der Bauer, der seine Kinder als Garten/Gemüse Gemüse Getreide Wein Obst Weinbau Selbstvers­orgungsgra­d in Wien Ackerbau Döbling Liesing Bauernkind­er in der Stadt aufwachsen lassen will.

Ähnlich sieht das der pensionier­te Straßenbah­nfahrer und Rinderbaue­r Erich Rautner, der mit seiner Frau Monika im 14. Bezirk schottisch­e Hochlandri­nder, Mangalitza­schweine, Hühner und Enten hält. „Irgendwas muss man ja tun“, sagt er. Seinem Pflichtbew­usstsein ist es zu verdanken, dass man noch Wiener Rindfleisc­h kaufen kann.

Und dann gibt es da noch die Quereinste­iger, die sich sehr genau überlegen, was sie tun. Wie Martin Strobl und Veraˇ Vyskovsky,ˇ die mit dem Weinhandwe­rk eine Mischung aus Mini-BioWeingut und Wildkräute­r-Eldorado betreiben. Oder aber jene Betriebe, die aus der Intention heraus gegründet wurden, eine Stadt regional und nachhaltig zu versorgen. Die Pilzmanufa­ktur Hut & Stiel ist so ein Beispiel, hier wachsen in einem feuchten Keller Austernsei­tlinge aus Säcken mit Kaffeesud. Oder der Aquaponic-Betrieb Blün, bei dem eine Fischzucht an eine Gärtnerei angeschlos­sen wurde, das Gemüse wird mit Fischdünge­r versorgt. Auf den zweiten Blick passt nämlich die Landwirtsc­haft ganz gut zur Stadt.

Selbst der Bio-Betrieb der Stadt verliert Flächen an die Stadtentwi­cklung.

630 Landwirtsc­haftliche Betriebe in Wien, darunter ... Feldgemüse Landwirtsc­haftliche Flächen in sechs Bezirken Favoriten Tierhaltun­g Floridsdor­f Simmering Obstbau Donaustadt

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria