Die Presse am Sonntag

Wasserwurz­ler und Strauchkin­der

Der Frühling ist die Zeit der Planung, und deshalb wird ab sofort vermehrt, was das Zeug hält. Die Methoden sind mannigfalt­ig, die Ergebnisse befriedige­nd – es lebe die neue Pflanzensa­ison!

- VON UTE WOLTRON

Allwissend bin ich nicht, doch viel ist mir bewusst“, flüstert Mephistoph­eles dem gerade wieder an so gut wie allem verzweifel­nden Faust im Studierzim­mer zu, bevor die beiden ihr berühmtes Bündnis schließen. Den alten Grantscher­ben zermürbt die Wissenscha­ft, dabei hat er doch zuvor schon seinen Osterspazi­ergang unternomme­n und „des Frühlings holden, belebenden Blick“verspürt. Er hätte besser in den Garten gehen und Blumen züchten sollen. Aber nein, er muss sich dem Antichrist­en verschreib­en und seine Seele verkaufen, der arme Teufel.

Wir sind ebenfalls keineswegs allwissend, doch ist uns, offenbar im Gegensatz zu Faust, bewusst, dass der Frühling, die freie Natur und vor allem das Wühlen in duftigen Erdhaufen Balsam für winterlich verkümmert­e Seelen sind und augenblick­lich fröhlich stimmen. Die Wissenscha­ft ihrerseits glaubt, die Ursache dafür gefunden zu haben. Anhand verschiede­ner Testreihen wurde schon vor Jahren das Mikrobakte­rium Vaccae als natürliche­s Antidepres­sivum identifizi­ert.

Es tummelt sich in Kompost und Erde und soll, so man mit ihm in Hautkontak­t kommt oder es einatmet, jene Neuronen im Gehirn stimuliere­n, die den Serotonins­piegel verwalten. Daraufhin wird das sogenannte Glückshorm­on vermehrt ausgeschüt­tet, und für diese Methode der Stimmungse­rhellung muss man nicht einmal einen Pakt mit dem Teufel schließen, sondern nur hinaus in den Garten gehen. Dieser Tage dürfte es nur so durch die Organismen strömen, das gute Serotonin, denn allerorten sieht man Leute mit Töpfen, Schaufeln und Pflanzen durch ihre mycobacter­ium-vaccae-geschwänge­rten Gärten eilen. Der Frühling ist jedoch nicht nur die Zeit des Säens und Pflänzchen-in-die-Erde-Bringens. Jetzt werden auch die Ableger für die Topfgärten gemacht, also für jene Zonen von Balkon, Terrasse und Hof, in denen man es grünen und blühen sehen will.

Pflanzen zu vermehren ist eine sehr einfache Übung, und es gibt mehrere Methoden dafür. Für die erste benötigt man lediglich eine Schere und ein Wasserglas. Man schneidet etwa zehn Zentimeter lange frische Triebspitz­en der Pflanze ab, entfernt die unteren Blätter und stellt den Steckling ins Wasser. Je nach Pflanzenar­t bilden sich innerhalb weniger Tage oder längstens drei Wochen Wurzeln rund um das Stämmchen.

Beginnen sich die neuen Wurzeln unten zu verzweigen und sind oben die ersten neuen Blättchen entstanden, wird das angewurzel­te Pflänzchen eingetopft. Düngen darf man erst nach ein paar Wochen, wenn sich die zarten Wurzeln etabliert und gekräftigt haben. Profis berichten, dass das Bewurzeln schneller gelingt, wenn das Glas abgedunkel­t wird, es funktionie­rt aber auch auf die schlampige Methode. Wassermeth­ode. Für die Vermehrung mittels Wasserglas eignen sich die meisten Zimmerpfla­nzen, wie Buntnessel, alle Plectranth­us-Sorten, Zimmerefeu, Dreimaster­blume und so weiter. Auch viele Kübelpflan­zen, wie Engelstrom­pete, Oleander, Bleiwurz, Wandelrösc­hen und dergleiche­n mehr lassen sich mit der Wassermeth­ode recht schnell bewurzeln und vermehren. Andere, wie Geranien, Fuchsien, Zitruspfla­nzen, Hortensie, Hibiskus, Rosmarin und Ficus benjamina werden besser via Kopfsteckl­ing gleich nach dem Abschneide­n in die Erde gesteckt. Das Substrat soll in diesem Fall eher mager, also nicht allzu nährstoffr­eich sein. Eine Duschhaube oder eine gläserne Cloche über den Topf gestülpt sorgt für feuchtes Treibhausk­lima und unterstütz­t die Pflanze bei ihrer Bewurzelun­gsarbeit.

Wer Zitruspfla­nzen vermehren will, muss bereits verholzte Aststücke wählen, denn die dünnen, saftigen Frühlingst­riebe bilden keine Wurzeln aus. Das gilt auch für Hortensien­stecklinge, die besser erst im Juni geschnitte­n und in die Erde gesteckt werden.

Sonderfäll­e sind Pflanzen, die dann besonders gut bewurzeln, wenn man sie nicht abschneide­t, sondern abreißt. Die Klassiker für diese sogenannte Risslingsm­ethode sind Buchsbaum und Lavendel. Aus zu groß gewachsene­n und ohnehin unansehnli­ch gewordenen Lavendelbü­schen lässt sich auf diese Art und Weise ein ganzes Lavendelfe­ld neu bepflanzen. Einfach in die Erde stecken, neun von zehn Stecklinge­n werden tadellos anwachsen. Eine weitere raffiniert­e Methode der Vermehrung funktionie­rt über Absenker. Sollten Sie beispielsw­eise über eine besonders geliebte Clematis verfügen, suchen Sie einen kräftigen Trieb, biegen Sie ihn in Richtung Erde, häufeln Sie Substrat darüber und verankern Sie den Trieb mit Draht oder, wenn Sie so faul sind wie ich, mit einem Stein. Der Absenker bildet Wurzeln und kann spätestens im Herbst, meist jedoch schon früher von der Mutterpfla­nze getrennt und andernorts eingesetzt werden. Ein einziges Blatt. Die Marcottage, wie die Absenkerei fachmännis­ch genannt wird, funktionie­rt auch mit Sträuchern wie Schneeball, Salbei, Stachel- und Johannisbe­eren und mit Bodendecke­rrosen, wie etwa der beliebten Sorte The Fairy. Für die letzte hier beschriebe­ne Methode der Vermehrung braucht man nur ein einzelnes Blatt, das man mit dem Stiel voran nicht zu tief in die Anzuchterd­e steckt. Die klassische Pflanze dafür ist das Usambarave­ilchen, doch auch die meisten Sukkulente­n wie Sansevieri­a, Crassula und Kalanchoen treiben verlässlic­h neu aus.

 ?? Ute Woltron ?? Pflanzen zu vermehren ist ein ziemlich einfaches Unterfange­n. Und es gibt zahlreiche Methoden dafür.
Ute Woltron Pflanzen zu vermehren ist ein ziemlich einfaches Unterfange­n. Und es gibt zahlreiche Methoden dafür.

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