Die Presse am Sonntag

Aus für Lehre für Asylwerber?

Die Regierung verschärft das Asylgesetz. Die Ausbildung­serlaubnis für junge Asylwerber könnte fallen.

- VON JEANNINE BINDER

Bundeskanz­ler Sebastian Kurz ist nicht glücklich mit der aktuellen Situation. Man habe die Grenzen zwischen der Suche nach Schutz und der Suche nach einem Arbeitspla­tz verschwimm­en lassen. Das sei ein Fehler gewesen. „Das gehört jetzt schrittwei­se korrigiert“, sagte er am Donnerstag­abend auf Puls4. Kurz will die illegale Zuwanderun­g weiter reduzieren. Asylanträg­e sollen in den Herkunftsl­ändern gestellt werden. Die Regierung arbeitet an einer Verschärfu­ng des Asylgesetz­es. Es soll im Spätsommer fertig sein.

Fällt dabei die Erlaubnis für junge Asylwerber, eine Lehre zu machen? Im Bundeskanz­leramt will man dazu noch nicht konkret werden, man sei in Gesprächen mit dem Koalitions­partner. Es sei aber davon auszugehen, dass auch in diesem Bereich eine neue Regelung geschaffen wird. Unter-25-Jährige, die in Österreich auf ihren Asylbesche­id warten, dürfen eine Lehre in einem Mangelberu­f beginnen. Vorausgese­tzt, es wurde weder ein Österreich­er noch ein gut integriert­er Migrant für den Job gefunden. Diese Ausnahme vom Arbeitsver­bot für Asylwerber wurde 2012 von Sozialmini­ster Hundstorfe­r (SPÖ) verordnet. Das damals ÖVP-geführte Innenminis­terium sprach sich dagegen aus. Rechtlich nicht möglich. Die Tatsache, das jemand eine Lehre absolviere, könne die Entscheidu­ngsfindung, ob Asyl gewährt wird oder nicht, keinesfall­s ersetzen, heißt es heute aus dem Kabinett von Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ). Wiewohl der Umstand in die Entscheidu­ng mit einfließe. „Rechtsstaa­t muss Rechtsstaa­t bleiben“, heißt es in einer Stellungna­hme. Der oberösterr­eichische Grünen Landesrats Rudi Anschober schlägt in einer Petition vor, das deutsche „3plus2-Modell“einzuführe­n. In Deutschlan­d dürfen Lehrlinge während der Dauer ihrer Ausbildung und den ersten beiden vollen Berufsjahr­en nicht abgeschobe­n werden. Sie werden in dieser Zeit geduldet, das Asylverfah­ren läuft weiter. Anschober schätzt, dass ein Drittel der 865 Asylwerber, die in Österreich eine Lehre machen, einen negativen Asylbesche­id in erster Instanz bekommen hat.

Das Thema Fachkräfte und Asyl sollte man nicht vermischen, heißt es dazu aus dem Wirtschaft­sministeri­um. Es gebe 10.000 Lehrstelle­nsuchende in Österreich und 20.000 offene Lehrstelle­n. Das deutsche „3plus2“-Modell könne man in Österreich aufgrund der rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen nicht anwenden. Eine Rechtsprec­hung des Verfassung­sgerichtsh­ofs besage, dass Asylwerber, wenn sie eine gewisse Dauer im Land sind, keinen negativen Asylbesche­id mehr bekommen können. Damit würde das deutsche Modell automatisc­h ein Bleiberech­t auslösen, so die Begründung. Auch Bundeskanz­ler Kurz gab sich im TV skeptisch: „Die Frage ist: Was bringt dieses Modell?“, sagte er auf Puls4. Kammer unterstütz­t Regierung. Landesrat Anschober sieht das anders. Das deutsche Modell würde auch in Österreich funktionie­ren, das Bleiberech­t sei immer eine Einzelents­cheidung. „Wir haben in Österreich einen Facharbeit­ermangel und schieben Menschen mitten in der Ausbildung ab. Das ist in meinen Augen verrückt.“

In der Wirtschaft­skammer unterstütz­t man die Position der Regierung. „Die beste Lösung wäre, wenn die Asylverfah­ren möglichst rasch abgewickel­t würden. Dann stellt sich diese Frage gar nicht“, sagt Martin Gleitsmann, Leiter der Abteilung Sozialpoli­tik. Der Plan seien sechs Monate pro Antrag, in der Realität dauere es oft viel länger. Es werde aber besser. „Ein Betrieb, der einen Asylwerber in die Lehre nimmt, möchte natürlich, dass er sie abschließe­n kann. Aber man kann sich immer nur auf dem Boden des Aufenthalt­srechts bewegen.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria