Wort der Woche
BEGRIFFE DER WISSENSCHAFT
In Sachen Wissenschaft und Forschung holt China mit Riesenschritten auf. Auf dem Weg zur globalen technologischen Führungsmacht liegen aber noch einige große Steine.
Beim Handelskrieg zwischen den USA und China geht es in erster Linie um Macht: um die politische Vorherrschaft im Pazifikraum und in der Welt, um wirtschaftliche Interessen, auch um den Einfluss der Führungskreise. Im Hintergrund tobt freilich ein anderer Wettstreit: nämlich jener, wer die technologische Entwicklung anführen wird – und das ist entscheidend für die langfristige Entwicklung.
Laut Statistiken ist China drauf und dran, die Führungsrolle in der akademischen Welt zu übernehmen. Zwischen 2005 und 2015 hat sich die Zahl der Universitäten auf 2560 verdoppelt. Die Zahl der Uni-Absolventen hat sich binnen 20 Jahren auf acht Millionen – doppelt so viele wie in den USA – verzehnfacht. Die Ausgaben für Forschung sind längst höher als in der EU. Und der Anteil Chinas an den weltweiten wissenschaftlichen Publikationen ist von 6,4 Prozent (2003) auf 18,2 Prozent (2013) gestiegen – die USA kamen auf 18,8 Prozent.
Die Strategie der Regierung in Peking, Innovation zur treibenden Kraft zu machen und ab 2030 die globale Technologieführerschaft innezuhaben, scheint also zu fruchten. Allerdings erzählen diese Zahlen nur die halbe Wahrheit, denn sie sagen kaum etwas über die Qualität von Wissenschaft und Forschung aus. Und da gibt es Zweifel.
US-Forscher um Richard Appelbaum (UC Santa Barbara) wollten das nun genauer wissen und haben – erstmals – eine Befragung unter 18.000 Wissenschaftlern an naturwissenschaftlichen und technischen Fakultäten der Top-25-Universitäten Chinas durchgeführt. Obwohl die Rücklaufquote mit nur vier Prozent bescheiden war, bestätigen die Ergebnisse alle landläufigen Vorurteile: Als größtes Problem geben die Forscher die Fokussierung auf kurzfristigen Erfolg an – daher würden kaum längerfristige Projekte durchgeführt. Auf Platz zwei der Problemliste liegt die Art der Forschungsförderung, bei der es vor allem auf persönliche Beziehungen – guanxi – ankomme. Große Sorgen bereiten überdies die hohe Bürokratie und die staatliche Einflussnahme auf die Wissenschaft (PlosOne, 3. 4.).
Appelbaums Fazit: „Es gibt viele Herausforderungen, die überwunden werden müssen, damit China jene innovativen Denker hervorbringen kann, die für das Erreichen der ambitionierten Ziele notwendig sind.“Die Angst, dass China schon in nächster Zeit die Technologieweltherrschaft übernimmt, scheint also übertrieben. Doch die Entwicklungsrichtung ist klar – auf historischem Lorbeer darf sich der Westen jedenfalls nicht ausruhen. Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.