Die Presse am Sonntag

Andern wegen Trump

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erinnert sich aber an die vielen Geschichte­n, die in seiner Familie über das Vorkriegs-Wien kursieren. Großvater Moses war angesehene­r Arzt, Großmutter Fani eine meisterhaf­te Bäckerin. Am liebsten erzählten sie ihren Enkeln vom Schifahren am Schneeberg. Lieber Strache als Trump. Dennoch läuft der Journalist nicht Gefahr, seine potenziell­e neue Heimat zu sehr zu verklären. Die politische Entwicklun­g beobachtet er mit Argusaugen, die türkisblau­e Regierung bereitet ihm ebenso Sorgen wie der zunehmende Antisemiti­smus, der durch die steigende Anzahl gemeldeter Zwischenfä­lle dokumentie­rt ist. Dennoch zieht er die Situation hierzuland­e dem Chaos in Washington ohne zu zögern vor: „Immerhin haben die Österreich­er einen grünen Präsidente­n gewählt. Das war schon ein starkes Zeichen“, sagt Sanders. Seinen Mitbürgern traut er zu, Trump ein zweites Mal zu wählen – auch so ein Grund, sich die Option einer österreich­ischen Staatsbürg­erschaft warmzuhalt­en.

Von dieser Option hatte Eric Jacobs bis vor kurzem allerdings nicht den blassesten Schimmer. Der Mittdreißi­ger hörte zufällig auf einer Weihnachts­party von der Möglichkei­t, dass die Nachfahren von NS-Verfolgten deren erloschene Staatsbürg­erschaft für sich beanspruch­en können. Die Erkenntnis erschütter­te den aus Washington D.C. stammenden Musiker: „Ich war einfach nur baff. Niemand in meiner Familie wusste davon. Ich wünschte, ich hätte schon viel früher davon gehört.“

Jacobs ist Profi-Klarinetti­st, seine Karriere führte ihn bereits zur Los Angeles Philharmon­ic oder zur Seattle Symphony. Mit österreich­ischem Pass hätte sich für ihn auch eine Tür in die europäisch­e Musikwelt geöffnet, ist er sich sicher. Er erinnert sich noch an die Erzählunge­n seiner Großmutter, die selber eine große Musikfreun­din war und bis zum Anschluss in Wien lebte – in einer Wohnung mit Blick auf die Staatsoper. Ihr Bruder, Jacobs Großonkel, wurde nach der Emigration MusikProfe­ssor an der Universitä­t von Chicago. Jacobs selbst schwärmt von den Wiener Philharmon­ikern, findet aber, dass sie nicht noch mehr „white du-

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KK/Privat Katie Jennings will ab Herbst in Italien leben. Musiker Eric Jacobs will nach Wien, von wo seine Großmutter floh.
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