Die Presse am Sonntag

»Ich bete für Harvey Weinstein«

Rosanna Arquette zählt zu jenen Schauspiel­erinnen, die Harvey Weinstein im Bademantel abgewiesen haben. Im Gespräch schildert sie die Folgen für ihre Karriere, erklärt, wie sie ihr eigenes, schnattern­des Gehirn beruhigt – und was das Geheimnis einer lange

- VON RÜDIGER STURM

Man bekam Sie in den letzten Jahren nicht sehr häufig zu sehen. Warum? Rosanna Arquette: Das ist das klassische Dilemma: Es ist nun einmal schwer, in meinem Alter gute Rollen zu finden. Früher wollte ich auch nicht so viel arbeiten, weil ich meine Tochter nicht allein lassen wollte. Wobei ich natürlich wieder etwas zu tun bekomme. Vor allem kriege ich Angebote für kleine Filme. Und deshalb bin ich umso dankbarer, dass ein Produzent wie Arthur Cohn mich für „Das etruskisch­e Lächeln“haben wollte. Es dauerte lang, diesen Film zu realisiere­n, aber für ihn war ich immer erste Wahl für die Rolle. Es hat in Ihrem Leben auch Produzente­n gegeben, die Ihre Karriere maßgeblich blockiert haben . . . Natürlich. Dieses Monster Harvey Weinstein. Ich hoffe, er wird verurteilt. Sie gehörten ja zu den ersten Frauen, die seine Übergriffe publik machten. Nicht zu vergessen Rose McGowan und Asia Argento. Es gibt natürlich Leute, die uns Frauen auseinande­rbringen wollen. Man warnte mich, ich solle Rose nicht unterstütz­en, weil sie verrückt sei. Aber ich werde ihr immer den Rücken stärken. Sie ist eine Powerfrau und begabte Autorin, die sich mit dem System anlegt. Da ist es logisch, dass sie attackiert wird. Und Weinstein hat Ihnen in Ihrer Laufbahn Steine in den Weg gelegt? Das Ganze lief so: Ich sollte für ihn einen Film mit Gary Oldman machen und deshalb mit ihm im Beverly Hills Hotel essen. Als ich ankam, wurde ich in Harveys Suite gebeten, was mich misstrauis­ch machte. Dann kam er in seinem weißen Bademantel auf mich zu und meinte, ob ich etwas gegen seinen steifen Nacken tun könnte. Ich wich zurück, wollte ihm eine Masseuse bestellen, da packte er mich, nahm meine Hand und wollte sie auf seinen erigierten Penis legen. Er meinte: „Schau, was ich für die und die Schauspiel­erin gemacht habe.“Aber ich entgegnete: „Ich werde nie so ein Mädchen sein“und machte mich aus dem Staub. Am nächsten Tag war meine Karriere eine andere. Ich drehte keinen Film mit Gary Oldman. Bei anderen Filmen, für die ich vorgesehen war, wurde ich plötzlich ersetzt, oder die Finanzieru­ng brach auf einmal zusammen. Ich verstand nicht, was los war. Spüren Sie ihm gegenüber Verbitteru­ng?

1959

wurde Rosanna Arquette in New York in eine ShowbizFam­ilie geboren. Geschwiste­r sind u. a. die Schauspiel­er David und Patricia.

1985

wurde sie neben Madonna in „Susan . . . verzweifel­t gesucht“berühmt. Sie spielte u. a. in „Pulp Fiction“. Toto verwendete­n für ihren Hit „Rosanna“ihren Namen, sie war damals mit einem der Musiker liiert.

Ab 13. April

morgens Meditation ihr Rezept gefunden: Rosanna Arquette hat ihr Tag außer Kontrolle. Nachrichte­n – sonst gerate

ist sie in der SampedroVe­rfilmung „Das etruskisch­e Lächeln“zu sehen. Nein. Groll ist furchtbar. Ich lebe nicht mit solchen Gefühlen. Ich bete für Harvey, dass er Hilfe bekommt. Der Mann ist krank und lebt im Gefängnis seiner eigenen Person. Aber er ist nicht imstande zuzugeben, was er getan hat. Was mich schmerzt, ist das Schicksal der Frauen, denen er das angetan hat. Sie sagten einmal, dass Sie für diese ganze Branche zu zerbrechli­ch seien. Das muss vor langer Zeit gewesen sein. Ich stehe längst fest auf dem Boden der Tatsachen. Aber als ich mit knapp 20 Jahren ins Business einstieg, da war ich ein bisschen spinnert. Diese leichte Verrückthe­it habe ich in meinen Rollen ausgelebt. Was meinen Sie mit verrückt? Ich war ständig am Schnattern. Mein Gehirn schaltet sich nicht ab, sondern plappert immer vor sich hin, blablablab­la – selbst in der Nacht. Aber dann habe ich Meditation für mich entdeckt. Ich begann mit Transzende­ntaler Meditation, danach traf ich verschiede­ne Swamis und Gurus. Das Meditieren beruhigt meinen Geist enorm und gibt mir Stabilität. Die Herausford­erung ist nur, die erste Einheit gleich nach dem Aufstehen zu machen. Ich darf vorher nicht das Telefon einschalte­n und die Nachrichte­n anschauen. Mein Tag gerät dann außer Kontrolle, weil so viel Negativitä­t da draußen in der Welt ist. Heute habe ich leider wieder den Fehler gemacht und gelesen, was Trump als Neuestes angestellt hat. Ihr aktueller Film heißt ja „Das etruskisch­e Lächeln“. Was stimmt Sie denn heiter? Liebe. Sie hat eine heilende Kraft. Aber es bedeutet eben Arbeit, ihre Energie am Fließen zu halten, weil die Welt so voller Sorgen und Ablenkunge­n steckt, die diese Kraft verwässern. Sie haben diese Kraft offenbar wieder entdeckt. Vor fünf Jahren haben Sie wieder geheiratet. Was hält diese Ehe am Laufen? Der Schlüssel zu einer langen Ehe ist, sich nicht scheiden zu lassen. Du erlebst Höhen und Tiefen und Momente, die unfassbar sind, im Guten und im Schlechten. Aber du bleibst bei der Stange. In meinen jungen Jahren habe ich nicht begriffen, wie wichtig das ist.

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Reuters und erst danndie

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