Die Presse am Sonntag

Soziale Medien sind oft lästig wie Fußpilz

Der Skandal um missbräuch­lich verwendete Daten von Millionen Nutzern des Netzwerks Facebook legt drastische Maßnahmen der Regulierun­g nahe. Am besten wäre es wohl, man würde solche Giganten wie die vor 100 Jahren zurechtstu­tzen.

- VON noRBERT mAYER

Es war schon immer trügerisch, ein Freund von „Facebook“zu sein. Dieses soziale Medium ist in seiner Neugier aufdringli­ch und lästig wie Fußpilz. Wer dort je einen Account eröffnet und penetrante, auch sehr persönlich­e Fragen beantworte­t hat, um dann die Mitgliedsc­haft doch wieder zu beenden, weiß, wie schwer es fällt, solch einen Account zu löschen. Versuchen Sie einen Neueinstie­g. Sie werden wahrschein­lich sehen, dass alle Ihre Daten nach Jahren noch abgespeich­ert sind, wie mir betroffene Kollegen erzählt haben.

Der aktuelle Skandal des Mediengiga­nten bestätigt schlimmste Befürchtun­gen. Selbst Blätter divergente­r Weltanscha­uungen scheinen sich in diesem Fall einig zu sein: So ein Netz ist auch antisozial. Facebook hat seine Kunden verraten. Daten von 87 Millionen Nutzern wurden via Cambridge Analytica (CA) mutmaßlich für Wahlkämpfe missbrauch­t. Die Zahl steigt stetig. Vermutlich werden am Ende sogar alle ausspionie­rt, die ihre Likes abgeben – zwei Milliarden Informante­n einer USAbart von Staatssich­erheit.

Armin Thurnher brachte diesmal im „Falter“die „dystopisch­en Überwachun­gspraktike­n“auf den Punkt: „Was ist die elektronis­che Fußfessel, verglichen mit dem per Smartphone vernetzten Individuum?“, fragt er. Als Illu- stration dient ihm solch eine Fessel, neben der eine Apple Watch abgebildet ist – diese Instrument­e schauen zum Verwechsel­n ähnlich aus, sie verdeutlic­hen, wie wir uns im sozialen Netzwerk verheddern. „Nicht mehr Regierunge­n und Konzerne, sondern die Social-Media-Giganten beherrsche­n diesen neuen Zustand“, meint Thurnher.

Sind das vielleicht nur Ängste jener Warner, die einst im Kalten Krieg gegen den gläsernen Menschen, gegen übergriffi­ge Überwachun­gsstaaten demonstrie­rt haben? Nein. „Big Data is calcu- lating you.“Die großen fünf aus Kalifornie­n, die das Netz und seine Technologi­e dominieren, sind in ihren Methoden der Datensamml­ung und Auswertung wahrschein­lich mindestens so berechnend wie die Analytiker von CA. Auch „The Economist“zeigt sich alarmiert von solchen Skandalen. Im Kommentar plädierte das furchtlos-liberale Londoner Blatt diesen Freitag dafür, dass sich die USA die Datenschut­zgrundvero­rdnung der Europäisch­en Union, die Ende Mai in Kraft treten wird, als ein Beispiel nehmen und ver- bessern. „Copy that“, fordert die Zeitschrif­t. Das Wesentlich­e daran: Die Konsumente­n sollten über ihre persönlich­en Daten verfügen können. Wie schwer das bisher ist, zeigt eine weitere Geschichte im „Economist“: Ein Belgier wollte 2016 von Facebook Auskunft über all die Daten, die es über ihn gesammelt hatte. Das steht ihm als EUBürger zu. Die US-Firma bestätigte ihm zwar nach 106 Tagen, dass es diese Daten gebe, weigerte sich aber, das Material zur Verfügung zu stellen. Der Aufwand dafür wäre „unverhältn­ismäßig“hoch. Der Bürger bat die Datenschut­zkommissio­n um Hilfe. Diese ist noch immer mit der Auswertung beschäftig­t. Da hilft nur Trust Busting. Im deutschen Nachrichte­nmagazin „Der Spiegel“meldete sich zuvor der Rechtsprof­essor Tim Wu zu Wort, der in seinen Bestseller­n „The Master Switch“und „The Attention Merchants“solche Entwicklun­gen früh analysiert hat. Grund allen Übels sei das Geschäftsm­odell – man verwerte Daten von Nutzern zu Werbezweck­en. Wu rät dazu, solche Datenriese­n zu regulieren: „Facebook ist einfach zu groß geworden.“In den USA gebe es eine Tradition, wie man mit solchen Unternehme­n umgehe: „Man zerschlägt sie, sehr aggressiv, so, wie es unter Präsident Theodore Roosevelt Anfang des 20. Jahrhunder­ts geschehen ist.“Das nannte man Trust Busting. Von Regulierun­g spricht inzwischen auch Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. Wu glaubt jedoch nicht, dass er das wirklich will. Er sei „ein Mann mit einem empfindlic­hen Ego, der groß und mächtig sein will“.

 ?? Reuters/Robert Galbraith ?? Skizze von CEO Mark Zuckerberg an einer Wand der Facebook-Zentrale in Menlo Park.
Reuters/Robert Galbraith Skizze von CEO Mark Zuckerberg an einer Wand der Facebook-Zentrale in Menlo Park.

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