Bullenmarkt in Hongkong
Die hohe Dichte an Millionären in Hongkong lockt internationale Galerien an. Jährlicher Höhepunkt ist die Woche der Art Basel Hong Kong.
Unten schlängeln sich die Autokolonnen durch die engen Straßen. Dazwischen gondeln die weltweit einzigen doppelstöckigen Trams. Darüber verlaufen kreuz und quer Fußgängerwege, manche sogar mit Rollbändern ausgestattet. Ringsum stehen dicht nebeneinander Hochhäuser, die tiefe Schluchten bilden. Nachts blinken unten die Neonlichter und oben flutet Leuchtreklame den Himmel. 7,3 Millionen Einwohner leben in Hongkong auf engstem Raum. Und trotzdem ist Central, dieser älteste Stadtteil von Hongkong, nicht hektisch.
Überhaupt ist Hongkong anders. Entgegen dem strengen Regime auf dem chinesischen Festland besteht hier ein relativ demokratisch-marktwirtschaftliches System. Dank dieser Autonomie benötigt man für die Einreise kein Visum, die Sonderverwaltungszone leistet sich eine eigene Währung und eigene Zollregelungen. Allerdings sind die Mieten hier gigantisch. Winzige „Nano-Flats“mit rund 18 Quadratmetern kosten ab 300.000 Euro, Küchen wurden weggeschrumpft. Gleichzeitig wohnen hier die meisten Millionäre. Da verwundert es nicht, dass immer mehr westliche Galerien hier Filialen gründen. Zeitgleich mit der ersten Art Basel Hong Kong begann 2013 die Planung des 24 Stockwerke hohen Galeriehauses namens H Queen’s. Am Vorabend der Messe-Eröffnung bildeten sich lange Schlangen für den Besuch der sieben Galerien und ein Auktionshaus: David Zwirner zeigt auf zwei Stockwerken das Werk von Wolfgang Tillmans, Pace die frechen Keramik-Köpfe von Yoshitomo Nara. Mark Bredfords Bilder bei Hauser & Wirth waren sofort ausverkauft, der Großteil ging in asiatische Sammlungen. Über 200.000 Dollar soll die Monatsmiete hier sein. Günstiger ist es für die Galerien im wenige Gehminuten entfernten, historischen und weitaus kleinräumigeren Pedder Building mit dem superengen Treppenhaus, durch das man sich zu Jim Shaw bei Simon Lee, den Deko-Bildern von Jennifer Guidi bei Gagosian und zu Doug Aitken bei Massimo De Carlo vorkämpfen muss.
Die Kunst boomt in Hongkong. Höhepunkt dieser „vertikalen Kunstwoche“, wie die Ausstellungen in den Galerienhäusern genannt werden, ist die Art Basel Hong Kong. Seit 2013 findet der Schweizer Messe-Import im Convention Center direkt am Hafen statt, heuer boten 248 Galerien aus 32 Ländern ihre Ware feil. 80.000 Besucher verzeichnete die Messe. Rekordverkäufe. Schon am ersten Tag wurden Rekordverkäufe gemeldet, ein früher Willem de Kooning ging bei Levy´ Gorvy für 35 Millionen Dollar weg, großes Interesse erregte Jeff Koons’ mit blauen Kugeln kombiniertes, klassisches Meisterwerk bei David Zwirner. Die Wiener Galerie Ursula Krinzinger konnte sofort ein Werk von Brigitte Kowanz verkaufen, und auch der in Salzburg, Paris und London ansässige Galerist Thaddaeus Ropac war äußerst zufrieden. Solche Verkäufe sind jedoch nur möglich, wenn die Galerien sich mit dem regionalen Markt beschäftigen. Art-Basel-Chef Marc Spiegler: „Galerien sollten sechs Wochen pro Jahr in Asien reisen, um auf der Messe in Hongkong erfolgreich zu sein.“Und ihr Angebot gut auswählen, denn wie Kathryn Shih erklärt, kaufen die Kunden Kunst „nicht als Investment, sondern als Ausdruck ihrer Persönlichkeit.“Shih ist Präsidentin der UBS Asia Pacific. „Als Bankerin sehe ich, dass der Kunstmarkt nur wachsen kann.“Von einem „Bullenmarkt“mit anhaltend steigenden Kursen spricht auch die Analystin Clare McAndrew, die im Auftrag der Messe und des Sponsors UBS den Asian Art Market Report 2017 erstellte. Um 13 Prozent seien die Verkäufe im südasiatischen Kunstmarkt letztes Jahr gestiegen, 21 Prozent der globalen Käufe wurden in China getätigt. Kunstmessen seien weiterhin ein wichtiger Teil dieses Marktes. Zwar seien die Kosten dafür um 15 Prozent gestiegen, aber zugleich auch die Umsätze um 17 Prozent, 45 Prozent der Gesamtverkäufe setzen laut Report Galerien und Händler auf Messen um. Gekauft wird in China nicht nur Asiatisches, sondern zunehmend auch westliche Blue Chips. „Der Geschmack der chinesischen Kunden verändert sich“, erklärt Adeline Ooi, Direktorin der Art Basel Hong Kong.
Aber die Art Basel Hong Kong steht nicht nur für Blue Chips, sondern präsentiert auch technologische Innovationen. Am Stand von HTC VIVE können wir mittels Virtual-Reality-Brille in virtuelle Welten eintauchen. Für Marina Abramovics VR-Werk über Klimaveränderungen bekommt der Besucher zwei Schaufensterpuppenarme in die Hände gedrückt – mit denen die virtuellen Hände der Künstlerin berührt werden müssen. Daraufhin startet eine Überflutung, die der Rezipient an Deck einer wackeligen Aussichtsplattform mitten im Wasser erlebt. In Anish Kapoors „Into Yourself, Fall“reist man durch einen virtuellen Körper, ein „Labyrinth unseres Selbst“, wie es heißt.
Die sechste Ausgabe der Kunstmesse verzeichnete 80.000 Besucher.