Der türkise Vizekanzler
Vor fünf Jahren kannte ihn noch niemand. Heute ist Gernot Blümel die Nummer zwei in der ÖVP und der wichtigste Mann für den Kanzler. Porträt eines »Progressiv-Konservativen«.
Gernot Blümel wirkt so, als wäre er gerade von der Militärakademie ausgemustert worden: Kerzengerade Haltung, akkurater Haarschnitt, höfliches Auftreten. Wobei er den Westpoint-Absolventen durchaus auch in einem Hollywood-Film doubeln könnte.
Ein Hollywood-Star, Charlize Theron, saß schon einmal neben ihm, in Reihe eins beim Sommernachtskonzert in Schönbrunn am vorigen Donnerstag. Blümel vertrat den Kanzler, dessen Veranstaltung das eigentlich ist, erfunden 2004 von Wolfgang Schüssel. Doch Sebastian Kurz ließ sein erstes Sommernachtskonzert – Anna Netrebko hin, Valery Gergiev her – aus.
Zwei Tage später, bei der Eröffnung des Life Ball, war das erneut so. Für einen Abgesandten der ÖVP/FPÖ-Regierung gab es hier zwar nicht viel zu gewinnen – und der Applaus war entsprechend verhalten – aber Blümel stellte sich dennoch im Smoking auf die Bühne und sprach über die politische Verantwortung im Angesicht des diesjährigen Gedenkjahres.
Erneut im Mittelpunkt stand er dann diese Woche bei der zweitägigen Medienenquete im Museumsquartier. Nahezu alles, was in der hiesigen Medienbranche Rang und Namen hat, war gekommen. Und Gernot Blümel war der Zeremonienmeister. Er war auch der Erfinder des Ganzen. Und freute sich sichtlich über die Resonanz. Noch nie sei im Vorfeld so viel über Medien diskutiert worden wie in diesen Tagen, sagte er in seiner Eröffnungsrede.
Gernot Blümel ist so etwas wie der türkise Vizekanzler. Bei wichtigen, heiklen und repräsentativen Terminen lässt sich Kanzler Kurz von ihm vertreten. Und Termine hat Blümel derzeit rund um die Uhr. Nicht nur als EU-, Medien-, Kulturminister und Regierungskoordinator – er muss auch noch Zeit für die Wiener ÖVP finden, deren Chef er ist. „Er ist wie ein Schwamm – er saugt alles auf“, heißt es in der ÖVP über ihn. Und er investiere viel in die Vorbereitung seiner Auftritte.
Blümel ist auch in der Hierarchie der ÖVP die Nummer zwei. Kurz und er sind gemeinsam aufgestiegen. Und tragen ihr Projekt nun gemeinsam durch. Wiewohl es Blümel zwischendurch schon auch genervt hat, auf sein Naheverhältnis zu Kurz reduziert zu werden. In der Tat haben sich die beiden erst gefunden. In die JVP kamen sie unabhängig voneinander. Lieblingsphilosoph Kierkegaard. Blümel war Vizepräsident der Jungen Europäischen Volkspartei, absolvierte ein Philosophiestudium – Lieblingsphilosoph ist Sören Kierkegaard –, trat dem Cartellverband bei und begann als parlamentarischer Mitarbeiter bei Michael Spindelegger zu arbeiten.
Mit diesem wechselte er dann auch ins Außenministerium – schon damals zuständig für „Ministerratskoordinierung und Regierungsarbeit“– und profitierte von Spindeleggers wahrscheinlich größter Stärke als ÖVP-Chef: seinem Gespür für Talente, die er nicht als Bedrohung sah, sondern im Gegenteil förderte. So machte Spindelegger den damals 24-jährigen Sebastian Kurz zum Staatssekretär für Integration. Und den 32-jährigen Gernot Blümel 2013 zum Generalsekretär der ÖVP.
In seinem ersten Interview sagte Blümel damals über sich: „Ich bin progressiv-konservativ“. Und diese Linie hat sich seither nicht wesentlich verän- dert. Blümel ist ein Wertkonservativer mit moderner Anmutung.
Und für einen Politiker ist er relativ dickhäutig – nur im gestrigen Mittagsjournal geriet er mit dem Interviewer aneinander. Bei der Medienenquete diese Woche erinnerte er sich an seine erste Begegnung mit der „Medienpolitik“– und diese habe gleich mit einem „Missverständnis“begonnen. Als er Generalsekretär geworden sei, habe er bemerkt, dass er nun auch für die Medienpolitik der ÖVP zuständig sei. Auf die Frage, warum das so sei, sei ihm beschieden worden: „Weil du jetzt auch für die Interventionen zuständig bist.“Das Verhältnis zu ORF-Chef Alexander Wrabetz ist heute übrigens ausgezeichnet, um nicht zu sagen amikal.
Gernot Blümel ist gewissermaßen der Nachfolger von Thomas Drozda – nicht nur als Kultur- und Medienmi- nister, sondern auch als rechte Hand des Kanzlers. „Als oberster Message Controller in einer nun disziplinierteren Regierung macht er das gut“, meint Drozda über Blümel. Dessen Feld sei die Kampagnen- und Hegemoniefähigkeit. In den Bereichen Kunst und Kultur sei er bisher aber nicht nennenswert in Erscheinung getreten. „Für die Kulturschaffenden vielleicht eh nicht von Nachteil.“