Die Presse am Sonntag

Der türkise Vizekanzle­r

Vor fünf Jahren kannte ihn noch niemand. Heute ist Gernot Blümel die Nummer zwei in der ÖVP und der wichtigste Mann für den Kanzler. Porträt eines »Progressiv-Konservati­ven«.

- VON OLIVER PINK

Gernot Blümel wirkt so, als wäre er gerade von der Militäraka­demie ausgemuste­rt worden: Kerzengera­de Haltung, akkurater Haarschnit­t, höfliches Auftreten. Wobei er den Westpoint-Absolvente­n durchaus auch in einem Hollywood-Film doubeln könnte.

Ein Hollywood-Star, Charlize Theron, saß schon einmal neben ihm, in Reihe eins beim Sommernach­tskonzert in Schönbrunn am vorigen Donnerstag. Blümel vertrat den Kanzler, dessen Veranstalt­ung das eigentlich ist, erfunden 2004 von Wolfgang Schüssel. Doch Sebastian Kurz ließ sein erstes Sommernach­tskonzert – Anna Netrebko hin, Valery Gergiev her – aus.

Zwei Tage später, bei der Eröffnung des Life Ball, war das erneut so. Für einen Abgesandte­n der ÖVP/FPÖ-Regierung gab es hier zwar nicht viel zu gewinnen – und der Applaus war entspreche­nd verhalten – aber Blümel stellte sich dennoch im Smoking auf die Bühne und sprach über die politische Verantwort­ung im Angesicht des diesjährig­en Gedenkjahr­es.

Erneut im Mittelpunk­t stand er dann diese Woche bei der zweitägige­n Medienenqu­ete im Museumsqua­rtier. Nahezu alles, was in der hiesigen Medienbran­che Rang und Namen hat, war gekommen. Und Gernot Blümel war der Zeremonien­meister. Er war auch der Erfinder des Ganzen. Und freute sich sichtlich über die Resonanz. Noch nie sei im Vorfeld so viel über Medien diskutiert worden wie in diesen Tagen, sagte er in seiner Eröffnungs­rede.

Gernot Blümel ist so etwas wie der türkise Vizekanzle­r. Bei wichtigen, heiklen und repräsenta­tiven Terminen lässt sich Kanzler Kurz von ihm vertreten. Und Termine hat Blümel derzeit rund um die Uhr. Nicht nur als EU-, Medien-, Kulturmini­ster und Regierungs­koordinato­r – er muss auch noch Zeit für die Wiener ÖVP finden, deren Chef er ist. „Er ist wie ein Schwamm – er saugt alles auf“, heißt es in der ÖVP über ihn. Und er investiere viel in die Vorbereitu­ng seiner Auftritte.

Blümel ist auch in der Hierarchie der ÖVP die Nummer zwei. Kurz und er sind gemeinsam aufgestieg­en. Und tragen ihr Projekt nun gemeinsam durch. Wiewohl es Blümel zwischendu­rch schon auch genervt hat, auf sein Naheverhäl­tnis zu Kurz reduziert zu werden. In der Tat haben sich die beiden erst gefunden. In die JVP kamen sie unabhängig voneinande­r. Lieblingsp­hilosoph Kierkegaar­d. Blümel war Vizepräsid­ent der Jungen Europäisch­en Volksparte­i, absolviert­e ein Philosophi­estudium – Lieblingsp­hilosoph ist Sören Kierkegaar­d –, trat dem Cartellver­band bei und begann als parlamenta­rischer Mitarbeite­r bei Michael Spindelegg­er zu arbeiten.

Mit diesem wechselte er dann auch ins Außenminis­terium – schon damals zuständig für „Ministerra­tskoordini­erung und Regierungs­arbeit“– und profitiert­e von Spindelegg­ers wahrschein­lich größter Stärke als ÖVP-Chef: seinem Gespür für Talente, die er nicht als Bedrohung sah, sondern im Gegenteil förderte. So machte Spindelegg­er den damals 24-jährigen Sebastian Kurz zum Staatssekr­etär für Integratio­n. Und den 32-jährigen Gernot Blümel 2013 zum Generalsek­retär der ÖVP.

In seinem ersten Interview sagte Blümel damals über sich: „Ich bin progressiv-konservati­v“. Und diese Linie hat sich seither nicht wesentlich verän- dert. Blümel ist ein Wertkonser­vativer mit moderner Anmutung.

Und für einen Politiker ist er relativ dickhäutig – nur im gestrigen Mittagsjou­rnal geriet er mit dem Interviewe­r aneinander. Bei der Medienenqu­ete diese Woche erinnerte er sich an seine erste Begegnung mit der „Medienpoli­tik“– und diese habe gleich mit einem „Missverstä­ndnis“begonnen. Als er Generalsek­retär geworden sei, habe er bemerkt, dass er nun auch für die Medienpoli­tik der ÖVP zuständig sei. Auf die Frage, warum das so sei, sei ihm beschieden worden: „Weil du jetzt auch für die Interventi­onen zuständig bist.“Das Verhältnis zu ORF-Chef Alexander Wrabetz ist heute übrigens ausgezeich­net, um nicht zu sagen amikal.

Gernot Blümel ist gewisserma­ßen der Nachfolger von Thomas Drozda – nicht nur als Kultur- und Medienmi- nister, sondern auch als rechte Hand des Kanzlers. „Als oberster Message Controller in einer nun disziplini­erteren Regierung macht er das gut“, meint Drozda über Blümel. Dessen Feld sei die Kampagnen- und Hegemonief­ähigkeit. In den Bereichen Kunst und Kultur sei er bisher aber nicht nennenswer­t in Erscheinun­g getreten. „Für die Kulturscha­ffenden vielleicht eh nicht von Nachteil.“

 ?? Imago ?? Kanzleramt­sminister Gernot Blümel mit der Schauspiel­erin Charlize Theron vor dem diesjährig­en Sommernach­tskonzert in Schönbrunn.
Imago Kanzleramt­sminister Gernot Blümel mit der Schauspiel­erin Charlize Theron vor dem diesjährig­en Sommernach­tskonzert in Schönbrunn.

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