Das Innenressort ist kein Ponyhof
Herbert Kickls Halbjahreszeugnis fällt durchwachsen aus: In Symbol- und Parteipolitik ist er Vorzugsschüler. In Sachen Vertrauen in seinen Apparat und sensibles Lenken eines Ministeriums braucht er etwas Nachhilfe. Aber von den Richtigen.
Dass es nicht einfach werden würde, war klar. Darum wurde auch der „beste Mann“der FPÖ mit der Mammutaufgabe betraut. Herbert Kickl selbst wollte eigentlich nicht unbedingt Innenminister werden.
Denn mit dem Thema Sicherheit hatte er bis zu seiner Angelobung im Dezember 2017 wenig am Hut gehabt. Kickl war Sozialsprecher der FPÖ, der brillante Parteistratege, der die Geschicke im Hintergrund lenkte. Das Amt des Sozialministers soll er sich gewünscht haben – oder Klubobmann hätte er werden wollen, erzählt man sich in der Partei. FPÖ-Chef HeinzChristian Strache entsprach diesen Wünschen aber nicht. Denn er wollte das Kernthema seiner Partei, Sicherheit, von seinem kompetentesten Mitstreiter betraut wissen, einem, dem er blind vertraut. Und das ist eben er: Herbert Kickl.
Nun ist dieser seit rund einem halben Jahr in Amt und Würden. Die Bilanz seines Schaffens fällt durchaus durchwachsen aus. Da schlagen die einen die Hände über dem Kopf zusammen, nennen ihn den furchtbarsten Innenminister, den dieses Land jemals gesehen hat. Die anderen loben ihn über alle Maße: Kickl sei der „beste Innenminister“der zweiten Republik, heißt es von der Gegenseite. Warum gehen die Meinungen so auseinander? Rechte machen rechte Politik. Ein Hauptgrund ist wohl, dass Kickl sehr klar und kompromisslos Politik im Sinne seiner Wähler macht – und man muss ihm zugestehen: Das macht er gut. Denn wer die FPÖ wählt, der erwartet, dass ihre Vertreter möglichst restriktive Politik gegen Ausländer machen. Dass Kickl also massiv für Grenzkontrollen eintritt, sich breit vernetzt, internationale Parteifreunde auf seine Seite holt, ist nur logisch. Nach einem Sicherheitsgipfel im Mai in Wien, wo etliche europäische Amtskollegen vertreten waren, trifft er etwa nächsten Mittwoch Matteo Salvini, Chef der italienischen rechts außen Partei LegaNord. Das Thema: wie Flüchtlinge möglichst effektiv von Europa ferngehalten werden können. Ein weiteres Treffen mit Salvini ist schon für Juli angesetzt.
Auch der EU-Ratsvorsitz soll dem Thema Sicherheit gewidmet werden – der Außengrenzschutz der EU und die Eindämmung der Migration werden ein zentrales Diskussionsthema sein.
Es ist alles andere als überraschend, dass Kickl versucht, Flüchtlinge deutlich spüren zu lassen, dass sie in diesem Land nicht erwünscht seien. Zu diesem Zweck werden nun Massenunterkünfte in Händen des Staates organisiert – dort soll die Versorgung der Asylwerber auf das absolut Nötige reduziert werden. Und im selben Atemzug sollen Hilfsorganisationen, die in der Vergangenheit auch für Menschenrechte und Flüchtlinge eingetreten sind, hinausgedrängt werden.
Ja, die FPÖ ist – gelinde gesagt – zuwanderungskritisch. Sie machte daraus aber auch nie einen Hehl. Dass nun besonders Muslime in den Fokus und ins Zentrum von Kriminalstatistiken gerückt werden, verwundert ebenso wenig wie dass türkische Vereine auf Herz und Nieren geprüft – und Moscheen medienwirksam geschlossen werden.
Der Inländer ist der FPÖ näher als der Ausländer – das ist Programm seit Anbeginn der Partei, und nun eben auch zentraler Teil ihrer Politik, die an einem Pol angesiedelt ist: rechts bis rechts außen. Und so sehr man auch die Sinnhaftigkeit einer berittenen Polizei hinterfragen kann: Sie ist sichtbarer Ausdruck und martialisches Symbol, wofür die FPÖ in dieser Regierung stehen will. Ja, wofür sie mit breiter Zustimmung gewählt wurde: „Law and Order“– und einer Staatsgewalt, die von oben agiert.
Wenn die Blauen aus ihrer letzten Regierungsbeteiligung eines gelernt haben, dann, dass es Sinn hat, Farbe zu bekennen anstatt möglichst farblos und unauffällig zu sein. Für diese Regierungsarbeit wurden mehr die Extreme denn der Kompromiss zur Strategie erklärt. Betrachtet man die Umfragen, scheint das gut anzukommen. Dass das vielen zuwider ist, die sich politisch eher Richtung anderen, linken Pol bewegen, ist auch nicht verwunderlich: Allerdings hätten sie die FPÖ wohl sowieso nicht gewählt.
Mit der ÖVP hat die FPÖ einen willigen Koalitionspartner. Kanzler Sebastian Kurz trägt viele Maßnahmen nicht nur mit, sondern unterstützt diese dezidiert. Das türkis-blaue Framing: Eine Flüchtlingswelle wie im Herbst 2015 darf sich nicht wiederholen – weniger statt mehr Ausländer braucht das Land. Und unter diesem Vorzeichen werden nun etliche Maßnahmen beschlossen, von Aufstockung der Polizei über die Neuorganisation von Mindestsicherung, des Arbeitslosengeldes oder des AMS. Dass diese Pläne auch viele Inländer treffen, ist eine Nebenwirkung. Ein Ministerium ist keine Partei. Was Symbol-, Klientelpolitik und Marketing betrifft, muss man Kickl also gute Noten ausstellen. Es gibt aber auch Themen, bei denen Kickls Talente in Dingen Innenminister durchaus angezweifelt werden dürfen.
Allen voran wäre da freilich die Affäre um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung zu nennen. Sie beschäftigt seit Monaten Medien und Politik – im Herbst wird es dazu einen U-Ausschuss geben, der auch die Rolle des Innenministeriums beleuchten soll. Vom Oppositionsgetöse unabhängig ist diese tatsächlich hinterfragenswert. Das beginnt bei dem Kontakt von Kickls Kabinettsmitarbeitern mit Zeugen, die aktiv an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwältin herangeführt wurden. Das geht über die Frage, warum sowohl Kickls Generalsekretär Peter Goldgruber als auch Kabinettsmitarbeiter immer wieder in Kontakt mit der Staatsanwaltschaft waren. Warum diese Kontakte nicht im Ermittlungsakt vermerkt sind. Warum die Hausdurchsuchung so durchgeführt wurde, wie das eben der Fall war, und ob wirklich alle gebotenen Regeln eingehalten wurden. Aus jetziger Sicht muss das massiv angezweifelt werden.
Eine weitere zentrale Frage in Sachen BVT: Ist die nötige Gewaltentrennung von Exekutive und Judikative in diesem sensiblen Ermittlungsverfahren noch gewährleistet? Neben dem Innenministerium fällt ein mindestens genauso großer Teil der Verantwortung in der Affäre auf die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Denn auch die Entscheidungen der führenden Staatsanwältin Ursula Schmudermayer in der Causa lassen versierte Juristen nur ratlos zurück. Einen verantwortungsvollen Umgang mit einer der zentralsten Einrichtungen dieses Staates sieht jedenfalls anders aus.
Dass Kickl in dieser Causa derart ins Schleudern gerät, verwundert auch. Immerhin war er bisher auch einer, der die Fäden immer straff in der Hand hatte – und ein Meister darin ist, schwierige Themen zu seinen Gunsten zu drehen.
Aber ein Ministerium ist eben keine Partei – Beamte sind keine loyalen Parteifreunde. Die Mechanismen sind andere, der Rahmen, in dem Entscheidungen getroffen und Weisungen gegeben werden können, unterscheidet sich massiv. Und der größte Unter-
Herbert Kickl
ist seit 18. Dezember 2017 Bundesminister für Inneres. Von April 2005 bis Jänner 2018 war der Kärntner Generalsekretär der FPÖ. In dieser Funktion war er für Öffentlichkeitsarbeit und interne Kommunikation zuständig. Er gilt als guter Parteistratege und zeichnet sowohl für bekannte HaiderReden als auch für provokante Wahlslogans, wie etwa „Daham statt Islam“oder „Pummerin statt Muezzin“, verantwortlich.
Themen
hat Kickl in seiner bisherigen Amtszeit als Innenminister einige gesetzt: Darunter die Aufstockung der Polizei (inklusive der berittenen Polizei), die Grenzschließung und neue Quartiere für Asylwerber. Zuletzt dürfte ihn aber vor allem die BVTCausa beschäftigt haben. schied beim Lenken der beiden Apparate: In den neuen hat Kickl offensichtlich kein Vertrauen. Teils wohl auch zurecht, immerhin handelt es sich um ein tiefschwarz eingefärbtes Ressort. Mit den dort handelnden Personen machte die FPÖ als Opposition nicht nur gute Erfahrungen.
Wie groß das Misstrauen in die Beamten aber ist, zeigte sich etwa bei der Voreinschreibefrist für das Rauchervolksbegehren. Es gab technische Probleme bei der Eintragung – anstatt das Problem konstruktiv anzugehen, den Fehler gemeinsam mit den Beamten zu suchen, wurde ihnen seitens der Ressortleitung mit straf- und dienstrechtlichen Konsequenzen gedroht. Kickl unterschätzte, was in solchen Momenten immer passiert: Die Beamtenschaft lehnte sich zurück und verrichtet seitdem großteils Dienst nach Vorschrift.
Aber genau dieses fehlende Vertrauen führt zu fehlender Expertise – die Kickl eben selbst gerade aufbauen muss. Er sitzt das erste Mal in einem Innenausschuss, in der Materie ist er noch nicht trittsicher. Dazu kommt: Das BVT ist eine besonders in sich geschlossene Einrichtung. Vertrauenspersonen aus dem Apparat, mit denen Kickl reden hätte können, gab es wohl keine; er musste in dieser Causa auf Berater von außen setzen. Und die Einflüsterer, die hier plötzlich auftauchten, waren nicht unbedingt die besten: Da spielte der ehemalige BVT-Direktor Gert-Rene´ Polli eine ebenso dubiose Rolle wie gewisse Nachrichtenhändler, die sich wichtig machten.
Auch Kickls Generalsekretär Peter Goldgruber war keine Hilfe und versagte in seiner ureigensten Aufgabe: nämlich sämtliche Probleme von seinem Minister fernzuhalten. Im Gegenteil: Er zog sie an diesen heran und trug mit seinem Verhalten massiv zum kommenden U-Ausschuss bei. Dahinter steht wohl auch eine alte Fehde mit dem ehemaligen Präsidialchef Michael Kloibmüller (ÖVP), an dem sich Goldgruber nun revanchieren will. Kickl täte demnach nicht nur gut daran, am Vertrauen in den Apparat zu arbeiten – sondern auch an seinen Vertrauten.
Kickl macht das, wofür er gewählt wurde: restriktive Ausländerpolitik. Kickls Achillesferse: Ihm fehlt das Vertrauen in den Apparat – und damit Expertise.