Die bürgerliche Alternative
Sind die Neos nun links oder rechts? Und braucht es sie überhaupt? Eine Verortung aus Anlass des Parteichefwechsels nächste Woche.
Aus Anlass der Nationalratswahl 2017 machte das ImasInstitut eine Umfrage, in der erhoben wurde, wie die Österreicher die Parteien im klassischen Links-rechts-Schema einordnen. Auf einer Millimeter-Skala von 0 bis 100 kamen die Neos 14 Millimeter links der Mitte zu liegen. Nur einen Millimeter rechts von der SPÖ.
So war das von den Neos-Gründern 2012 wohl nicht beabsichtigt gewesen. Man wollte eine bürgerliche, liberalere Alternative zur damaligen, doch sehr konservativen ÖVP des Michael Spindelegger. Aber keine neue linke Partei.
Dass es – in der Wahrnehmung vieler jedenfalls – anders kam, hat sicher mit jenem Mann zu tun, den Michael Spindelegger einst in die Regierung geholt hatte – Sebastian Kurz. Er hat die ÖVP nach rechts geführt, also blieb links davon Platz. Bei der Nationalratswahl 2017 fand zum Teil ja auch ein Austausch statt: Neos-Wähler von 2013 wählten nun die Kurz-ÖVP, GrünenWähler von 2013 die Neos.
Und das hatte dann schon auch mit den Neos selbst zu tun. Und mit jenem Thema, mit dem Sebastian Kurz groß wurde – der Migrations- und Flüchtlingspolitik. Hier nahmen die Neos anfangs eine Position ein, die sehr ähn- lich jener der SPÖ und der Grünen war. Vor allem Menschenrechtssprecher Nikolaus Scherak und EU-Mandatarin Angelika Mlinar waren hier tonangebend. Die Partei schwenkte dann langsam um, aber erst knapp vor der Wahl verordnete Parteichef Matthias Strolz wirklich eine Kurskorrektur. Sie war aber nicht so deutlich wie jene der deutschen Schwesterpartei FDP.
Ein Mitgrund für die „linke“Wahrnehmung der Neos ist auch, dass sie eine Twitter-Partei sind – im Gegensatz zur ÖVP, die diesen Kanal mehr oder weniger auslässt. Und da sind die Neos nicht selten im Gleichklang mit SPÖ- oder Grünen-Vertretern, die sich hier ebenfalls wie die Fische im Wasser tummeln – vor allem, wenn es gegen ÖVP und FPÖ geht. Allerdings auch nicht immer: So sucht der Neos-Abgeordnete Gerald Loacker auch immer wieder den Clinch mit Roten und Grünen – insbesondere, wenn es um sein Lieblingsthema, die Privilegien der Arbeiterkammer, geht. Aber auch bei Themen wie der Reform der Sozialversicherungen, dem möglichen Aus für die AUVA oder bei Ceta unterstützten die Neos die Regierungsabsichten.
Die Neos sind heute eine Partei für bürgerliche Wähler, denen die ÖVP zu Wird am kommenden Wochenende zur neuen Chefin der Neos gewählt: Beate Meinl-Reisinger. wenig fein ist. So war das eigentlich auch schon bei der Gründung: Damals war sie die Alternative für jene, denen die ÖVP zu bäuerlich und verbeamtet war, heute ist sie die Alternative für jene, denen die ÖVP zu FPÖ-nahe ist.
Und es scheint auch Platz für beides zu sein, den Liberalismus und den Konservatismus. Denn mit beidem – nicht nur mit dem Rechtspopulismus – segelt der Zeitgeist. Die Liberalen regieren derzeit acht EU-Staaten (ohne Macron), die christdemokratische EVP stellt sieben Regierungschefs. Da widerspricht die Realität dann auch ein wenig dem Gerede von einem Ende der liberalen Demokratie. Nach Strolz. Kommendes Wochenende wird Beate Meinl-Reisinger die Partei von Matthias Strolz übernehmen. An der ideologischen Ausrichtung wird sich wenig ändern. Und auch MeinlReisinger hat in der Migrationspolitik – bei ihr geschah das vor allem über das Thema Schule – eine Kurskorrektur hinter sich gebracht. Sie war schon im Vorjahr für eigene Deutschklassen.
Mit den Neos führt Beate MeinlReisinger eine Partei der Individualisten an. Das ist Segen und Fluch zugleich. Denn auch das ist das Wesen einer bürgerlichen Partei – und die Neos halten sich für die bürgerliche Partei schlechthin: Jeder hält sich selbst für den Gescheitesten.
Auch das Schicksal Eva Glawischnigs sollte ein warnendes Beispiel sein. Sie hatte ebenso als logische Nachfolgerin ihre Partei von einem mehr oder weniger allseits akzeptierten, über den Dingen schwebenden Anführer übernommen – und sie in der Folge zu neuen Höhen geführt. Allerdings wurde sie dann irgendwann auch von der eigenen Partei zerrieben.