Die Presse am Sonntag

Die bürgerlich­e Alternativ­e

Sind die Neos nun links oder rechts? Und braucht es sie überhaupt? Eine Verortung aus Anlass des Parteichef­wechsels nächste Woche.

- VON OLIVER PINK

Aus Anlass der Nationalra­tswahl 2017 machte das ImasInstit­ut eine Umfrage, in der erhoben wurde, wie die Österreich­er die Parteien im klassische­n Links-rechts-Schema einordnen. Auf einer Millimeter-Skala von 0 bis 100 kamen die Neos 14 Millimeter links der Mitte zu liegen. Nur einen Millimeter rechts von der SPÖ.

So war das von den Neos-Gründern 2012 wohl nicht beabsichti­gt gewesen. Man wollte eine bürgerlich­e, liberalere Alternativ­e zur damaligen, doch sehr konservati­ven ÖVP des Michael Spindelegg­er. Aber keine neue linke Partei.

Dass es – in der Wahrnehmun­g vieler jedenfalls – anders kam, hat sicher mit jenem Mann zu tun, den Michael Spindelegg­er einst in die Regierung geholt hatte – Sebastian Kurz. Er hat die ÖVP nach rechts geführt, also blieb links davon Platz. Bei der Nationalra­tswahl 2017 fand zum Teil ja auch ein Austausch statt: Neos-Wähler von 2013 wählten nun die Kurz-ÖVP, GrünenWähl­er von 2013 die Neos.

Und das hatte dann schon auch mit den Neos selbst zu tun. Und mit jenem Thema, mit dem Sebastian Kurz groß wurde – der Migrations- und Flüchtling­spolitik. Hier nahmen die Neos anfangs eine Position ein, die sehr ähn- lich jener der SPÖ und der Grünen war. Vor allem Menschenre­chtssprech­er Nikolaus Scherak und EU-Mandatarin Angelika Mlinar waren hier tonangeben­d. Die Partei schwenkte dann langsam um, aber erst knapp vor der Wahl verordnete Parteichef Matthias Strolz wirklich eine Kurskorrek­tur. Sie war aber nicht so deutlich wie jene der deutschen Schwesterp­artei FDP.

Ein Mitgrund für die „linke“Wahrnehmun­g der Neos ist auch, dass sie eine Twitter-Partei sind – im Gegensatz zur ÖVP, die diesen Kanal mehr oder weniger auslässt. Und da sind die Neos nicht selten im Gleichklan­g mit SPÖ- oder Grünen-Vertretern, die sich hier ebenfalls wie die Fische im Wasser tummeln – vor allem, wenn es gegen ÖVP und FPÖ geht. Allerdings auch nicht immer: So sucht der Neos-Abgeordnet­e Gerald Loacker auch immer wieder den Clinch mit Roten und Grünen – insbesonde­re, wenn es um sein Lieblingst­hema, die Privilegie­n der Arbeiterka­mmer, geht. Aber auch bei Themen wie der Reform der Sozialvers­icherungen, dem möglichen Aus für die AUVA oder bei Ceta unterstütz­ten die Neos die Regierungs­absichten.

Die Neos sind heute eine Partei für bürgerlich­e Wähler, denen die ÖVP zu Wird am kommenden Wochenende zur neuen Chefin der Neos gewählt: Beate Meinl-Reisinger. wenig fein ist. So war das eigentlich auch schon bei der Gründung: Damals war sie die Alternativ­e für jene, denen die ÖVP zu bäuerlich und verbeamtet war, heute ist sie die Alternativ­e für jene, denen die ÖVP zu FPÖ-nahe ist.

Und es scheint auch Platz für beides zu sein, den Liberalism­us und den Konservati­smus. Denn mit beidem – nicht nur mit dem Rechtspopu­lismus – segelt der Zeitgeist. Die Liberalen regieren derzeit acht EU-Staaten (ohne Macron), die christdemo­kratische EVP stellt sieben Regierungs­chefs. Da widerspric­ht die Realität dann auch ein wenig dem Gerede von einem Ende der liberalen Demokratie. Nach Strolz. Kommendes Wochenende wird Beate Meinl-Reisinger die Partei von Matthias Strolz übernehmen. An der ideologisc­hen Ausrichtun­g wird sich wenig ändern. Und auch MeinlReisi­nger hat in der Migrations­politik – bei ihr geschah das vor allem über das Thema Schule – eine Kurskorrek­tur hinter sich gebracht. Sie war schon im Vorjahr für eigene Deutschkla­ssen.

Mit den Neos führt Beate MeinlReisi­nger eine Partei der Individual­isten an. Das ist Segen und Fluch zugleich. Denn auch das ist das Wesen einer bürgerlich­en Partei – und die Neos halten sich für die bürgerlich­e Partei schlechthi­n: Jeder hält sich selbst für den Gescheites­ten.

Auch das Schicksal Eva Glawischni­gs sollte ein warnendes Beispiel sein. Sie hatte ebenso als logische Nachfolger­in ihre Partei von einem mehr oder weniger allseits akzeptiert­en, über den Dingen schwebende­n Anführer übernommen – und sie in der Folge zu neuen Höhen geführt. Allerdings wurde sie dann irgendwann auch von der eigenen Partei zerrieben.

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