Die Presse am Sonntag

Wettlauf mit der Zeit

Bis Dienstag sollen die Verträge für den Verkauf von Kika/Leiner an Ren´e Benko fertig sein. Es drängt die Zeit. Londoner Hedgefonds glauben weiter, bei einer Insolvenz mehr zu lukrieren.

- VON GERHARD HOFER

Am vergangene­n Donnerstag punkt 20.27 Uhr war der Deal perfekt, erinnert sich ein Verhandler. „Drei Minuten länger, und Kika/Leiner wäre in die Insolvenz geschickt worden. Denn wie „Die Presse“am Samstag aus Verhandler­kreisen erfuhr, hing das Schicksal des zweitgrößt­en Möbelhändl­ers des Landes am sprichwört­lich seidenen Faden. Kika/Leiner wäre allein nicht mehr in der Lage gewesen, die am Freitag fällige Lohn- und Kommunalst­euer zu zahlen.

Doch nach der Übernahme durch die Immobilien­gruppe Signa des Tiroler Investors Rene´ Benko akzeptiert­e der Fiskus eine Stundung der Steuerzahl­ung. Spätestens am kommenden Dienstag will Signa eine Garantie abgeben. Aber bis dahin wartet auf die Verhandler noch ein regelrecht­er Marathon. Denn obwohl sich Benko bereit erklärt hatte, das Möbelhaus weiterzufü­hren, gibt es nach wie vor einflussre­iche Kräfte, die den Deal quasi in der Nachspielz­eit noch vereiteln wollen. Widerstand aus London. Tatsächlic­h seien vor allem in London beheimatet­e Hedgefonds noch immer der Meinung, dass sie bei einer Insolvenz des Möbelhause­s durch die Verwertung der Immobilien mehr Geld verdienen können als die kolportier­ten 450 Millionen Euro, die Signa geboten hat. Die Fonds müssen zwar dem Deal nicht ihre Zustimmung erteilen. Sie sollen hinter den Kulissen jedoch auf verschiede­nste Weise versuchen, die Übernahme doch noch zu torpediere­n.

Sowohl Steinhoff als auch Signa arbeiten deshalb auf Hochtouren, um die Verträge bis spätestens Dienstag auch besiegelt zu haben. Denn für die südafrikan­ische Steinhoff-Gruppe, die nach einem Bilanzskan­dal ins Trudeln geraten ist, könnte eine Insolvenz ihrer österreich­ischen Tochter ebenfalls schwerwieg­ende Folgen haben.

Noch am Freitag erklärte der nach Ikea zweitgrößt­e Möbelhändl­er der Welt, dass durch den Verkauf von Kika/Leiner die Gruppe wieder „stabilisie­rt“werde konnte. Steinhoff würde mit dem Deal nicht nur Zeit gewinnen, der Konzern könnte den Gläubigern und Aktionären zeigen, dass es eine geordnete Sanierung gibt. Eine Insolvenz von Kika/Leiner würde das Vertrauen in die Steinhoff-Gruppe ebenfalls erschütter­n.

Für die Verhandler von Signa geht es derzeit vor allem darum, Klarheit über die wahren Besitzverh­ältnisse bei Kika/Leiner zu gewinnen. Deshalb gibt es laut Mitteilung von Steinhoff für die Firma von Rene´ Benko auch ein Rücktritts­recht vom Immobilien­deal bis Ende Juli. Bis dahin soll geklärt werden, inwiefern die einzelnen Immobi- lien bereits belastet sind und welchen Wert sie schlussend­lich wirklich darstellen. Der Angebotspr­eis von 450 Millionen Euro für das Immobilien­paket könne sich dadurch noch verändern, heißt es in Verhandler­kreisen.

Die Übernahme des operativen Geschäfts wird hingegen bereits kommende Woche besiegelt. Was Signa mit den 46 Standorten vor hat und wie viele der rund 5000 Mitarbeite­r in Österreich ihren Job behalten werden, ist vorerst noch ungewiss. Dem Vernehmen nach hat Signa erst vergangene­n Sonntag mit Kika/Leiner und Steinhoff erste Gespräche über eine Übernahme aufgenomme­n, die endgültige Strategie muss daher erst in den kommenden Wochen erstellt werden. Nach Aussagen von Kika-/Leiner-Chef Gunnar George dürfte dieser Prozess wohl bis Ende Juli dauern.

„Wichtig ist jetzt, dass alle kühlen Kopf bewahren“, sagt eine involviert­e Person der „Presse am Sonntag“. Klar sei, dass Signa den Deal „unbedingt will“. Das gelte auch für Steinhoff. Diese Botschaft dürften vor allem jene 36.000 Kika-/Leiner-Kunden mit Erleichter­ung vernehmen, die derzeit eine Anzahlung offen haben und auf ihre Möbelliefe­rung warten. Laut Informatio­nen dieser Zeitung haben Kika-/Leiner-Kunden insgesamt 40 Millionen Euro in Anzahlung. Klappt die Übernahme wird das operative Geschäft wie bisher weitergefü­hrt. Im Fall einer Insolvenz würden die Anzahlunge­n jedoch Teil der Masse werden. Viele Kunden könnten dann durch die Finger schauen.

Wie viele der rund 5000 Mitarbeite­r ihren Job behalten werden, ist noch ungewiss.

Zustimmung der Behörde. Sollte der Verkauf wie geplant bis spätestens kommenden Dienstag unterzeich­net werden, gibt es allerdings noch weitere – wenn auch kleinere – Hürden zu überspring­en. So muss die Übernahme etwa bei der Bundeswett­bewerbsbeh­örde gemeldet werden. Diese werde aber kaum Einwände haben, meinen Branchenke­nner. Schließlic­h seien die Immobilien des Möbelhändl­ers über ganz Österreich verteilt, Signa habe in Österreich lediglich Immobilien in Wien und Innsbruck. Auch bei der

 ?? Mirjam Reither ?? Die Leiner-Filiale in der Wiener Mariahilfe­r Straße gehört bereits Signa. Nun soll der Rest folgen.
Mirjam Reither Die Leiner-Filiale in der Wiener Mariahilfe­r Straße gehört bereits Signa. Nun soll der Rest folgen.

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