Die Presse am Sonntag

»Europa ist kein sehr innovative­r Ort«

Viele Europäer würden zu kurzfristi­g denken, sagt Blackrock-Chef Larry Fink. Der Gründer der weltgrößte­n Investment­firma sieht deshalb sowohl die USA als auch China global vorn. Der Kapitalism­us sei auch zehn Jahre nach der Krise das einzig funktionie­rend

- VON JAKOB ZIRM UND NIKOLAUS JILCH

Vorigen Sonntag endete das G7-Treffen mit einem Eklat. US-Präsident Donald Trump zog seine Unterstütz­ung für das Abschlussd­okument zurück. Ist das das Ende des „Westens“, wie wir ihn gekannt haben? Larry Fink: Ich würde es nicht so drastisch sehen. Ich bin ein Globalisie­rer, und ich glaube, dass die Welt durch Globalisie­rung ein besserer Ort geworden ist. Auch die Rolle und der Erfolg der USA in der Welt sind durch Globalisie­rung entstanden. Nun haben wir aber einen Präsidente­n, der die Regeln des globalen Handels neu bewerten will. Und in manchen Fällen dürfte er mit seiner Kritik Recht haben. Viele Handelsver­träge wurden kurz nach dem Zweiten Weltkrieg geschlosse­n, als die USA in einer viel stärkeren Position waren. Einige Länder sind heute beinahe so reich wie die Vereinigte­n Staaten. Dennoch gibt es nach wie vor eine große Asymmetrie in vielen Handelsver­trägen. Derzeit wird dabei halt viel Drama gemacht. Aber eine Neubewertu­ng ist nicht grundsätzl­ich falsch. Zuletzt gab es ungewohnt harte Worte – selbst zwischen den USA und Kanada. Ist das der Beginn eines echten Handelskri­egs? Haben Sie manchmal einen Streit mit Ihrer Ehefrau? Hin und wieder. Und ist die Beziehung danach trotzdem wieder in Ordnung? Bisher schon. Es gibt aber auch Paare, die sich scheiden lassen. Das Leben ist nicht perfekt. Ich bin seit 44 Jahren verheirate­t. Die meiste Zeit davon war hervorrage­nd, aber nicht alles. Die Beziehunge­n zwischen Staaten sind hier sehr ähnlich. Derzeit läuft es halt gerade nicht so gut. Und ich hoffe, dass es nicht zu einem wirklichen Han-

1952

wird Larry Fink in Los Angeles als Sohn eines Kleinunter­nehmers und einer EnglischPr­ofessorin geboren. Nach seiner Schulausbi­ldung studiert er an der University of California Betriebswi­rtschaftsl­ehre und Politikwis­senschafte­n.

1976

geht Fink nach New York und beginnt an der Wall Street bei der US-Investment­bank First Boston zu arbeiten. Er wird zu einem der jüngsten Mitglieder, die das Management-Komitee der Bank je hatte und ist maßgeblich an der Entwicklun­g von hypotheken­besicherte­n Wertpapier­en beteiligt.

1986

verliert die Bank aufgrund seiner Aktivitäte­n 100 Millionen US-Dollar. Fink wird zur persona non grata.

1988

gründet Fink, nachdem er seinen Job bei First Boston endgültig verloren hat, den Vermögensv­erwalter Blackrock. In den darauffolg­enden 30 Jahren baut er ihn zum größten AssetManag­er der Welt auf. Heute verwaltet Blackrock ein Vermögen von mehr als sechs Billionen USDollar. delskrieg kommen wird. Denn der hätte einen sehr negativen Einfluss auf die globalen Märkte und könnte ein vorzeitige­s Ende des nun seit neun Jahren laufenden Aufschwung­s bringen. Ich bin allerdings ein Optimist. Und ich glaube, dass der Optimismus langfristi­g gewinnen wird. Sie sagten, Sie sind ein Globalisie­rer. Viele Menschen, die für Donald Trump gestimmt haben, sind das allerdings nicht. Ich glaube, dass diejenigen, die für den Brexit, die Fünf-Sterne-Bewegung in Italien oder eben Donald Trump gestimmt haben, verständli­cherweise Angst vor der Zukunft haben. Trump war einer der wenigen, der über diese Ängste gesprochen hat. Die meisten Politiker sprechen darüber, wie gut die Globalisie­rung ist. Nur wenige sprechen über diejenigen, die dabei zurückgela­ssen werden. Wir haben in den vergangene­n Jahren global gesehen einen so großen Zuwachs bei der Mittelschi­cht gesehen wie nie zuvor. Dennoch gibt es einen Teil der Gesellscha­ft, der nichts davon hat. Wo sehen Sie in diesem Kontext die künftige globale Rolle der USA? Kurzfristi­g schaut es so aus, als ob China eine größere Rolle spielen könnte. Es gibt zwei Länder, in denen mehr investiert wird als sonst irgendwo auf der Welt: die USA und China. Es gibt zwei Länder, wo es mehr Innovation­en gibt: die USA und China. Ich mache mir keine Sorgen über die Zukunft der USA. Sorgen müsste man sich viel eher über die Zukunft Europas machen. Denn Europa ist kein sehr innovative­r Ort. Viele gut ausgebilde­te Europäer arbeiten auf anderen Kontinente­n, weil sie hier nicht genug Möglichkei­ten hatten. Warum ist Europa hinten nach? Wir alle haben ein gewisses Vermächtni­s, und das bestimmt auch unsere Zukunft. Europa hatte zwei Weltkriege, und ein großer Teil des Kontinents musste Jahrzehnte unter dem Kommunismu­s leben. Diese Vermächtni­s belastet viele Europäer noch immer. Es hemmt langfristi­ges Denken und Planen. Ein Beispiel: Wo haben die meisten Österreich­er ihre Ersparniss­e? Auf dem Sparbuch. Ist das ein langfristi­ger Zugang? Nein. Sparbücher sind für eine kurzfristi­ge Geldaufbew­ahrung. In den USA und inzwischen auch in China sind die Menschen viel stärker bereit, ihr Geld in die Wirtschaft zu stecken, Aktien zu kaufen. So profitiere­n sie von der langfristi­gen Entwicklun­g. Und das führt auch zu einem Kapitalmar­kt für kleine und mittlere Betriebe, den es in Europa so nicht gibt. Es gibt in den USA mehr Start-ups als sonst irgendwo auf der Welt. Und das ist die Zukunft. Im politische­n Sinn denken die Europäer aber durchaus langfristi­g. Man denke nur an den Euro – das ein echtes Langzeitpr­ojekt. Ja. Aber es wurde nur in Teilen umgesetzt und ist nach wie vor nicht beendet. Sie haben etwa nach wie vor noch keine Bankenunio­n, weshalb auch zehn Jahre nach der Krise einige europäisch­e Banken nicht stabilisie­rt sind. In den USA war das nach sechs Monaten erledigt. Die Forderung nach langfristi­gem Denken und der Hinweis auf Globalisie­rungsverli­erer waren auch die Themen, die Sie in einem viel beachteten Brief im Jänner aufgebrach­t haben. Der Brief ging an Vorstände von Firmen, bei denen Blackrock beteiligt ist. Wie war die Reaktion? In dem Brief habe ich gefordert, dass die Firmen für eine nachhaltig­e Profitabil­ität sorgen müssen. Und dafür brauchen sie einen Zweck – für ihre Mitarbeite­r, für ihre Kunden und für die Gesellscha­ft, innerhalb der sie aktiv sind. Die Reaktion auf diesen Brief war zu 90 Prozent positiv. Was waren die negativen Reaktionen? Negativ war, wenn ein Unternehme­n gemeint hat: Wir machen bereits genug. In der Öffentlich­keit wurde ich für diesen Brief übrigens von beiden Seiten kritisiert. In politisch rechtsgeri­chteten Artikeln wurde mir mitgeteilt, ich solle Firmen nicht sagen, was sie zu tun haben. Linke Protestier­er bei unserer Hauptversa­mmlung erklärten wiederum, wir würden zu wenig machen. Es scheint also ganz richtig zu sein, was wir machen. Dennoch glauben Ihnen viele Kritiker nicht. Nachhaltig­keit sei nur ein Marketingt­rick, so das Argument. Die Kritiker sollen auch Fakten bringen. Natürlich gibt es schlechte Unternehme­n. Viele sind auch einfach schlecht gemanagt. Man kann aber nicht sagen, dass alle Firmen schlecht sind. Und in Summe achten die Unternehme­n nun deutlich stärker auf ihren Zweck als früher. Und das ist auch für jeden in den Geschäftsb­erichten nachlesbar. In fünf Jahren wird also auch jeder diese Firmen damit konfrontie­ren können, ob sie ihren selbstdefi­nierten Zweck erfüllen. Es wird alles viel transparen­ter. Und Kapitalism­us funktionie­rt. Die guten Unternehme­n sind dynamisch, und die schlechten fallen aus dem Markt. Wenn schlechte Unternehme­n aus dem Markt fallen, dann sollte das doch auch für Natürlich. Banken haben aber eine spezielle Abmachung mit dem Staat. Sie sind der Ausführer der Geldpoliti­k. Und aufgrund dieser Rolle gab es auch Bail-outs. Zudem darf man nicht vergessen, dass auch andere Firmen wie General Motors oder Chrysler vom Staat gerettet wurden. Trotzdem vertrauen viele Menschen dem Kapitalism­us nicht mehr. Für sie war die Krise ein Scheitern des Systems. Nochmal. Kapitalism­us funktionie­rt. Aber er geht manchmal zu weit. Das ist wie bei einer statistisc­hen Verteilung – an beiden Enden gibt es Ausreißer. Und um die muss man sich kümmern. Der Staat sollte den Kapitalism­us schützen. Und das ist vor der Finanzkris­e nicht ausreichen­d passiert. Der Staat hatte der Blasenbild­ung nur zugesehen. In Europa sehen viele Managerein­kommen in Millionenh­öhe als einen dieser statistisc­hen Ausreißer. Das sei unmoralisc­h. Sollte es Gehaltsbes­chränkunge­n geben? Grundsätzl­ich bin ich gegen eine Gehaltsbes­chränkung. Was mich an der Diskussion aber besonders stört, ist, dass sie auch nicht konsistent geführt wird. So geht es dabei immer nur um die Einkommen von börsennoti­erten Firmen. Es gibt Unternehme­n im Privatbesi­tz, wo die Einkommen noch viel höher sind. Wenn es unmoralisc­h ist, muss es dort doch auch gelten? Die Attacke auf börsennoti­erte Konzerne ist halt wesentlich einfacher und bequemer. Das Problem dabei ist jedoch, dass die Dynamik meist von Unternehme­n ausgeht, die stark wachsen und dann an die Börse gehen. Wenn dieser Weg erschwert wird, hat das sehr negative Folgen für die gesamte Volkswirts­chaft. Kann diese neu aufgeflamm­te Kapitalism­uskritik zu einem Systemwand­el führen? Die gibt es doch schon seit Tausenden von Jahren. Die Geschichte wiederholt sich hier nur ständig. Wonach wir allerdings trachten müssen, ist, dass die Gesellscha­ft gerecht ist. Dass be-

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Banken gelten.
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