»Europa ist kein sehr innovativer Ort«
Viele Europäer würden zu kurzfristig denken, sagt Blackrock-Chef Larry Fink. Der Gründer der weltgrößten Investmentfirma sieht deshalb sowohl die USA als auch China global vorn. Der Kapitalismus sei auch zehn Jahre nach der Krise das einzig funktionierend
Vorigen Sonntag endete das G7-Treffen mit einem Eklat. US-Präsident Donald Trump zog seine Unterstützung für das Abschlussdokument zurück. Ist das das Ende des „Westens“, wie wir ihn gekannt haben? Larry Fink: Ich würde es nicht so drastisch sehen. Ich bin ein Globalisierer, und ich glaube, dass die Welt durch Globalisierung ein besserer Ort geworden ist. Auch die Rolle und der Erfolg der USA in der Welt sind durch Globalisierung entstanden. Nun haben wir aber einen Präsidenten, der die Regeln des globalen Handels neu bewerten will. Und in manchen Fällen dürfte er mit seiner Kritik Recht haben. Viele Handelsverträge wurden kurz nach dem Zweiten Weltkrieg geschlossen, als die USA in einer viel stärkeren Position waren. Einige Länder sind heute beinahe so reich wie die Vereinigten Staaten. Dennoch gibt es nach wie vor eine große Asymmetrie in vielen Handelsverträgen. Derzeit wird dabei halt viel Drama gemacht. Aber eine Neubewertung ist nicht grundsätzlich falsch. Zuletzt gab es ungewohnt harte Worte – selbst zwischen den USA und Kanada. Ist das der Beginn eines echten Handelskriegs? Haben Sie manchmal einen Streit mit Ihrer Ehefrau? Hin und wieder. Und ist die Beziehung danach trotzdem wieder in Ordnung? Bisher schon. Es gibt aber auch Paare, die sich scheiden lassen. Das Leben ist nicht perfekt. Ich bin seit 44 Jahren verheiratet. Die meiste Zeit davon war hervorragend, aber nicht alles. Die Beziehungen zwischen Staaten sind hier sehr ähnlich. Derzeit läuft es halt gerade nicht so gut. Und ich hoffe, dass es nicht zu einem wirklichen Han-
1952
wird Larry Fink in Los Angeles als Sohn eines Kleinunternehmers und einer EnglischProfessorin geboren. Nach seiner Schulausbildung studiert er an der University of California Betriebswirtschaftslehre und Politikwissenschaften.
1976
geht Fink nach New York und beginnt an der Wall Street bei der US-Investmentbank First Boston zu arbeiten. Er wird zu einem der jüngsten Mitglieder, die das Management-Komitee der Bank je hatte und ist maßgeblich an der Entwicklung von hypothekenbesicherten Wertpapieren beteiligt.
1986
verliert die Bank aufgrund seiner Aktivitäten 100 Millionen US-Dollar. Fink wird zur persona non grata.
1988
gründet Fink, nachdem er seinen Job bei First Boston endgültig verloren hat, den Vermögensverwalter Blackrock. In den darauffolgenden 30 Jahren baut er ihn zum größten AssetManager der Welt auf. Heute verwaltet Blackrock ein Vermögen von mehr als sechs Billionen USDollar. delskrieg kommen wird. Denn der hätte einen sehr negativen Einfluss auf die globalen Märkte und könnte ein vorzeitiges Ende des nun seit neun Jahren laufenden Aufschwungs bringen. Ich bin allerdings ein Optimist. Und ich glaube, dass der Optimismus langfristig gewinnen wird. Sie sagten, Sie sind ein Globalisierer. Viele Menschen, die für Donald Trump gestimmt haben, sind das allerdings nicht. Ich glaube, dass diejenigen, die für den Brexit, die Fünf-Sterne-Bewegung in Italien oder eben Donald Trump gestimmt haben, verständlicherweise Angst vor der Zukunft haben. Trump war einer der wenigen, der über diese Ängste gesprochen hat. Die meisten Politiker sprechen darüber, wie gut die Globalisierung ist. Nur wenige sprechen über diejenigen, die dabei zurückgelassen werden. Wir haben in den vergangenen Jahren global gesehen einen so großen Zuwachs bei der Mittelschicht gesehen wie nie zuvor. Dennoch gibt es einen Teil der Gesellschaft, der nichts davon hat. Wo sehen Sie in diesem Kontext die künftige globale Rolle der USA? Kurzfristig schaut es so aus, als ob China eine größere Rolle spielen könnte. Es gibt zwei Länder, in denen mehr investiert wird als sonst irgendwo auf der Welt: die USA und China. Es gibt zwei Länder, wo es mehr Innovationen gibt: die USA und China. Ich mache mir keine Sorgen über die Zukunft der USA. Sorgen müsste man sich viel eher über die Zukunft Europas machen. Denn Europa ist kein sehr innovativer Ort. Viele gut ausgebildete Europäer arbeiten auf anderen Kontinenten, weil sie hier nicht genug Möglichkeiten hatten. Warum ist Europa hinten nach? Wir alle haben ein gewisses Vermächtnis, und das bestimmt auch unsere Zukunft. Europa hatte zwei Weltkriege, und ein großer Teil des Kontinents musste Jahrzehnte unter dem Kommunismus leben. Diese Vermächtnis belastet viele Europäer noch immer. Es hemmt langfristiges Denken und Planen. Ein Beispiel: Wo haben die meisten Österreicher ihre Ersparnisse? Auf dem Sparbuch. Ist das ein langfristiger Zugang? Nein. Sparbücher sind für eine kurzfristige Geldaufbewahrung. In den USA und inzwischen auch in China sind die Menschen viel stärker bereit, ihr Geld in die Wirtschaft zu stecken, Aktien zu kaufen. So profitieren sie von der langfristigen Entwicklung. Und das führt auch zu einem Kapitalmarkt für kleine und mittlere Betriebe, den es in Europa so nicht gibt. Es gibt in den USA mehr Start-ups als sonst irgendwo auf der Welt. Und das ist die Zukunft. Im politischen Sinn denken die Europäer aber durchaus langfristig. Man denke nur an den Euro – das ein echtes Langzeitprojekt. Ja. Aber es wurde nur in Teilen umgesetzt und ist nach wie vor nicht beendet. Sie haben etwa nach wie vor noch keine Bankenunion, weshalb auch zehn Jahre nach der Krise einige europäische Banken nicht stabilisiert sind. In den USA war das nach sechs Monaten erledigt. Die Forderung nach langfristigem Denken und der Hinweis auf Globalisierungsverlierer waren auch die Themen, die Sie in einem viel beachteten Brief im Jänner aufgebracht haben. Der Brief ging an Vorstände von Firmen, bei denen Blackrock beteiligt ist. Wie war die Reaktion? In dem Brief habe ich gefordert, dass die Firmen für eine nachhaltige Profitabilität sorgen müssen. Und dafür brauchen sie einen Zweck – für ihre Mitarbeiter, für ihre Kunden und für die Gesellschaft, innerhalb der sie aktiv sind. Die Reaktion auf diesen Brief war zu 90 Prozent positiv. Was waren die negativen Reaktionen? Negativ war, wenn ein Unternehmen gemeint hat: Wir machen bereits genug. In der Öffentlichkeit wurde ich für diesen Brief übrigens von beiden Seiten kritisiert. In politisch rechtsgerichteten Artikeln wurde mir mitgeteilt, ich solle Firmen nicht sagen, was sie zu tun haben. Linke Protestierer bei unserer Hauptversammlung erklärten wiederum, wir würden zu wenig machen. Es scheint also ganz richtig zu sein, was wir machen. Dennoch glauben Ihnen viele Kritiker nicht. Nachhaltigkeit sei nur ein Marketingtrick, so das Argument. Die Kritiker sollen auch Fakten bringen. Natürlich gibt es schlechte Unternehmen. Viele sind auch einfach schlecht gemanagt. Man kann aber nicht sagen, dass alle Firmen schlecht sind. Und in Summe achten die Unternehmen nun deutlich stärker auf ihren Zweck als früher. Und das ist auch für jeden in den Geschäftsberichten nachlesbar. In fünf Jahren wird also auch jeder diese Firmen damit konfrontieren können, ob sie ihren selbstdefinierten Zweck erfüllen. Es wird alles viel transparenter. Und Kapitalismus funktioniert. Die guten Unternehmen sind dynamisch, und die schlechten fallen aus dem Markt. Wenn schlechte Unternehmen aus dem Markt fallen, dann sollte das doch auch für Natürlich. Banken haben aber eine spezielle Abmachung mit dem Staat. Sie sind der Ausführer der Geldpolitik. Und aufgrund dieser Rolle gab es auch Bail-outs. Zudem darf man nicht vergessen, dass auch andere Firmen wie General Motors oder Chrysler vom Staat gerettet wurden. Trotzdem vertrauen viele Menschen dem Kapitalismus nicht mehr. Für sie war die Krise ein Scheitern des Systems. Nochmal. Kapitalismus funktioniert. Aber er geht manchmal zu weit. Das ist wie bei einer statistischen Verteilung – an beiden Enden gibt es Ausreißer. Und um die muss man sich kümmern. Der Staat sollte den Kapitalismus schützen. Und das ist vor der Finanzkrise nicht ausreichend passiert. Der Staat hatte der Blasenbildung nur zugesehen. In Europa sehen viele Managereinkommen in Millionenhöhe als einen dieser statistischen Ausreißer. Das sei unmoralisch. Sollte es Gehaltsbeschränkungen geben? Grundsätzlich bin ich gegen eine Gehaltsbeschränkung. Was mich an der Diskussion aber besonders stört, ist, dass sie auch nicht konsistent geführt wird. So geht es dabei immer nur um die Einkommen von börsennotierten Firmen. Es gibt Unternehmen im Privatbesitz, wo die Einkommen noch viel höher sind. Wenn es unmoralisch ist, muss es dort doch auch gelten? Die Attacke auf börsennotierte Konzerne ist halt wesentlich einfacher und bequemer. Das Problem dabei ist jedoch, dass die Dynamik meist von Unternehmen ausgeht, die stark wachsen und dann an die Börse gehen. Wenn dieser Weg erschwert wird, hat das sehr negative Folgen für die gesamte Volkswirtschaft. Kann diese neu aufgeflammte Kapitalismuskritik zu einem Systemwandel führen? Die gibt es doch schon seit Tausenden von Jahren. Die Geschichte wiederholt sich hier nur ständig. Wonach wir allerdings trachten müssen, ist, dass die Gesellschaft gerecht ist. Dass be-