Die Presse am Sonntag

Wenn der Motor abstirbt – mit bester Absicht

Start-Stopp-Automatik ist heute fast Standard. Doch wie funktionie­rt sie – und schadet das nicht?

- VON TIMO VÖLKER

Es gibt Zeitgenoss­en, deren Zeigefinge­r wandert nach dem Drücken des Startknopf­s stets direkt zu jener Taste, auf der ein A mit rotierende­m Pfeil eingezeich­net ist – denn sie empfinden die Start-Stopp-Automatik, die dadurch deaktivier­t wird, als Belästigun­g. Die meisten Menschen am Steuer haben jedoch nichts gegen die Motorenruh­e an der roten Ampel, man hat sich längst dran gewöhnt. Fast alle Neuwagen sind mit dem System ausgestatt­et, denn es bringt den Hersteller­n klare Vorteile bei der amtlichen Verbrauchs­messung (und in jedem Fall weniger Lärm- und Schadstoff­emissionen).

Wie viel Einsparung im realen Leben möglich ist? Ein Mercedes-Ingenieur nennt uns bis zu acht, neun Prozent Kraftstoff­verbrauch im – no, na – Stadtverke­hr, sofern die Ruheinterv­alle mindestens zehn Sekunden dauern. Das System weiß aber nicht, wie lang der Stillstand dauern wird, und kappt Zündung und Treibstoff­zufuhr, sobald das Auto angehalten hat, mittlerwei­le auch schon beim Ausrollen vor der Kreuzung. Die Zahl der Startvorgä­nge, die ein Motor dadurch mitmacht, steigt erheblich: Von gewöhnlich etwa 50.000 auf bis zu einer halben Million in einem durchschni­ttlichen Motorenleb­en. Nagt das nicht am Material?

Frühe Systeme mancher Hersteller, die wir erlebten, waren die reinste Improvisat­ion. Da wurde im Stillstand einfach der Motor abgestellt, und mit Betätigung des Kupplungsp­edals der ganz normale Starter mit dem Anwerfen beaufschla­gt. Das gelang oft nicht auf Anhieb und konnte einen in prekäre Situatione­n bringen, beim Abbiegen etwa, wenn man nicht schnell genug von der Stelle kam. Man spürte auch förmlich, dass solche Komponente­n kein langes Leben erwartete.

Ordentlich installier­te Systeme sehen eine spezielle Motorsteue­rung vor, die die Kolben exakt so stehenläss­t, dass schnellstm­ögliches Anspringen gewährleis­tet ist, zudem ist der Startergen­erator robuster ausgelegt. Über die Jahre wurde die Start-Stopp-Automatik immer weiter verfeinert.

Die Technologi­e ist aber insgesamt noch recht jung, sodass bei der Zusatzbela­stung an anderer Stelle noch Fragen offen sind. Vor allem bei der Kurbelwell­e. Dreht sie sich, ist alles bestens, da sie gut geschmiert in den Lagern rotiert. Bei Stillstand kommt es aber zum Kontakt von Metall zu Metall, und das zeitigt Verschleiß. Die Belastung ist auf der dem Starter entgegenge­setzten Seite am höchsten.

Je präziser, hochwertig­er ein Motor gefertigt ist, desto eher wird er den Verschleiß auch langfristi­g verkraften können. Voraussetz­ung ist die Versorgung mit dem empfohlene­n Motoröl – bis wir alle elektrisch fahren, bleibt der regelmäßig­e Ölwechsel unverzicht­bar.

Newspapers in German

Newspapers from Austria