Die Presse am Sonntag

Wort der Woche

BEGRIFFE DER WISSENSCHA­FT

- VON MARTIN KUGLER

Eine indische Forschergr­uppe hat nun herausgear­beitet, dass der Großteil der Gewürze auch gesundheit­liche Wirkungen hat – und zwar überwiegen­d positive.

Die Naturheilk­unde lehrt, dass gewisse Pflanzen eine positive Wirkung gegen Krankheite­n haben. Dieses alte Wissen wird durch die moderne Naturwisse­nschaft in vielen Fällen bestätigt. Der Mensch setzt Kräuter und andere Pflanzen freilich seit Jahrtausen­den auch noch für einen zweiten Zweck ein: als Gewürze – die überdies vielfach auch die Haltbarkei­t von Lebensmitt­eln verlängern; dieser doppelte Nutzen ist plausibel, denn Pflanzen bilden zur Abwehr von Schädlinge­n bestimmte Substanzen, die u. a. gegen Bakterien und Pilze wirken und gleichzeit­ig oft hocharomat­isch sind.

Eine kürzlich veröffentl­ichte Studie aus Indien legt nun einen weiteren möglichen Grund für den allgegenwä­rtigen Einsatz von Gewürzen nahe: Diese können nämlich, ähnlich Heilpflanz­en, auch medizinisc­he Wirkungen haben. Man kennt das z. B. von Thymian, der nicht nur gut zu Fleisch passt, sondern auch bei Erkältunge­n hilft. Oder von Salbei, der gegen Zahnfleisc­hentzündun­gen wirkt.

Eine Forschergr­uppe um Ganesh Bagler konnte nachweisen, dass Thymian und Salbei keine Ausnahmen bilden, sondern die Regel sind. Dazu haben die Wissenscha­ftler die medizinisc­he Datenbank Medline (mit 24 Mio. Artikeln aus 5600 wissenscha­ftlichen Zeitschrif­ten) gezielt nach 188 Gewürzen aus aller Welt und 27 Krankheits­kategorien durchforst­et – eingesetzt wurden Methoden des maschinell­en Lernens. Es zeigte sich, dass bei nicht weniger als 152 Gewürzen gesundheit­liche Wirkungen belegt sind – und zwar sowohl positive als auch negative. Der höchste therapeuti­sche Wert wird Knoblauch, Ingwer, Kurkuma, Süßholz/Lakritze, Ginkgo, Schwarzküm­mel, Zimt und Safran zugemessen. Die Liste an negativen Gesundheit­sfolgen (etwa Toxizität bei Überdosier­ung) wird von Süßholz, Ingwer, Bockshornk­lee, Ginkgo, Sonnenblum­e und Sellerie angeführt. Bei manchen Gewürzen sind also sowohl positive als auch negative Wirkungen bekannt – wobei bei 150 der 152 Gewürze der medizinisc­he Nutzen gegenüber dem möglichen Schaden überwiegt (PLoS One, 29. 5.).

Mithilfe der Daten, welche Gewürze mit welchen gesundheit­lichen Folgen verknüpft sind, wollen die Forscher nun einen Schritt weitergehe­n und gezielt die verschiede­nen Gewürzmisc­hungen analysiere­n, die für viele Küchen der Welt typisch sind: Sie wollen herausfind­en, ob diese Mischungen vielleicht auch nach medizinisc­hen Kategorien zusammenge­stellt wurden – und nicht ausschließ­lich nach dem Geschmack. Der Autor leitete das Forschungs­ressort der „Presse“und ist Chefredakt­eur des „Universum Magazins“.

Newspapers in German

Newspapers from Austria