Als die Erde sich hob
Das Leben dümpelte lang vor sich hin, weil es zwar Wasser gab, aber kein Land. Erst vor 2,5 Milliarden Jahren kam der erste Kontinent.
Leben in der uns bekannten Form braucht flüssiges Wasser, deshalb schossen die Hoffnungen auf Leben außerhalb unseres Sonnensystems immer dann hoch, wenn sich Exoplaneten fanden, die ihre Zentralgestirne in der „habitablen Zone“umkreisen, d. h. in dem Abstand, in dem es weder zu heiß ist noch zu kalt für Wasser in flüssiger Form. Aber beim letzten Treffen der Planetenjäger wurde diese Sicht stark relativiert: „Wir haben das Stereotyp, dass es Leben gibt, wo es Wasser gibt“, warnte Teresa Fischer (Arizona State University), und ihr Kollege Cayman Unterborn ergänzte: „Zu viel Wasser ist zu viel des Guten.“(Nature 551, S. 421)
Denn ein rundum von Wasser bedeckter Planet, der keine Landmassen hat, könnte von denen nicht erodieren und auswaschen und in die Ozeane fließen lassen, was auch eine Bedin- gung des uns bekannten Lebens ist: Phosphor, es wird für RNA und DNA gebraucht. Und wenn ein Planet in der Größe der Erde gar rundum mit 50-mal so viel Wasser bedeckt wäre wie sie, wäre der Druck so groß, dass der Kern des Planeten nicht schmelzen würde: Es gäbe keinerlei geologische Aktivitäten – weder Vulkane noch Plattentektonik – und damit wohl auch keine biologischen wie bei uns.
Leben, zumindest höheres als das von Bakterien und Archaea, braucht neben Wasser auch Land, viel: Kontinente. Wann die auf der Erde kamen, ist umstritten, bisherige Schätzungen reichen von vor drei bis zu einer Milliarde Jahren. Als Himmelskörper ist die Erde, so wie das ganze Sonnensystem, 4,5 Milliarden Jahre alt, zunächst war sie ein durchgeglühtes Magmameer, dann kühlte sie außen zur Kruste, über die sich Wasser legte.
Das sorgte für Land: Erst mit seiner Hilfe bildete sich Gestein, das leicht genug war, nach oben zu steigen: Granit, in ihm sind viele leichte Elemente wie Kalzium und Silizium und wenige schwere wie Eisen, die dominieren das ursprüngliche Gestein, das der Tiefseeböden, den Basalt. Geschieden werden beide durch Wasser, es muss zum einen im Gestein sein und zum anderen als Last die notwendigen Drücke und Temperaturen erzeugen, Ian Campbell und Ross Taylor brachten den Konnex 1983 auf eine einprägsame Formel: „No water, no granites – no oceans, no continents“( Geophysical Resarch Letters 10, S. 1061).
„No humans“, ergänzte später Roberta Rudnick (University of Maryland), und auch sonst kein höheres Leben. Das einfachste kam vor etwa 3,8 Milliarden Jahren, dann dümpelte es vor sich hin, einen Schub erhielt es vor 2,5 Milliarden Jahren, da wurde die früher vom Basalt schwarze Erde erst rot und dann weiß. Rot wurde sie dadurch, dass das Eisen in den Meeren verrostete – das wasserlösliche Fe2+ oxidierte zu Fe3+ –, und lagerte sich in mächtigen Schichten als Bändererz ab. Dafür sorgte freier Sauerstoff, der erst die Meere füllte, und dann die Luft, im „great oxidation event“, der auch „große Sauerstoffkatastrophe“heißt. Größtes Massensterben. Von der Menge her war die Katastrophe gar nicht so groß – die Atmosphäre füllte sich mit zwei Prozent Sauerstoff, heute sind es 21 –, von den Folgen her schon: Der freie Sauerstoff, ein Abfallprodukt von Lebensformen, die oxygene Fotosynthese entwickelt hatten, war für andere Lebensformen Gift, er brachte das vermutlich größte Massensterben der Geschichte (das erstaunlicherweise in der gängigen Liste der fünf großen Sterben gar nicht auftaucht). Warum das erst vor 2,5 Milliarden Jahren geschah, ist nicht recht klar, sauerstoffproduzierende Fotosynthese gab es Hunderte Millionen Jahre früher, vermutlich spielte neben dem Ausgehen des sauerstoffschluckenden Eisens in den Meeren auch das in der Luft mit: Früher brachten Vulkane viel aus großen Tiefen, nun war die Erdkruste dicker, das Magma kam von weiter oben, in ihm war weniger Eisen (Nature 485, S. 490).
Wie auch immer, vor 2,5 Milliarden Jahren wurde die früher schwarze Erde nicht nur rot, sondern bald darauf auch weiß: Sie vergletscherte rundum, zu einem Snowball Earth. An der Sonne kann das nicht gelegen haben, die strahlte damals schon stärker als ganz zu Beginn, wo sie, die „faint young sun“(Carl Sagan), nur 70 Prozent ihrer heutigen Leuchtkraft hatte. Also muss ir- gendetwas auf der Erde gekühlt haben. War es der erste postulierte Urkontinent, Kenorland? Dass der sich damals aus der Erdkruste hob, in etwa zwei Dritteln der Größe der heutigen Kontinente, und zwar rasch, darauf deutet uralter Schiefer, den eine Gruppe um Ilya Bindeman (University of Oregon) ausgewertet hat ( Nature 24. 5.). Er zeigt, dass erstmals in der Erdgeschichte Wolken nicht nur über Meere zogen, sondern auch über Land, weit, ihre Niederschläge hinterließen Spuren: Unterschiedliche Sauerstoffisotopen.
Im Wasser sind leichtere und schwerere, letztere regnen zuerst ab, an Küsten und in tief gelegenen Regionen. Je ausgedehnter das Land sich zieht und je höher die Berge ragen, desto weniger schwere Isotope sind noch da, dort regnen die leichteren ab. Deren Überwiegen dokumentiert großflächig der Schiefer, offenbar war der
Vor 2,5 Milliarden Jahren wurde die Erde erst rot vor Rost, dann weiß vor Eis. Der Urkontinent, Kenorland, wurde von Regentropfen in Schiefergestein archiviert.
Erdmantel kühl und fest genug geworden, den Urkontinent zu tragen und aus dem Wasser ragen zu lassen, mit enormen Folgen für das Klima: Das Gestein war heller als das Wasser, das erhöhte die Albedo der Erde – die Rückstrahlung von Sonnenlicht –, das kühlte die Erde.
Das tat auch das nun an der Luft liegende Gestein selbst, es verwitterte und holte CO2 aus der Atmosphäre: „Damals fiel der erste Schnee“, vermutet Bindeman. Dem Leben war damit und der folgenden Rundum-Vereisung unmittelbar gar nicht gedient, es blieb unter dem Eis gefangen und konnte nur regional gedeihen, viel Sonnenlicht drang nicht durch. Als die Gletscher aber nach 200 Millionen Jahren wieder wichen – vermutlich kam die Erwärmung durch CO2 aus Vulkanen, das nicht mehr vom Gestein aufgenommen wurde, es lag ja unter Eis –, geriet von ihnen zerriebenes Gestein mit seinen Nährstoffen in die Meere, dort bildeten sich erste Mehrzeller, Algen.
Der ganz große Schub war das allerdings nicht, das Leben blühte erst viel später auf, nach einem weiteren Snowball Earth, in der kambrischen Explosion vor 540 Millionen Jahren.